BCD-Sintrag wird ASP

Der Oberglatter Server-based Computing-Spezialist und VAD BCD-Sintrag entwickelt ein interessantes Modell für ASP-Dienstleistungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2000/16

     

BCD-Sintrag in Oberglatt vertreibt als klassischer VAD (Value added Distributor) Thin Clients und Software für «Server based Computing» von Marktführer Citrix. IT Reseller hat sich mit den beiden Mitinhabern von BCD-Sintrag, Herbert Schwerzmann und Erich Fehr über den Schweizer Markt und ihre Zukunftsstrategie unterhalten.
IT Reseller (ITR): Wie gross ist der Markt in der Schweiz für «Server based Computing» heute?
Erich Fehr (EF): Wir kennen natürlich nur die Softwareseite genau. Den Rest kann man aber ausrechnen, wenn man weiss, dass die Software etwa 20 Prozent der Gesamtinvestitionen ausmacht. Wenn ich von unseren Umsätzen ausgehe, so dürfte der Markt in diesem Jahr inkl. Peripherie und Clients etwa 100 Mio. Franken betragen.

ITR: Wie gross ist Ihr Anteil daran?

EF: Unser Anteil am Gesamtmarkt ist relativ klein. Aber wir setzen etwa 80 Prozent des Citrix-Marktes um. Wir verkaufen ja ausser ein paar Thin Clients keine Hardware.
Herbert Schwerzmann (HS): Die Schulung ist allerdings in diesen Zahlen nicht enthalten. Dieses Jahr bilden wir immerhin etwa 400 Personen im Citrix-Bereich aus. Es gibt heute etwa 150 bis 160 zertifizierte Citrix-Reseller in der Schweiz. Es gibt etwa 250 MCSP im Serverbereich. Da sieht man doch die Bedeutung, die die Citrix-Technologie in der Branche hat. Das sind nicht mehr nur die kleinen Reseller, sondern namhafte Firmen wie Commcare, Compaq, Itris, Bull usw.

ITR: Welches Wachstum wird der Markt mit Citrix-Technologie haben?

EF: In den letzten fünf Jahren hatten wir jährlich eine Umsatzverdoppelung. In der Zukunft wird das Wachstum wahrscheinlich etwas abflachen. Etwa ein Viertel aller Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern setzen diese Technologie heute in irgendeiner Form bereits ein. Das ist eine schöne Zahl, denn vor fünf Jahren war Citrix Winframe noch ein Nischenprodukt. Das hat sich ab Herbst 98 geändert, als Microsoft mit dem Windows Terminal Server für NT 4.0 eingestiegen ist.
HS: Die Umsätze mit Citrix-Software werden sich nicht mehr jährlich verdoppeln. Wir gehen mal von einem Umsatzwachstum von 25 Prozent in den nächsten Jahren aus.
ITR: Das Konzept von BCD wird immer mehr kopiert, zum Beispiel von Computerlinks.
HS: Computerlinks kopiert nicht unser Konzept. Es gibt neben uns noch zwei Citrix-Distributoren. Die Citrix-Produkte können sie nur als VAD vertreiben, denn sie sind erklärungsbedürftig und aufwendig für den Sales. Es braucht Know-How. Da wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Wir haben langjährige Erfahrung als Systemintegrator. Wir kennen Unix, LAN, WAN und auch Hosts. Wir sind MCSP und Windows 2000 Migration Partner. Deshalb verstehen wir die Basistechnologie.
Die Fachhändler haben zuerst einmal Fragen, der eine mehr, der andere weniger. Wir machen die ganze Ausbildung. Die Kompetenz im Schweizer Markt kommt aus unserem Haus.
EF: Von den 150 bis 160 Citrix-Resellern haben wir über 90 Prozent rekrutiert. Jeder sagt, dass er Dienstleistungen bietet und Know-How hat, aber wir haben es bewiesen. Wir zeigen es auch. Wir sind an allen wesentlichen Messen, veranstalten Workshops. Unsere zentrale Aussage seit vier Jahren ist «Server based Computing.»
HS: Server based Computing ist ein Paradigmawechsel. Das braucht einen Informationstransfer vom Anbieter zum Kunden. Deshalb informieren wir auch die Endkunden. Das schafft im Fachhandel die Nachfrage, die dann wieder zu uns zurückfliesst. Wenn der Kunde informiert ist, sagt er dem Reseller, was er will. So muss es auch laufen. Insofern haben wir keine Angst vor den Mitbewerbern, im Gegenteil. Es ist gut, wenn mehr Leute von dieser Technologie reden. Das sieht man auch bei Microsoft. Vor zwei Jahren wusste kaum jemand bei Microsoft, was der Windows Terminal Server ist. Das ist heute ganz anders.
ITR: Kann ich Ihre Aussagen so interpretieren, dass die Systemintegratoren heute immer ein bisschen dem Markt hinterher hinken?
HS: Als Pauschalaussage stimmt das nicht. Je grösser ein Systemintegrator ist, desto strategischer denkt er. Die überlegen sich, in welche Märkte sie gehen wollen. Aber wenn ich die Branche anschaue, dann hat die Durchschnittsfirma nur 10 Mitarbeiter. Je kleiner ein Reseller ist, desto mehr wird er vom Markt gedrängt. Mit fünf Leuten müssen Sie viel mehr auf den Markt reagieren. Das war bei uns früher nicht anders.

ITR: Sie haben Unix erwähnt. Was sind Ihre Pläne im Unix-Markt?

HS: Das sind mehr als Pläne. Seit Frühjahr gibt es Metaframe für Solaris. Im September wird es Metaframe für AIX und für HP-Unix geben. Warum bringt Citrix diese Produkte? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Java-Applets werden immer fetter, brauchen also auch immer mehr einen Fat-Client oder mindestens grosse Bandbreiten. Jetzt kann man sich aber auch vorstellen, die Applets auf einem starken Unix-Server laufen zu lassen und via ICA, das Client-Protokoll von Citrix, darauf zuzugreifen. Ich kann dann mit dem gleichen Client eine Unix- und eine Windows-Applikation bedienen. Unix wird auch im ASP-Umfeld eine Rolle spielen. Das bedeutet für uns, dass wir im Unix-Umfeld einen neuen Channel aufbauen werden.

ITR: Wie bauen Sie diesen Channel auf?

EF: Wir haben einen dedizierten Mitarbeiter, der sich um diesen Markt kümmert. Wir schauen uns im Markt um und nehmen mit den Herstellern Kontakt auf. Ausserdem schauen wir natürlich unsere bestehenden Partner an, ob sie bereits mit Unix arbeiten. Dann gibt es dann vielleicht mal eine Informationsveranstaltung mit einem Hersteller zusammen. Doch es dauert sicher länger als sechs Monate, einen neuen Kanal aufzubauen.
ITR: Kommen wir zum Thema ASP. Wir vom IT Reseller sehen in der kommenden ASP-Landschaft drei Arten von Playern. Die Betreiber von Datencenter, die Lösungsanbieter, die ihre Lösung ASP-fähig machen und die «Verkäufer». Wo stehen Sie darin?
HS: Das erklären wir Ihnen gerne. Es wird verschiedene ASPs geben. ASP bedeutet das Teilen von Ressourcen für verschiedene Kunden. Man kann heute einem Kunden Applikationen zur Verfügung stellen, ohne dass er sie kaufen oder installieren muss. Citrix ist darin mit dem ICA-Protokoll ein wichtiges Element im ASP-Business.
ASP ist für uns nichts anderes als eine logische Fortsetzung des Distributionsgeschäfts. Anstatt dass wir eine Software kaufen und verkaufen, verkaufen wir einen Service. Der Kunde bekommt nicht mehr nur das Recht, eine Software zu gebrauchen, sondern viel mehr: Backup, Betrieb, Verfügbarkeit, Datensicherheit, Storage etc.
Der ASP und sein Partner werden dem Kunden gar nicht mehr kommunizieren, was die reine Lizenz kostet, sondern nur noch den Preis des Service.
Wo sehen wir den Markt für ASP-Dienstleistungen? Es gibt eine ganze Reihe von KMUs, für die ASP sehr vorteilhaft ist. Sie können die neueste Software benützen, ohne laufend in neue Hardware-Plattformen investieren zu müssen.
Die KMUs verwenden ganz unterschiedliche Software. Das kann ein Europa 3000 sein, ein SBS, ein SAP R/3 oder ein Abacus – was auch immer. Keine Firma in der Schweiz kann all diese Applikationen supporten. Wenn ich als ASP also nicht nur eine Applikation anbieten will, dann muss ich mit den Integratoren zusammenarbeiten.

ITR: Was wird Ihr konkretes Angebot sein?

HS: Wir werden in einem Rechenzentrum die Server betreiben und stellen Services zur Verfügung, die den Reseller interessieren. Unsere Kunden werden die Fachhändler sein.
Er soll beim Kunden die Applikationen supporten, was er in den letzten 10 Jahren sehr gut gemacht hat.
Er kennt die Probleme und Bedürfnisse der Kunden, er kann die Software parametrisieren, den Kunden bei den internen Abläufen beraten etc. Ein «anonymer» ASP kann diese Dienstleistungen nicht erbringen, denn er kennt den Kunden gar nicht.
EF: Wir werden auch Software zertifizieren. Ein Software-Hersteller kann zu uns kommen und seine Software bei uns prüfen lassen. Das ist gar nicht so trivial. Sie müssen zum Beispiel die kundenspezifischen Daten von den übergreifenden Daten sauber trennen. Da kommt uns zu Gute, dass wir jahrelang Software eingeführt haben.
HS: Zusammengefasst: Wir werden als BCD-Sintrag Application Service Providing machen. Wir werden dem Fachhandel Applikationen zum Wiederverkauf anbieten.
Mit «NFuse» kann heute theoretisch jeder Reseller sein eigenes Portal bilden und seinen Kunden Applikationen darin anbieten. Die Applikationen selbst kommen dann beispielsweise aus dem Rechenzentrum «dahergeflogen», das wir betreiben. Der Fachhändler wird seine eigenen Services dazu verkaufen.

ITR: Sie bauen selbst ein Rechenzentrum? Das können wir uns nicht vorstellen.

EF: Wir bauen kein eigenes RZ im wahren Sinn des Wortes, aber im logischen Sinn. Wir werden uns in einem bestehenden grossen, sicheren RZ einmieten. Es wird ein professionelles RZ mit dicken Leitungen sein. Das Operating der Server wird vom RZ betrieben, wir werden die Integration der Applikationen besorgen.

ITR: Welches Rechenzentrum wird das sein?

HS: Wir sind in Verhandlungen mit mehreren Anbietern. Mehr dazu will ich noch nicht sagen. Es wird ganz sicher ein sicheres, grosses Datencenter sein.
EF: Der Aufbau eines eigenen, sicheren RZs kostet etwa 50 Millionen Franken. Da können nur noch die ganz grossen Firmen mithalten. Die Suche nach einem solchen RZ ist gar nicht so einfach. Das RZ selbst muss Monitoring, Sicherheit, Storage und Backup sicherstellen und den Zugang zum Internet garantieren.

ITR: Haben Sie schon konkrete Erfahrungen vorzuweisen?

EF: Wir beschäftigen uns nicht erst seit gestern mit ASP. Die ersten Konzepte bei uns stammen vom Frühjahr 98. Seit der Internet Expo 2000 will jeder ein ASP sein. Wir haben seit Dezember 99 einen Pilot laufen. Da gibt es diverse Applikationen drauf und es wird bereits heftig getestet. Wir machen mit dem Pilot-Projekt unsere Erfahrungen. Ein Thema war sicher Performance, ein weiteres Sicherheit. Und wir konnten Applikationen testen. Es gibt Software-Hersteller, die sehr interessiert sind, zum Beispiel Rotron mit Europa 3000.
Das werden wir sicher anbieten.
HS: Das wird für die 60/70 Wiederverkäufer von Europa 3000 eine Chance sein. Er kann dem Kunden ein weiteres Angebot machen. Er kann dem Kunden eine Lösung verkaufen, ohne dass er zusätzlich dem Kunden Hardware oder neue Microsoft-Lizenzen verkaufen muss.


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