Gartner: Geplatzte Seifenblasen

IT-E-Tailing-Studien: Gedämpfte Aussichten Die Dotcoms sind entzaubert, traditionelle Unternehmen zeigen wenig Elan bei ihren B2C-Initiativen. Web-Umsätze mit IT-Produkten wachsen zwar schneller als der Gesamtmarkt, aber die unmittelbare Zukunft ist wenig verheissungsvoll: Drei Studien.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2000/21

     

In der Studie «Burst Bubbles and other Surprises» versucht Gartner Dataquest einen kurzen Überblick über die E-Tailing-Initiativen in Europa. Die Akteure werden dabei in drei Kategorien eingeteilt: Hersteller, Reseller und reine Dotcom-Unternehmen.
Trotz vollmundigen Ankündigungen sind die Hersteller bisher recht vorsichtig vorgegangen. Compaq und HP haben Skandinavien als Testgebiet gewählt, bevor sie ihre Projekte in anderen Ländern einführen wollen. In Frankreich und Grossbritannien hat IBM seine Webshops aggressiv eingeführt, in einem Versuch, die dort verlorenen Marktanteile zurückzugewinnen. Verschiedene Hersteller haben noch gar keine E-Commerce Initiativen, zum Beispiel NEC und Fujitsu-Siemens.
Unter den (grösseren) Resellern versucht nur Dixons, mit seinem ISP Freeserve, die Online-Verkäufe zu forcieren, beschränkt sich aber bis jetzt auf Grossbritannien. Die Konkurrenz blieb bisher auffälig ruhig, Mediamarkt zum Beispiel hat sein Portal in Deutschland lanciert, ohne es überhaupt anzukünden. Unter den stärksten Konkurrenten der spezialisierten IT-Retailer, zu nennen sind da vor allem Supermarktketten wie Aldi und Carrefour, sind gar keine E-Commerce-Initiativen auszumachen.
Viele reine E-Tailer stecken in Schwierigkeiten, die mangelnden Profite haben den Investoren das Vertrauen geraubt. Gartner hebt zwei Unternehmen hervor, um die neusten Trends zu unterstreichen. Jungle.com, dessen Cash-Reserven langsam ausgingen, hat der Übernahme durch Great Universal zugestimmt, einem der ältesten Katalog-Retailer in Europa. Letsbuyit.com wurde durch das nachlassende Vertrauen der Investoren in den Internetsektor dazu gezwungen, den Ausgabepreis seiner Aktien für den geplanten Börsengang wiederholt zu senken.
Gründe und Trends
Gartner schätzt die Kosten um eine E-Commerce-Website aufzubauen, die CRM (Customer Relationship Management, SCM (Supply Chain Management), Personalisation und andere dynamische Features unterstützt, auf 50 bis 500 Mio. Dollar. Diese enormen Kosten haben viele Unternehmen dazu gebracht, ihre Strategien zu überdenken. Einige suchen Partner für ihre Projekte. Für das KMU-Portal «The Source» hat sich Compaq mit Firmen zusammengetan, welche die Infrastruktur bereitstellen und Inhalte liefern. Andere, wie zum Beispiel Carrefour, konzentrieren sich auf B2B, und haben ihre B2C-
Investitionen zurückgeschraubt.
Gartner sieht zwei Haupthindernisse, die das Wachstum des E-Commerce im Moment bremsen: Sicherheitsbedenken und teure, langsame Internetzugänge. Diese beiden Stolpersteine werden in nächster Zeit nicht aus dem Weg geräumt.
Für die nächste Zukunft postuliert Gartner einen Haupttrend in der E-Tailer-Szene: Nach dem Modell von Great Universal werden etablierte Retailer Dotcoms übernehmen. Angesichts des finanziellen Aufwands, eine eigene Site aufzubauen, und mangels internem Web-Know-How könnten Übernahmen oder Allianzen eine attraktive Alternative sein.
GfK: Der Stand in Europa
GfK hat eine Untersuchung über den gegenwärtigen Stand der Umsätze über das Web bei technologischen Gütern in Europa durchgeführt. Darin wurden neben IT-Produkten auch Consumer-Electronics (Audio, Video, Spiele) miteinbezogen. Die Zahlen stammen aus Deutschland, England, Frankreich, Spanien und Italien. Verglichen wurde das erste Halbjahr 2000 mit dem gleichen Zeitraum 1999.
Die Hardware-Umsätze über das Web sind gegenüber 1999 um 106% gewachsen, der Anteil an den Gesamtumsätzen beträgt nun 1,7%. Bei der Software ist E-Commerce erfolgreicher, das Umsatzwachstum beträgt 180%, der Umsatzanteil im Jahr 2000 ist 5%.
Interessant ist der Vergleich von «Click & Mortar»-Retailern, die sowohl übers Web wie auch traditionell verkaufen, und reinen E-Tailern. Noch werden 52% der Web-Umsätze durch reine E-Tailer erzielt, aber die «Click & Mortar»-Retailer haben schneller zugelegt. Ihre Umsätze über das Web sind um 167% gewachsen, während die reinen Dotcoms nur 71% Wachstum vorweisen konnten.
Wemf: Wenig Steigerungspotential
Ein trübes Licht auf das Steigerungspotential im E-Tailing-Bereich für IT-Produkte in der Schweiz wirft eine Zahl der AG für Werbemittelforschung (Wemf), die sie anlässlich ihrer «MA Comis 2000»-Studie über die Internet-Gewohnheiten der Schweizer Web-User erhoben hat. 21% der Befragten gaben an, in den letzten 12 Monaten ein EDV-Produkt im Internet gekauft zu haben. Aber nur 4% äusserten die Absicht, in den nächsten 12 Monaten zum ersten Mal ein EDV-Produkt im Web zu erstehen. Das Neukundenpotential, gemessen an den bisherigen E-Kunden, scheint bei IT-Produkten wesentlich geringer zu sein, als bei allen anderen Produktebereichen (siehe Tabelle). Das gilt auch für alle 13 von der Wemf aufgeführten Produktebereiche mit weniger bisherigen E-Kunden, die in dieser Grafik nicht erscheinen. (hjm)

Bisherige E-Kunden und potentielle E-Kunden in der Schweiz 1)


Produkte- Bisherige Potentielle Neukunden in
bereich E-Kunden 2000 E-Kunden Prozent der Bisherigen
Bücher 500’000 171’000 34%
Musik 394’000 182’000 46%
Tickets 360’000 182’000 51%
EDV-Produkte 350’000 67’000 19%
Hotelbuchungen 237’000 149’000 63%
1) Hochgerechnet auf 1’653’000 Schweizer Webuser zum Zeitpunkt der Studie Mitte 2000. Quelle: Wemf


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