Bisher hat sich keine technische Innovation derart rasant und so umfassend auf die Menschheit ausgewirkt wie die Informations- und Kommunikationstechnologie: Sie greift in immer mehr Lebensbereiche ein und bietet fast unendliche neue Möglichkeiten, die das Leben bequemer und einfacher machen. Die weltweite Vernetzung führt bei den Menschen aber auch zu diffusen Ängsten und teils durchaus berechtigten Datenschutzbedenken. Es ist ganz klar: Die vernetzte Welt stellt uns vor gesellschaftliche Herausforderungen, denen gerade wir als Anbieter von Informations- und Kommunkationstechnologien (ICT) begegnen müssen. Ich finde es enorm wichtig, dass ICT-Lösungen nicht einfach irgendwie im Hintergrund funktionieren, sondern für die Menschen sichtbar und erlebbar werden, vielleicht sogar sinnstiftend wirken, auf jeden Fall aber einen klaren Nutzen bringen. Und zwar ohne dass der Einzelne dazu zum ICT-Experten werden muss. Also ICT nicht als abgehobene Beschäftigung von Programmierern im stillen Kämmerlein, nicht als Ausrede für schlechten Kundendienst nach dem Motto «Der Computer ist schuld», sondern – auch wenn das jetzt pathetisch klingen mag – als wichtiges Element für die Vision einer besseren Welt.
Eine ganze Stadt wird vernetzt
Damit das vernetzte Leben und Arbeiten greifbar wird, entsteht beispielsweise in Friedrichshafen seit 2007 eine gemeinsame Zukunftswerkstatt der Stadt, der Deutschen Telekom und vielen weiteren Partnern, in der gezeigt wird, wie moderne Informations- und Kommunikationstechnologie die Lebens- und Standortqualität einer Stadt steigert. In der T-City werden unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität Bonn über vierzig Projekte aus sechs Projektfeldern von «Lernen & Forschen» über «Bürger, Stadt & Staat», «Mobilität & Verkehr», «Tourismus & Kultur», «Wirtschaft & Arbeit» bis zu «Gesundheit & Betreuung» umgesetzt, die praktisch alle Lebensbereiche einer Stadt berühren. Die T-City ist mehr als ein Experimentierlabor, sie ermöglicht den Bürgern nicht nur einen Blick in die Zukunft, sondern lässt sie aktiv teilnehmen. Ohne zu werten, möchte ich einige Beispiele nennen:
- Die «spontane Mitfahrgelegenheit» vermittelt freie Sitzplätze in Privatautos, auch für kurze Strecken. Die Mitfahrgelegenheiten werden mittels Echtzeit-Analyse von Verkehrsbewegungen über das Smartphone angeboten. Das Projekt wurde vom jungen Unternehmen Flinc entwickelt und in der T-City optimiert.
- Im Projekt «selbstbestimmtes Leben» betreibt
T-Systems zusammen mit dem Wohnungswirtschaftsunternehmen Fränkel ein Serviceportal, das Dienstleistungen für Senioren wie Apotheken-Lieferservice, Mahlzeiten-Bringedienst und Hausmeister-Service über ein wohnungseigenes Touchscreen-Terminal zum Abruf anbietet. Das Terminal dient auch als Videotelefon – so können die Teilnehmer soziale Kontakte pflegen, auch wenn sie die Wohnung vielleicht nicht (mehr) verlassen können.
- Die «Behördenrufnummer 115» verschafft nicht nur den Friedrichshafenern, sondern dem ganzen Bodenseekreis einen Direktzugang zum zentralen Bürgerservice-Center des zuständigen Landratsamtes. Speziell geschulte Mitarbeiter beantworten die Fragen entweder gleich selbst oder leiten sie an die zuständigen Sachbearbeiter in den Gemeinden weiter.
- Die Technischen Werke Friedrichshafen arbeiten, unterstützt durch diverse Hardware- und Software-Partner, mit «Smart Metering»: Schritt für Schritt werden in den Haushalten intelligente Stromzähler installiert. Der Kunde kann seinen Energieverbrauch über ein Internetportal viertelstundengenau nachvollziehen.
Die Erfahrungen, die in diesen zahlreichen Projekten gewonnen werden, fliessen wiederum in die Weiterentwicklung der Technologien und Lösungen ein, die somit mehr und mehr an Marktreife gewinnen. Zugleich entstehen durch die Mitwirkung der verschiedensten Partner neue Vertriebs- oder sogar Geschäftsmodelle, so dass Vernetzung mittlerweile mehr bedeutet als nur die Bereitstellung der technischen Infrastruktur. Mindestens genauso wichtig ist die organisatorische Vernetzung der involvierten Partner und auch der Bürger, die sich aktiv beteiligen. Dies wurde in der T-City erstmals in dieser Breite umgesetzt.
Und in der Schweiz?
T-City auf der deutschen Seite des Bodensees gut und schön – aber was bedeutet das für die Schweiz? Die Rahmenbedingungen sind eigentlich optimal: Unser Land hat eine sehr hohe PC-Dichte, gilt als Eldorado für Smartphone-Anbieter und ist punkto Breitband-Durchdringung auf dem Festnetz mit über 2,8 Millionen Anschlüssen auf rund 3,4 Millionen Haushalte an der Weltspitze. Als ICT-Dienstleister sind wir in erster Linie «Enabler» für die Bewältigung der Herausforderungen, die mit der zunehmenden Globalisierung bei gleichzeitiger Individualisierung, mit der Mobilisierung, der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, dem Umweltschutz und dem demografischen Wandel vor uns stehen. Unsere Branche kann mit einem gesunden Selbstbewusstsein von sich behaupten, dass sie die erfolgreiche Zukunft unseres Landes massgeblich mitbestimmt. Darauf können wir stolz sein, doch ausruhen auf diesen Lorbeeren dürfen wir uns nicht.
Pierre Klatt
Pierre Klatt ist seit 2009 als Managing Direktor bei
T-Systems Schweiz tätig. Zuvor arbeitete er sieben Jahre lang beim amerikanischen IT-Dienstleister EDS. Der gelernte Elektrotechniker war bei EDS Schweiz als CEO, Country Manager und zuletzt als Vice President EMEA Transportation tätig. Davor hatte er verschiedene Funktionen bei Atraxis inne. Der gebürtige Zürcher begann seine IT-Karriere 1983 bei der Swissair Informatik. 1992 verantwortete er als Divisions-Manager die Airport Remote Systems & Links. Später wurde er ins Kader der Atraxis, zuständig für Management Solutions, befördert. Bei der Swissair hat er mehrere Karrierestufen durchlaufen und international Erfahrung gesammelt.