Wie hat Software as a Service (SaaS) respektive Cloud Computing Ihr Geschäft als Software-Dienstleister verändert?Matthias Keller, Paninfo: Ich bin der Meinung, dass Software as a Service (SaaS) eigentlich nichts Neues ist, sondern einfach ein neuer Begriff zu einem seit geraumer Zeit bekannten Thema. Cloud Computing bedeutet daher also keine radikale Veränderung im Markt, sondern eine Entwicklung, die sich schon länger abgezeichnet hat. Wir haben den Fokus bezüglich Cloud Computing auf dem Thema Infrastruktur, weniger auf Applikationen.
Wie sehen Sie das Herr Elmer, ist Software as a Service oder Cloud Computing für Sie auch nichts Neues? Martin Elmer, Leanux.ch: Software as a Service ist teilweise alter Wein in neuen Schläuchen. Damit meine ich, dass die ganze Infrastrukturgeschichte jetzt einfach anders heisst. Man hat bereits seit 40 Jahren Computer in Rechenzentren. Andererseits verändert sich durch SaaS doch einiges. So kann ein Endkunde Office direkt kaufen, während man die Software früher nur über den Handel beziehen konnte. Ein weiteres Beispiel ist Apple. Bei Apple hat man das Betriebssystem bislang als Proxy via den Channel bezogen. Heute kann man die neue Version einfach direkt bei Apple herunterladen. Da ist der Channel tot, denn so generiert kein Partner mehr Umsatz. Bei allen Angeboten, die grosse Firmen machen, läuft es darauf hinaus, dass die Kunden irgendwann direkt Kontakt mit dem Hersteller haben und direkt dort und nicht mehr über die Partner kaufen, weil es einfach keine Rolle spielt, ob ich Online-Backup direkt oder über den Partner beziehe. Da sehe ich schon radikale Veränderungen. Die Angst ist gross, dass künftig nur noch alles direkt und nicht mehr über den Handel läuft. Wenn man als Partner selber Lösungen anbietet, dann hat man eine Chance. So wird man im Prinzip zu einem Hersteller, der Infrastruktur-Services anbietet. Wir haben zum Beispiel eine eigene ERP-Lösung. So sind die Kunden direkt bei uns. Wenn es das Produkt an keinem anderen Ort gibt, kann uns niemand die Kunden wegnehmen.
Silvio Galfetti: Das ist der Vetriebsweg, den Sie vor allem ansprechen, Herr Elmer. In ihrem Beispiel ist die Software ja dann noch immer lokal installiert, zum Beispiel beim Service Provider. Die Geister scheiden sich immer bei der Frage, was Software as a Service ist. Sie haben gesagt, dass es alter Wein in neuen Schläuchen ist. Ich sehe das etwas anders. Natürlich ist es zum Teil eine Weiterentwicklung eines Konzeptes, das es schon lange gibt. Aber wir sind der Meinung, dass SaaS nicht nur die Software an sich ist, die als Service bereitgestellt wird, sondern ein Bestandteil von Cloud Computing, das auch aus der Entwicklungsplattform und der Infrastrukturebene besteht. SaaS ist nicht nur die Software, sondern das Lizenzmodell, die Skalierbarkeit und die Dienstleistungen, die dazugehören, wie zum Beispiel das Einspielen von Releases, das vom Hersteller sichergestellte Backup oder die Hardware-Verfügbarkeit. Für uns von
Parx hat sich durch das Aufkommen von Cloud Computing nichts geändert, weil wir seit jeher mit Software-Herstellern zu tun haben, die auf die Cloud setzen. Von daher haben wir auch nie ein Geschäftsmodell gehabt, das auf Empfehlungen oder Kommission von Software-Herstellern basiert. Unser Businessmodell sind Dienstleistungen, um solche Lösungen zu konfigurieren und integrieren sowie auf diesen Lösungen weitere Applikationen zu entwickeln, aber auch Service und Support. Was auch immer mehr gefordert wird, ist ein Marketplace, also eine Funktionsaustauschplattform, wo unabhängige Software-Hersteller ihre Zusatzapplikationen zum jeweiligen SaaS-Produkt anbieten können. So wird man zum Software-Verkäufer. Das ist ein weiterer spannender Markt, den wir als Chance sehen und wo wir tätig sind.
Keller: Mit Ihrer Aussage Herr Elmer, dass der Channel tot ist, bin ich nicht einverstanden. Wenn man nun als Hard- oder Software-Reseller den Kopf in den Sand steckt, dann wird es schwierig. Wenn man sich aber proaktiv mit diesem Thema auseinandersetzt, ist es eine grosse Chance. Und für den Channel besteht aus meiner Sicht nach wie vor grosses Poten-tial, auch im Infrastrukturbereich. Man muss dazu die Kundensegmentierung etwas genauer betrachten. Kleinstfirmen beziehen in der Regel das, was als Standardservice vom Cloud-Anbieter zur Verfügung gestellt wird. Sie brauchen keine Dienstleistungen eines Technologiepartners, um die Cloud zu nutzen. Dann gibt es die grossen Enterprise-Kunden. Dort habe ich persönliche gewisse Vorbehalte, ob und wie diese tatsächlich die Public Cloud in Anspruch nehmen werden. Ich sehe dort die Entwicklung stark in Richtung Private Cloud, vor allem aus Security-Gründen. Hier gibt es viel Potential für den Technologiepartner. Und dann gibt es noch das KMU-Segment, in welchem der Dienstleistungsansatz mit Consulting, Engineering und Sourcing stark gefragt ist. Kunden in diesem Bereich entscheiden sich nicht einfach für zum Beispiel Hosted Exchange und migrieren ihre 500 User. Sie brauchen Partner, die ihre spezifischen Gegebenheiten berücksichtigen und den Nutzen der Cloud technologisch wie auch betriebswirtschaftlich analysieren. All diese Kunden nutzen nach erfolgter Migration eines unserer Service-Desk-Pakete, weil der KMU-Kunde es schätzt, dass er einen KMU als Ansprechpartner hat und nicht irgendwo in Irland oder Bangladesch in einem riesigen Servicecenter untergeht. Wir fungieren als persönliche Schnittstelle zwischen Kunde und Cloud Provider. Unser Ziel ist es danach natürlich, auch mit unseren weiteren Infrastruktur-Services beim Kunden Fuss zu fassen. Dass durch Cloud Computing das klassische Handelsgeschäft torpediert wird, liegt auf der Hand. Genauso ist es aber auch eine grosse Chance, neue Kunden zu gewinnen und den bestehenden Kunden effizientere Lösungen zu bieten. Das wird von uns als Technologiepartner erwartet.
Für Sie als Partner verändert die Cloud demnach also nicht viel, weil Sie vorher schon Dienstleistungen angeboten haben. Und auch bezüglich Einnahmen ist SaaS für Sie keine Gefahr?Elmer: Für Unternehmen wie uns, die Dienstleistungen betreiben, verändert sich nicht viel. Für uns spielt es keine Rolle, ob wir den Server beim KMU vor Ort oder im Rechenzentrum betreiben. Was für uns zählt, ist, dass der Kunde Unterstützung braucht.
Keller: Es ist nicht so, dass sich für uns nichts verändert hat. Die Veränderung ist da, steht jedoch noch am Anfang. Ich glaube, dass erst wenige Infrastrukturhäuser im vergangenen oder im aktuellen Geschäftsjahr einen riesigen Einfluss der Cloud auf ihre Geschäftszahlen gespürt haben. Wir sprechen von sehr hohen Wachstumszahlen, die prognostiziert werden. Wenn man sich die Marktzahlen von beispielsweise IDC oder Gartner genau anschaut, erkennt man jedoch schnell, dass die absoluten Wachstumszahlen heute im Vergleich zum klassischen Hard- und Software-Geschäft noch nicht berauschend sind. Wenn man sich dann zugleich die Marktschätzungen von IBM, Microsoft oder anderen grossen Playern anschaut, dann sind das zwar prozentual gigantische Wachstumsraten, stellt man die absoluten Zahlen jedoch ins Verhältnis zum Gesamtvolumen dieser Unternehmen, dann spricht man wieder von einem relativ bescheidenen Anteil am Gesamtbusiness. Was sagt uns das? Der Trend ist da, die Cloud ist aber nicht etwas, das die klassischen Infrastrukturhäuser in den nächsten Jahren in ihrer Existenz bedrohen wird.
Elmer: Was bei uns durch SaaS wegfällt, ist der kleine Teil, wo wir Lizenzen verkauft haben. Aber der grosse Teil mit Beratung und Support bleibt bestehen. Die Problematiken bei uns sind dieselben wie bei
Paninfo, nur dass unsere Kunden etwas kleiner sind. Zudem denke ich, dass es immer eine Mischung zwischen Cloud und lokalen Installationen geben wird. Alle unsere Kunden haben lokal noch irgendwelche Devices. Die Kunden haben den Webserver, das Online-Backup und Exchange in der Cloud. Aber das Filesystem kann man nicht in die Wolke verlagern.
Wie sehen Sie das, Herr Galfetti?Galfetti: Herr Elmer, Sie sprechen jetzt immer von Private Cloud und Hosted-Applikationen. Wenn man jetzt aber den Multitenant-Ansatz nimmt, den zum Beispiel Salesforce oder Google Apps verfolgen, dann kauft man die Infrastruktur auch als Service mit. In diesem Fall tangiert Cloud Computing Ihr Geschäft schon, weil dann CRM und E-Mail-Server in der Cloud betrieben werden und somit für Sie wegfallen. Dann betreiben letztlich nicht mehr Sie die Hardware, ob beim Kunden oder in einem Rechenzentrum, sondern vielmehr wird Software, Hardware, Backup, Verfügbarkeit usw. als ein Paket vom Hersteller angeboten.
Elmer: Das ist meiner Meinung nach die Theorie, die nur auf der Folie funktioniert. Denn der Kunde hat auch ein ERP. Und diese Lösung funktioniert mit einer gewissen Outlook- und einer bestimmten Exchange-Version. Wenn ich jetzt Hosted Exchange habe, wo die Releases irgendwie gefahren werden, funktioniert auf einmal die Kopplung mit dem ERP nicht mehr. Die Kunden brauchen Zyklen, die auf die eingesetzten vier, fünf Software-Pakete abgestimmt sind.
Galfetti: Das sind genau Argumente für die Cloud, weil diese Release-Problematik die IT-Abteilungen zur Verzweiflung bringt. Gemäss Studien werden bis zu 80 Prozent der gesamten IT-Ausgaben aufgewendet, um bestehende Systeme lauffähig zu halten, wo bleibt da Raum für Innovation?
Elmer: Aber die Cloud löst dieses Problem doch nicht. Wenn Green.ch zum Beispiel einfach eine neue Version einspielt, läuft mein ERP plötzlich nicht mehr mit meinem Outlook zusammen und ich kann meine Termine nicht synchronisieren. Also kann ich als Unternehmen gar nicht in einer Cloud sein, in der die Release-Termine vom Hersteller diktiert werden, denn die Release-Zyklen werden von den Abhängigkeiten der Software untereinander diktiert. Deshalb: Wenn die Leute in eine Cloud gehen, dann in eine Cloud, die für sie massgeschneidert ist und in der die Release-Zyklen auf sie abgestimmt sind. Von der Stange kaufen geht nicht.
Keller: Ich teile die Meinung von Herrn Elmer insofern, dass es bei klassischen KMU nicht einfach per se heisst «Hurra, da ist die Cloud und jetzt ist alles billiger». Man muss die kundenspezifische Situation anschauen und analysieren, ob die Cloud in Frage kommt oder nicht. Wir hatten auch schon Consulting-Mandate, bei denen wir dem Kunden auf Basis stichhaltiger Gründe empfehlen mussten, nicht in die Cloud zu gehen.
Durch SaaS fallen Einnahmequellen weg, wie zum Beispiel die Implementierung von Software. Deshalb stellt sich immer wieder die Frage, wie man als Partner mit Cloud Computing Geld verdienen kann?
Elmer: Man kann Geld verdienen, indem man selber zum Hersteller wird. Wir bieten heute eine selber gehostete ERP-Lösung an, was andere eben nicht machen. So verdienen wir Geld. Und ERP ist insofern ein Spezialfall, weil man es auch gehostet nicht einfach einsetzen kann. Es braucht auch Prozesse, die abgebildet werden müssen, Templates und Schulungen.
Drängt denn der Hersteller, der SaaS anbietet, nicht auch in das Service-Geschäft rein und bietet Dienste und Support selber an?
Keller: Bei standardisierten Lösungen werden die klassischen Hoster wie Green.ch oder Swisscom zunehmend unter Druck kommen, aufgrund dessen, dass der Hersteller die Lösungen selber anbietet. Aber die Dienstleister werden ihr Geschäft weiter anbieten können, weil eben nicht alles standardisiert ist.
Galfetti: Ich bin mit der Aussage von Herrn Keller einverstanden. Da wir keine Infrastruktur betreiben und auch froh sind, dass wir das nicht müssen, und weil wir von unserer Geschichte her aus dem Web-Segment kommen, hatten wir nie das Problem, dass uns da etwas wegfällt. Wir verkaufen es sogar als Nutzen, dass alles in kürzester Zeit in Betrieb ist. Man kann den Trial 30 Tage ausprobieren, bevor man sich dann für oder gegen die Software entscheidet. Dadurch, dass wir nie Hardware angeboten haben, können wir mit dem Modell gut leben. Wir sind Berater, Konfigurations- und Integrationspartner. Wir haben Applikationsentwickler, so dass wir ein fertiges Produkt, das lauffähig ist, nehmen und die Prozesse der Kunden anschauen und darauf abbilden. Alles andere ist eben dadurch, dass es «as a Service» ist, bereitgestellt und darüber sind wir froh, und ich denke, unsere Kunden auch.
Keller: Es ist ein Fakt, dass wir durch den Cloud-Ansatz pro Kunde vielleicht weniger verdienen als früher. Wenn wir einen KMU-Kunden heute in die Microsoft-Cloud migrieren, verkaufen wir keine Hardware und keine Software mehr. Beim einmaligen Projektgeschäft fällt also durch die Cloud etwas weg. Doch gleichzeitig bieten sich wie schon erwähnt neue Möglichkeiten.
Elmer: Aber das war ja schon immer so, zum Beispiel im Hardware-Geschäft. Vor zwanzig Jahren hat man mit Hardware mehr verdient, weil die Geräte teurer und die Margen grösser waren. Heute kann man doppelt so viel Hardware verkaufen und verdient unter dem Strich weniger. In der Informatik war es schon immer so, dass man mit Hardware und Software permanent weniger verdient und letztlich das Geld mit Dienstleistungen macht.
Keller: Die reinen Händler, also die klassischen Boxmover, die in den 90er Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind und dazumal viel Geld verdient haben, werden aufgrund der Cloud sicher noch mehr unter Druck kommen, als sie es heute schon sind. Der Kunde will heute einen Technologiepartner, keinen reinen Boxmover. Er braucht eine Ansprechsperson, der er seine spezifische Situation schildern kann und die ihm mögliche Wege aufzeigt. Wenn es einem also gelingt, sich als echten und kompetenten Technologiepartner zu positionieren, dann kann man heute und morgen mit einer Kombination von Beratung, Projektarbeit, Outsourcing und Handelsgeschäft erfolgreich sein.
Spüren Sie, dass die Themen Cloud Computing und SaaS in den letzten Jahren angezogen haben?
Galfetti: Absolut. Die klassischen Vorbehalte gegenüber Software as a Service, wie etwa, dass die Daten nicht in der Schweiz oder in Europa gelagert werden oder der Datenschutz, waren lange ein Thema und auch ein Hinderungsgrund für Unternehmen. Es gibt noch Branchen, die sich selber Regulatorien auferlegen, wie zum Beispiel die Banken. Wobei mittlerweile zumindest Banken-nahe Unternehmen vermehrt Salesforce für gewisse Bereiche einsetzen. Das Thema kommt immer mehr auch in sensitiveren Branchen und Betrieben auf den Tisch. Momentan verhandeln wir gerade mit einem potentiellen Kunden, der sagt, dass er es sich gar nicht leisten kann, Salesforce nicht anzuschauen, wenn es um CRM geht. Bei anderen Anbietern, deren Produkte noch nicht so lange auf dem Markt sind, wie zum Beispiel Google mit Google Apps for Business, sind die Vorbehalte noch vorhanden. Wir arbeiten gerne mit denjenigen zusammen, die überzeugt sind. Jemanden zu überzeugen, der sich nicht überzeugen lassen will, ist hingegen schwierig.
Wie viele Ihrer Kunden haben Sie mittlerweile in der Cloud?
Keller: Bei uns liegt der Prozentanteil im tiefen einstelligen Bereich. Das Thema ist erst ganz am Anfang.
Elmer: Bei unseren Kunden ist es so, dass im ERP-Umfeld vor sechs Jahren noch lokal installiert wurde. In der Zwischenzeit sind alle
neuen Kunden in der Cloud. Wir haben also etwa 95 Prozent der Kunden in der Cloud und den Rest noch lokal.
Glauben Sie, dass die Cloud einmal nicht mehr komplementär sein wird, sondern das bestehende heutige Geschäft ablösen wird?
Elmer: Nein, weil die Kunden das Gigabit-Netzwerk nur lokal haben und das Internet zu langsam ist für die Cloud-Anforderungen. Damit das performance-mässig möglich wäre, müsste man für jeden Arbeitsplatz eine Gigabit-Leitung in die Cloud haben. Davon sind wir weit entfernt, nur schon aus Kostengründen. Dass einmal alles in der Cloud sein wird, das kann ich mir nicht vorstellen. Es gibt Sachen, die sind prädestiniert für die Cloud und andere, die werden auf absehbare Zeit noch lokal sein, weil sie so viel Power und Netzwerkbandbreite brauchen. Die Kunden sind aber heute offener.
Keller: Gerade im KMU-Segment glaube ich an den Hybrid-Ansatz. Gewisse Services werden dabei aus der Cloud bezogen, zum Beispiel die Exchange-Umgebung oder spezifische Services wie eine CRM-Lösung, andere, teils massgenschneiderte IT-Services werden weiterhin lokal betrieben.
Galfetti: Ich denke auch, dass ein grösseres Unternehmen, das nur auf Cloud basiert, noch in weiter Ferne ist. Aber ich glaube, dass es möglich ist. Wir mit 25 Mitarbeitern sind fast soweit. ERP wird noch viele Jahre On Premise funktionieren, das ist so. Womit wir weniger einverstanden sind, ist der Ansatz, für dieselbe Applikation beide Varianten, also eine Cloud- und eine On-Premise-Version anzubieten. Wir sind der Meinung, dass eine richtige Cloud-Lösung nur in der Cloud ist, und zwar nicht in der Private Cloud. Eine Private Cloud ist nichts anderes als viele verschiedenen Installationen und Instanzen, aber nicht in diesem Sinne eine einzige Infrastruktur, auf der mehrere, verschiedene Kunden sind. Private Clouds sind ein Haufen dedizierter, kleiner Infrastrukturen und dadurch gehen viele Cloud-Computing-Vorteile wie zum Beispiel Skalierung oder das rasche Einspielen von neuen Releases wieder verloren. Für uns ist es nicht Cloud Computing, wenn der Hersteller zwei Lösungen entwickeln muss, also zum einen die On-Premise- und zum anderen die Cloud-Variante. Ein etablierter Hersteller macht genau das mit seinem neuen E-Mail- und Office-Suite-Angebot. Er wird nie eine richtige Cloud-Lösung anbieten, sondern immer eine Mischung.
Keller: Man kann aber eine Cashcow auch nicht mit einem Thema ablösen, mit dem man noch kein Geld verdient.
Galfetti: Genau, das sind die Konflikte, mit denen die etablierten On-Premise-Software-Anbieter zu kämpfen haben. Sie schaffen den Schritt nicht. Es ist ja auch schwierig, wenn man vorher jahrelang und erfolgreich auf eine Technologierichtung gesetzt hat.
Elmer: Auch nicht vernachlässigt werden darf bei der Frage, ob eine Ablösung möglich ist, das Thema Support. Die Mails kann man von überall auf der Welt supporten. Wobei der Helfer in Indien auch Deutsch können muss, damit der Mitarbeiter des Schweizer KMU aus der Baubranche anrufen kann. Der kann nämlich kein Englisch und auch kein Französisch. Bei allem was über das Mail hinausgeht, also Branchenapplikationen betrifft, kann er nicht nach Bangalore anrufen. Die Leute dort haben gar nicht das nötige Know-how. Wir sehen das ja auch im ERP-Umfeld, es gibt so viele Anbieter und zum Teil auch noch nach Branche unterteilt. Die Anbieter können ihre Kunden nur supporten, weil sie das Branchenwissen haben. Wie will ich denn das in die Cloud verlagern?
Galfetti: Deshalb haben wir auf alle Arten und Weisen gelagerte Service- und Supportverträge. Wenn jemand bei Salesforce nicht weiss, wie er eine Offerte ausdruckt oder einen Bericht anpasst, dann bringt das natürlich nichts, wenn er dem Standardsupport schreibt oder anruft. Deshalb bieten wir Serviceverträge an, wo wir schnell und unkompliziert reagieren können.
Das ist ja genau eines der Geschäftsmodelle, mit welchem Partner heute Geld verdienen können.
Galfetti: Absolut. Die ERP-Anbieter leben – provokativ gesagt – ein bisschen davon, dass sie den Kunden etwas Angst bezüglich der verschiedenen Branchenlösungen im ERP-Bereich machen. Wir hingegen haben den betriebswirtschaftlichen Ansatz und denken uns ins Geschäftsmodell des Kunden hinein, um ihn dann dementsprechend zu beraten. Gibt es denn so gewichtige Unterschiede im ERP-Umfeld, dass man diese Branchenunterscheidung machen muss?
Elmer: Deshalb gibt es auch so viele Anbieter. Der Schweizer ist vielleicht auch einfach zu reich und bezahlt lieber mehr. An der Topsoft waren wir 150 ERP-Anbieter. Aber das zeigt im Prinzip, dass ich als kleine Firma leben kann, wenn ich Lizenzen an 50 Kunden verkaufe. Wenn der Preisdruck grösser wird, wird sich das ändern. Im Moment ist es aber noch sehr gut möglich.
Ein klassischer Software-Händler droht aus der Nahrungskette Hersteller, Distributor, Reseller rauszufallen, weil er den Einstieg ins Dienstleistungsgeschäft verpasst hat und nicht mehr genügend Geld mit dem reinen Verkauf und der Implementierung von Software verdienen kann. Was raten Sie ihm?
Keller: Ein reiner Box- oder Software-Mover oder eben der Händler, der sich nicht in Richtung Technologiepartner entwickeln kann, der wird es in Zukunft noch schwieriger haben. Ein weiteres wichtiges von Ihnen genanntes Stichwort ist die Distribution. Für diese ist der Einfluss des Cloud Computing noch viel grösser als für den Systemintegrator, der am Schluss nach wie vor das Interface zum Kunden ist. Distributoren haben einen grossen Respekt vor dem Cloud-Thema, weil die Distribution eigentlich ein reines Handelsgeschäft ist.
Elmer: Und sie sind nicht beim Kunden. Und wer nicht beim Kunden ist, der wird einfach rausgeschnitten aus der Kette.
Keller: Bei den Microsoft-Lizenzen ist es heute so, dass man als Distributor – also Zwischenhändler – mitverdient. Wenn wir eine Exchange-Lösung On Premise verkaufen, dann beziehen wir die Lizenz bei einem Distributor. Wenn wir den Kunden aber in die Cloud migrieren, dann ist der Distributor aussen vor.
Und was kann ein Distributor dagegen machen?
Elmer: Dass er nicht aus dieser Kette rausfällt, dagegen kann er nichts machen. Die Reseller, die Apple verkauft haben oder Microsoft, die können ja auch nichts machen.
Keller: Die Frage ist ja auch nicht, was die Distributoren dagegen machen können, sondern wie sie mit den Veränderungen umgehen können…
Elmer: …und was sie zusätzlich anbieten können.
Galfetti: Ich glaube schon, dass sie eine Nische finden werden, wo sie sich weiterbewegen können. Ich glaube aber nicht, dass sie Dienstleistungsanbieter werden. Da kann man nicht einfach umstellen.
Als Microsoft-Partner ist für Sie, Herr Keller, Office 365 sicher auch ein Thema. Dort gibt es auch neue Player, die in den Markt drängen, wie zum Beispiel Cablecom, das Office 365 in seinem Gesamtpaket anbietet. Wie stark merken Sie das?
Keller: Im Moment noch gar nicht. Wir gewinnen als Microsoft Online Partner of the Year mit Cloud Computing viele Neukunden und haben mit Cross-Selling insofern Erfolge erzielt, als dass wir auch mit unserem bewährten On-Premise-Geschäft bei diesen Kunden Fuss fassen können. Ich glaube, durch die neuen Player wird es schon eine zusätzliche Dynamik geben – im Sinne von mehr Mitbewerbern und mehr Partnern.
Elmer: Dabei stellt sich die Frage, ob Cablecom auch Schulungen, Templates und Wartung macht oder einfach nur Office 365 anbietet. Denn der Kunde kann Office 365 nicht einfach so nutzen, sondern braucht Unterstützung. Ich glaube nicht, dass Cablecom eine solche Service-Organisation aufbauen wird.
Galfetti: Kleine Unternehmen haben ein beschränktes Budget. Und gerade im SaaS-Bereich, wo die Lösung vorkonfiguriert ist, kann man danach direkt damit arbeiten. Die kleinen Firmen haben oft kein Budget, um Konfigurationsdienstleistungen von extern zu beziehen. Das ist auch ok. Es gibt ja viele grössere Firmen, die ihre Prozesse anpassen lassen.
Keller: Den wirklich kleinen Kunden, der einfach den Standard bezieht, den suchen wir auch nicht. Wir wollen diejenigen Kunden, die einen Technologiepartner und Berater suchen. Ich denke, Cablecom zielt eher auf kleine Firmen und Privatanwender ab.
Microsoft hat anfang Jahr sein Partnerprogramm an die Cloud angepasst? Paninfo hat sich dabei als Cloud Accelerate Partner zertifizieren lassen. Haben die Partner, mit denen Sie zusammenarbeiten, ihr Programm auch angepasst? Elmer: Wir sind auch Microsoft-Partner, aber auf einem etwas anderen Level. Zudem stellen wir fest, dass bei grossen Firmen solche Zertifizierungen und Diplome viel mehr gefragt sind als bei KMU. Dort interessiert es niemanden, welche Zertifikate wir haben, sondern vielmehr, was wir gemacht haben und ob die Chemie stimmt.
Galfetti: Wir arbeiten ja fast ausschliesslich mit Cloud-Pionieren zusammen, die haben ihre Partnerprogramme von Anfang an darauf abgerichtet. Die ganzen Partnerprogramme sind aber sicher noch nicht ganz so umfassend wie bei Playern wie Microsoft.
Und wie sieht das Verkaufsmodell bei den SaaS-Playern in der Schweiz aus? Galfetti: Die Präsenz von SaaS-Anbieter ist hierzulande nicht ganz so gross wie diejenige der etablierten On-Premise-Anbieter. Sowohl Salesforce als auch Google haben wenig Verkaufs-Mitarbeiter für den Enterprise-Bereich in der Schweiz. Vieles wird zentral gemacht, zum Beispiel von München oder Dublin aus. Wir fungieren als ergänzender Partner, weil wir die lokalen Gegebenheiten kennen. So können wir einen Lead, der akquiriert wurde, übernehmen und vielfach den Verkauf zusammen mit dem Hersteller weiterführen. Zudem können wir abschliessend noch unsere Services anbieten.
Martin Elmer
Martin Elmer ist einer von vier Partnern und stellvertretender Geschäftsführer von
Leanux.ch. Leanux.ch ist spezialisiert auf gemischte Windows-, Linux- und Open-Source-Lösungen. Das Unternehmen gibt es bereits seit rund 20 Jahren, unter dem Namen Leanux.ch firmiert es seit sechs Jahren. Leanux.ch beschäftigt zehn Mitarbeiter.
Silvio Galfetti
Silvio Galfetti ist Managing Partner bei
Parx. Parx hat 1998 als Webdienstleister begonnen und sich bis anhin fast ausschliesslich in die Richtung entwickelt, dass man Beratung, Konzeption und Konfigurations-/Implementierungs-Dienstleistung auf Basis von Cloud-basierten Produkten wie Salesforce.com oder Google Apps for Business und Amazon anbietet. Galfetti ist für den Verkauf, Marketing und Produktmanagement zuständig, betreut als Account Manager Kunden und leitet Projekte. Parx hat Standorte in Zürich, München und Wien und beschäftigt total
25 Mitarbeiter.
Matthias Keller
Matthias Keller ist Geschäftsführer von
Paninfo sowie der ACP Deutschland Holding. Paninfo ist eines der führenden Dienstleistungsunternehmen für Informationstechnologie der Schweiz. Die Firma profiliert sich als Partner für IT-Consulting, IT-Engineering und IT-Sourcing. Sie zählt Grossunternehmen und KMU zu ihren Kunden. 1978 gegründet, beschäftigt Paninfo heute 80 Mitarbeitende, davon zehn Lernende, mit Standorten in Brüttisellen (Region Zürich), Frauenfeld (Region Ost) und Gerlafingen (Region West). Seit Januar 2008 gehört Paninfo zur in Österreich, Deutschland und der Schweiz operierenden ACP Gruppe. In seiner Funktion verantwortet Matthias Keller 300 Mitarbeiter in der Schweiz und Deutschland.
(abr)