Die Basler Software-Schmiede für Content-Management-Syteme, Obtree Technologies plant für den 27. November ihr IPO am SWX New Market. Als Lead-Manager wird die UBS Warburg den IPO begleiten.
An der Pressekonferenz bestätigte ein Sprecher der UBS die Begeisterung für Obtrees Produkt «C3», welches bei der UBS vorerst in über 6000 Workstations erfolgreich und «kostengünstiger als das vorrangig eingesetzte Produkt» eingeführt worden sei. Gemeint ist damit nichts anderes als Communiqué von Day, dem grössten Schweizer Konkurrenten von Obtree.
Die Gründer José C. Valcarce (Bild) und Luc N. Haldimann behalten 50,1 Prozent der Aktien. 27,7% des Aktienkapitals oder rund 645’000 Titel sollen im Publikum gestreut werden. 500’000 Stück davon resultieren aus einer kürzlichen Kapitalerhöhung: Obtree hat diesen Monat in einer zweiten Venture-Capital-Runde Swiss Life Equity Partners und die Genfer Privatbank Pictet & Cie als Investoren gewinnen können.
Cash as cash can
«Obtree C3» konnte sich — vier Jahre nach der Gründung der damaligen Open Mind Systems AG durch CEO José C. Valcarce und CTO Luc N. Haldimann — bei Grossunternehmen aus den Branchen All Finanz, Telekommunikation und IT, Industrie und Handel sowie bei öffentlichen Verwaltungen etablieren.
In der Kundenliste figurieren neben der erwähnten UBS nicht minder bekannte Namen wie
Hewlett-Packard (mit «Nimus» für personalisierte E-Services im Finanzbereich), die Credit Suisse (HRM Net), Winterthur, SBB Cargo, SAG Schweiz,
Sunrise oder Compaq Schweiz.
Aus dem IPO erwarten die Gründer José C. Valcarce und Luc N. Haldimann gute 50 Millionen Franken für den weiteren Ausbau ihres Unternehmens. Damit wären die Basler nicht schlecht gerüstet, die bisher erfolgreiche Expansion ins benachbarte Ausland auch nach USA und Asien auszuweiten.
Wie Valcarce bestätigte, verfüge man zur Zeit über sechs Millionen Franken Cash und 21 Millionen aus der zweiten VC-Runde. Neben der Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland will man weiter mit starken Partnern zusammenarbeiten. Bis 2003 sollen 80 Prozent über indirekte Kanäle laufen.
Night and Day? — No!
Anders als etwa die ebenfalls in Basel ansässige Konkurrenz Day Interactive, die ihr Netzwerk schlagartig auf beinahe die ganze Welt (Europa, USA, Asien) auszuweiten versucht, setzte Obtree vorderhand auf die Ausdehnung der Präsenz in Europa. In diesem Jahr konnte Obtree in Basel, Deutschland, Grossbritannien, Skandinavien und Spanien 100 Arbeitsplätze schaffen.
Bis heute wurden 100 Lizenzen verkauft, davon 61 in der Schweiz und — man höre und staune — 29 im Ausland.
Und um nochmals einen Vergleich mit Day anzustellen: Obschon Obtree bisher weit bescheidener auftritt als sein Konkurrent Day, beschäftigt das Unternehmen vier Jahre nach seiner Gründung bereits 270 Mitarbeiter (200 in der Schweiz), während es Day sieben Jahre nach der Gründung der damaligen Bidule AG auf 160 Leute (davon 60 in der Schweiz) und 7,9 Millionen Franken Umsatz im ersten Halbjahr 2000 bringt.
Obtree dagegen erwirtschaftete in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres 23,7 Millionen Franken Umsatz, davon 17,2 Millionen im Consulting-Bereich der im Juni akquirierten Berner Born Informatik.
Boom-Markt «CM»
Im äusserst zukunftsträchtigen Markt für Content Management wollen die Schweizer also eine bedeutende Rolle spielen. Vergleicht man die Umsätze der beiden Schweizer Software-Hersteller mit dem Weltmarkt, so scheint dieses Vorhaben nicht allzu unrealistisch. Von den heute in diesem Bereich umgesetzten rund 500 Millionen Dollar werden sich die beiden Basler dieses Jahr ein anständiges Sümmchen abzwacken.
Dazu tragen unter anderem auch die in der Schweiz hohe Internetdichte, die Bereitschaft der Unternehmen, finanzielle Ressourcen für neue Entwicklungen bereitzustellen und die hohe Anzahl der multinationalen Konzerne mit Sitz oder Hauptsitz in der Schweiz bei.
Und glaubt man den Industrie-Auguren, so werden sich die Umsätze bis zum Jahr 2004 gar auf 5,3 Milliarden Dollar verzehnfachen. Kein Wunder also, investieren Giganten wie die Swiss Life in Obtree und die Swiss Re in Day. Denn im Gegensatz zu den mittlerweile von ihrem hohen Ross heruntergestiegenen Dot-Com-Unternehmen handelt es sich bei Obtree und Day zwar um Lieferanten der E-Commerce-Branche, selber sind sie aber nicht in dem Business tätig.
Da sich Content-Management-Hersteller (noch) in erster Linie bevorzugt auf international tätige Grossunternehmen spezialisieren, gehen sie dabei auch kaum das Risiko ein, dass ihre Kundschaft dereinst dem Börsen-Hype anheim fallen könnte.
Und wenn sich in ein paar Jahren die E-Commerce-Spreu vom Weizen getrennt haben wird und auch mittlere und kleinere Unternehmen nicht mehr auf effektives und dynamisches Inhalts-Management ihrer Websites verzichten werden können, wird das CMS-Geschäft erst richtig abheben. (mh)
Die wichtigsten CMS-Anbieter
Broadvision/Interleave, USA
Eprise, USA
Gauss Interprise, D
Interwoven, USA
Mediasurface, UK
Pironet, D
Vignette, USA
Auch Pironet jubelt
Der deutsche CMS-Hersteller Pironet lässt verlauten, dass der Umsatz seiner Software «pirobase» bereits Ende Oktober das für das Jahr 2000 geplante Budget von 4,5 Millionen DM erreicht habe.
Wie bei Obtree macht auch bei Pironet der Consulting-Bereich den weitaus höheren Anteil des Gesamtvolumens aus: Aufgrund der Fusion mit der NDH IT Service und des gestigenen Auftragsbestands erwartet Pironet für 2000 eine Umsatzsteigerung um mehr als 250 Prozent auf 48,5 Millionen DM.