Rettet die Orbit!

16. April 2003

     

Die Durchführung der diesjährigen Orbit (lassen wir den unnötigen Zusatz "Comdex" ruhig weg) ist ernsthaft gefährdet. Es hagelt Absagen von allen Seiten: SAP, Hewlett-Packard, Sun, Brother, Oracle, Orange, T-Systems, Sage Sesam, ... sie alle verkünden, dass sie auf den teuren Gang nach Basel verzichten wollen. Und der letzte Krösus der Branche, Microsoft, will sich mit einem winzigen Ständchen von vielleicht noch 250 Quadratmetern in eine Ecke drücken.

Mit den Absagen der Grossen wird die Orbit auch für die kleinen Schweizer Integratoren und Software-Hersteller wesentlich weniger attraktiv. Sie droht zu einer Randnotiz, zu einer besseren Abacus-Roadshow, zu verkommen. Nichts gegen Abacus, aber die Schweizer IT-Industrie besteht ja nicht wirklich nur aus den St. Gallern, oder?


Die Sünden der Orbit

Gewiss, die Orbit hat ein langes Sündenregister: Das neue Konzept mit dem Samstag als Messe-Tag kann Business-Anbieter wie eine SAP nicht glücklich machen. Ausserdem ist der neue Slogan von der "Unteilbarkeit des Users" zumindest unintelligent. Natürlich unterscheiden sich die User - der CIO eines Grosskonzerns hat andere Bedürfnisse und ein anderes Zeitbudget als ein 16jähriger Lehrling.

Zudem war der Umgang der Messe mit den Ausstellern in der Vergangenheit alles andere als kulant (Bussen, Partyverbot...) und das Gejammer über die Basler Parkplatzsituation war bis nach Zürich zu hören. "Bad Feelings" gegenüber den Messeveranstaltern sind weit verbreitet.
Die weit verbreitete Klage hingegen, die Orbit hätte zuwenig auf die Aussteller gehört, kann man so nicht gelten lassen.

Denn die IT-Industrie besteht heute aus sehr unterschiedlichen Playern mit sehr verschiedenen Interessen und Zielgruppen. Und sie ist zudem in unzählige Organisationen und Organisatiönchen zersplittert und unfähig mit einer Stimme zu sprechen.

Ausdruck des Strukturwandels

Es gibt aber auch objektive Argumente, nicht an der Orbit auszustellen: Ein Messeauftritt ist teuer und Geld knapp. Die Kunden informieren sich heute über das Internet - persönliche Beziehungen sind im Verkaufsprozess wichtiger denn je und im Gedränge einer Messe schwieriger zu pflegen als an einem Firmenanlass.

Zudem ist die Einschätzung, dass breite IT-Messen wegen der immer unterschiedlicheren Interessen der Player generell an Bedeutung verlieren, ebenso richtig, wie die Erkenntnis, dass heute keiner mehr eine Blechkiste anstaunt und ehrfürchtig "Pentium" flüstert.

Die Branche befindet sich also mitten in einem tiefen Strukturwandel: In Zukunft werden weder technologische Fortschritte noch eine Börsenblase die Nachfrage treiben. Eine Messe muss all dies zur Kenntnis nehmen und sich mit der Industrie verändern.

Doch reichen diese Argumente und die berechtigte Kritik an Konzept und Kundenservice der Basler wirklich aus, um den zentralen Anlass der Schweizer IT-Industrie einfach fallenzulassen?

Unüberlegt

Jeder der Orbit-Verächter hat für sich alleine gute betriebswirtschaftliche und vielleicht auch auch weniger gute emotionale Gründe, auf den Messe-Auftritt zu verzichten. Doch für die Branche als Ganzes ist dieses individuelle Verhalten schädlich.

Denn, würde die Orbit bedeutungslos oder gar abgesagt, hätte dies - mitten in einer harten Restrukturierungsphase - unabsehbare Folgen. Die Schweizer IT-Industrie würde auf einen Schlag weniger beachtet. Gesellschaftliches Interesse aber lässt sich weder mit Marketing-Geld noch mit irgendwelchen Bundessubventiönchen zurückkaufen. Ein Detail am Rande: Ein rechter Teil der Schweizer IT-Presse (nicht wir) würde ohne Orbit verschwinden.

Und jene (Gross)firmen, die bereits bisher auf Messeauftritte verzichteten und dafür das günstige Umfeld für ihre eigenen Kampagnen nutzten, könnten ins Staunen geraten. Auf einem stehenden Wagen kann man auch nicht Trittbrettfahren...

Also: Lassen wir die Orbit 03 stattfinden, und fangen wir 2004 mit einem durchdachten, gut segmentierten und günstigeren Konzept neu an.

Ihr Christoph Hugenschmidt


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