E-Consulter auf der falschen Fährte

Webdienstleister beten das Mantra des One-Stop-Shopping. Sie versuchen, durch Firmenzukäufe ihre Beratungstätigkeit auf den gesamten E-Commerce-Bereich auszudehnen. Falsch, sagen nun die Analysten von Forit (Forrester) — die Kunden wollen Spezialisten, nicht Generalisten.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2000/22

     

Die zumeist aus dem Bereich des Web-Designs hervorgegangenen E-Commerce-Berater versuchen seit einiger Zeit, ihre Kompetenzen für alle Bereiche der E-Commerce-Beratung auszudehnen.
Um dies zu erreichen — das Schlagwort lautet One-Stop-Shopping — werden meist Firmen übernommen, die einerseits den Agenturen eine überregionale Präsenz garantieren und andererseits aus den einstigen Spezialisten Full-Service-Anbieter für Strategie-und IT-Beratung, Implementierung, Design sowie Marketing und Branding des Webauftritts machen sollen. Um jedoch dieses Ziel zu erreichen, braucht es einerseits einen langen Atem und viel Kapital.

Rote Zahlen und Entlassungen

Obwohl die Umsätze im E—Commerce-Markt explodieren, schreiben grosse Agenturen oft massiv rote Zahlen. Die schwedische Framefrab musste trotz grossen Umsatzwachstums allein im dritten Quartal einen Nettoverlust von 17,6 Millionen Euro vermelden. Als Folge davon musste nicht nur CEO Jonas Birgersson den Hut nehmen, auch 340 Mitarbeiter in Schweden verloren ihren Job.
Auch die Schwedische IA Mind wird ein Drittel ihrer Belegschaft von momentan 470 Leuten entlassen, um 17 Millionen Dollar Kosten jährlich zu sparen. Der am NASDAQ kotierte Branchenriese Marchfirst will weltweit zehn Prozent oder 1000 Angestellte streichen, man hätte zu schnell und zu viel Personal angeworben.

Dienstleister und Enabler hochgefährdet

Laut einer Studie der privaten Universität Witten-Herdecke, die im Auftrag der «Financial Times Deutschland» durchgeführt wurde, wurden 16 der 30 analysierten, am Neuen Markt gelisteten Internet-Dienstleister als stark gefährdet eingestuft.
In der Studie wurde erstmals nicht nur die Liquiditätssituation, sondern auch die Möglichkeit, sich neues Kapital zu beschaffen, bewertet. Weitere 14 Unternehmen aus der Gruppe sind Internet-Enabler, also Lieferer von Werkzeugen und Infrastruktur für Online-Dienstleister. Obwohl normalerweise Enabler besser eingeschätzt werden als Dienstleister, schneiden in der Studie die Enabler schlechter ab, weil sie hohe Abschreibungen vor sich herschieben.

Old Economy weniger unter Druck

Hinzu kommt die Baisse bei Internet-Startups, die in diesem Jahr ihre Pläne stark zurückschrauben mussten, wenn sie nicht gar schon dem Markte erlegen sind. Neue Unternehmen hatten es im Jahr 2000 deutlich schwieriger als letztes Jahr, Risikokapital von Investoren zu erhalten. Zudem führten die Probleme der Startups — Meldungen von Rentabilitätsproblemen und Pleiten häuften sich in den letzten Monaten — auch dazu, dass die Old-Economy-Unternehmen weniger unter Wettbewerbsdruck stehen und daher die Players im Business-to-Consumer-Bereich mehr Zeit haben, ihre Webstrategien zu realisieren.
Als Folge fliessen Aufträge von Branchenriesen spärlicher — Webagenturen müssen ein gedrosseltes Wachstum hinnehmen.

Grossunternehmen bevorzugen Spezialisten

Die Marktforscher von Forit (Forrester) wollen diesen Trend nun in einer Studie bewiesen haben. Danach hat sich laut einer Umfrage bei Einkaufsentscheidern von grossen deutschen Unternehmen gezeigt, dass man dem Konzept des One-Stop-Shop offenbar skeptisch gegenübersteht.
Branchenriesen der Old-Economy bevorzugen danach bei der Vergabe von Beratungsaufträgen im E-Commerce spezialisierte Beratungsgesellschaften. Während nur 13 Prozent One-Stop-Shopping bevorzugen, vergeben 60 Prozent von allerdings nur 15 befragten Grossunternehmen ihre IT-Consulting-Aufträge bevorzugt an die besten Anbieter im jeweiligen Segment der Wertschöpfungskette.

Gewinn zählt, nicht Umsatz


Agenturen sollen sich, anstatt durch Akquisitionen von kleinen Internet-Dienstleistern zu diversifizieren versuchen, besser auf bloss ein Geschäftsfeld spezialisieren und im gleichen Segment tätige Marktteilnehmer schlucken. Profitable Aufträge von Grosskunden könnten eher gewonnen werden, wenn man sich als Spezialist für nur ein Gebiet ausweist. Durch Übernahmen generiertes Umsatzwachstum wird nicht belohnt, bei Investoren zählt allein der Gewinn. (mh)


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