Aseantic nach Schweden verkauft

Ein weiterer Schweizer Webdienstleister stellt sich bei einem grossen internationalen Konzern unter. Die Bieler Webagentur Aseantic Media wurde für 28 Mio. Franken an die schwedische Adcore verkauft.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2000/20

     

Seit zwei Wochen ist Gian-Franco Salvato, Schweizer Vorreiter in Sachen Internet-Design und Gründer der Bieler Webagentur Aseantic Media, ein frischgebackener Multimillionär. Doch er bleibt bescheiden wie eh und je.
Er hätte nicht daran geglaubt, die kritische Grösse aus eigener Kraft zu erreichen. Schon in diesem Frühling meinte er zu IT Reseller, er überlege, sein Unternehmen an ein grösseres Agenturnetz anzubinden.
Entscheidend dazu beigetragen, sich einem grossen Netzwerk unterzustellen, hat denn auch die Tatsache, dass die stetig wachsenden Bedürfnisse der Kunden nicht mehr mit den bestehenden Strukturen hätten erfüllt werden können. Der Verkauf an Adcore verschafft Aseantic nun Zugang zu Spezialisten, die es in der Schweiz gar nicht oder kaum gibt: Unter den 1800 Adcore-Mitarbeitern finden sich Profis aus den Bereichen Mainfraime, Unix, Application Server Providing oder etwa auf Vignette spezialisierte CMS (Content Management System) -Spezialisten.

Ideale Ergänzung

Die schwedische Adcore AB ist mit 11 Niederlassungen neben Schweden auch in Norwegen, Dänemark, Finnland, Grossbritannien, Deutschland, Holland, Frankreich, Belgien und Japan vertreten. Man nennt sich stolz «Digital Business Creators», da man sich darauf spezialisiert hat, für Unternehmen der «Old Economy» neue Business-Modelle auszuarbeiten.
Die Schweden verfügen über viel Know-how für Projekte der mobilen Kommunikation und E-Business. Alleine die Strategie-Division von Adcore beschäftigt 300 Leute. Adcore ist vor allem im Finanz- und Versicherungsbereich und in der Telekommunikationsbranche stark, während Aseantic sich im Konsum- und Luxusgütermarkt einen Namen gemacht hat. So ergänzen sich die bestehenden Kundenstämme und das Know-how der beiden Unternehmen.
Adcore hat bereits mit rund 15 Leuten für Schweizer Kunden im In- und Ausland gearbeitet. Diese Kundenmandate werden von Biel aus koordiniert.
Erst Ende Oktober hatte Adcore die in 10 europäischen Ländern tätige Cell Strategy mit 130 Mitarbeitern übernommen. Die Zürcher Crew wird in die europäische Struktur integriert und nicht Adcore Schweiz unterstellt.

Alle Mitarbeiter erhalten was

Die 1995 gegründete Aseantic erwirtschaftete 1999 bei einem Cash-flow von 16 Prozent einen Umsatz von ca. 3,5 Mio. Franken. Dieses Jahr wird der Umsatz schätzungsweise 6,5 bis 7 Mio. Franken betragen. Heute beschäftigt Salvato in Biel 60 Mitarbeiter.
Adcore lässt sich die Übernahme 28 Mio. Franken kosten. 50 Prozent davon werden in Adcore-Aktien und 50 Prozent in bar ausbezahlt. Salvato richtet für alle Aseantic-Mitarbeiter, die nicht am Unternehmen beteiligt waren, einen Stiftungspool mit einem kleinen Anteil von Aktien und Geld aus dem Verkauf ein. Dabei dürfte nicht zuletzt die Tatsache eine Rolle gespielt haben, dass sich ein solcher Akt positiv auf die Motivation der Mitarbeiter auswirkt. (mh)

«Wieso sind sie mit Ihrem Unternehmen nicht an die Börse, Herr Salvato?»

IT Reseller: Herr Salvato, Wenn man sich die Liste der grossen Schweizer Web- Agenturen ansieht, war Aseantic eines der letzten unabhängigen Unternehmen. Ausser Namics, die zur Poubligroupe gehört, bleiben da nur noch Day, Obtree und Crealogix, die alle an der Börse kotiert sind. Wieso haben Sie Ihr Unternehmen verkauft und nicht an die Börse gebracht?
Gian-Franco Salvato: Wissen Sie, wir hatten nicht das Gefühl, dass wir die kritische Grösse aus eigener Kraft schaffen, weil wir schlicht zu klein sind. Bei Day und Obtree sieht die Situation ganz anders aus, denn beide sind Softwarehersteller und vertreiben Ihre Produkte über Partner. Internetdienstleister hingegen müssen die Marktpräsenz selber aufbauen. Es gibt zwar Schweizer Agenuren, die glauben, das selbst zu können. Aber um europaweit vorne mit dabei zu sein, reicht das Geld aus einem IPO eh nicht aus.
ITR: Wieso haben Sie die schwedische Adcore gewählt? Es haben doch sicher noch andere Multis bei Ihnen angeklopft?
GFS: Das stimmt, wir hatten mit rund 15 Agenturen aus Mitteleuropa, Skandinavien und den USA Kontakt. Am Schluss war uns auch die Kultur sehr wichtig. Schweden ist wie die Schweiz ein kleines Land. Die Leute sind bescheiden, bringen viel Know-how mit. Ein deutscher Partner hätte eher das Gefühl gehabt, die Schweiz als kleinen Kanton zu managen und die Amerikaner neigen dazu, uns erklären zu wollen, wie Internet funktioniert. Adcore selbst tritt viel bescheidener als etwa Pixelpark auf, obwohl Adcore doppelt so gross ist wie Pixelpark.
ITR: Man hat schon viele Internetpioniere gesehen, die ihr «Kind» an Multis verkauft haben, zum GM oder MD Schweiz wurden und sich schliesslich nicht in die Struktur eines Grosskonzerns haben einbinden können. Fürchten Sie sich nicht vor dem Druck, hohe Budgeterwartungen erfüllen zu müssen?
GFS: Nein, gar nicht. Die Vorgaben sind jetzt sogar geringer. Dies betrifft v.a. den Personalbereich, da wir jetzt über Spezialisten aus allen Bereichen verfügen, die wir projektbezogen herbeiziehen können. Im Personalbereich streben wir nun ein Wachstum von 50 bis 70 Prozent pro Jahr an, während wir früher immer mit einer Verdoppelung rechnen mussten. Unser Management bleibt unverändert.
ITR: Adcore rühmt sich, insbesondere im Bereich mobile Kommunikation über viel Know-how zu verfügen. Was halten Sie persönlich von WAP?
GFS: Ich habe nie viel davon gehalten und auch nie auf den Hype gesetzt. Es ist nicht sehr sinnvoll, wenn ich ein Handy 24 Stunden online habe und trotzdem nicht automatisch über News informiert werde. Ausser dem SBB Fahrplan oder Restaurantführer gibt es in der Schweiz noch nicht viel gescheites. Die Nachfolgeprotokolle von WAP könnten zu einem Riesenbusiness werden. Einen Sinn sehe ich z.B. bei der Überwachung von Prozessen. (Interview: mh)


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