Channel Insight: Hat AC/DC im Rechenzentrum bald ausgespielt?
Quelle: Green

Channel Insight: Hat AC/DC im Rechenzentrum bald ausgespielt?

Frits van der Graaff

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2011/11

     

AC/DC – manch beinharter Rockfan bekommt bei diesen vier Lettern feuchte Augen vor Freude. Den Rechenzentrumsverantwortlichen darunter dürfte beim Gedanken an die Bedeutung dieser Abkürzung – Wechselstrom/Gleichstrom («Alternating Current/Direct Current») – gleichwohl etwas mulmig sein. Denn der heute unausweichliche ständige Wechsel zwischen den unvereinbaren Stromarten ist Ursache einiger der dringendsten Probleme im Rechenzentrumsbetrieb, namentlich Stromverbrauch, Kühlung und Platzbedarf.

Wechselstrom führt zu Energieverlust

Während die meisten elektronischen Geräte – dazu zählen auch Server und andere IT-Hardware-Komponenten – heute mit Gleichstrom funktionieren, wird für die Übertragung in den Energienetzen über weite Strecken Wechselstrom verwendet. Das hat einen einfachen, ökonomischen Grund: Wechselstrom lässt sich einfacher und damit günstiger auf sehr hohe Spannungen transformieren. Diese Ungleichheit der Systeme muss in internen oder externen Netzteilen überbrückt werden. Der durch die Steckdose angelieferte Wechselstrom wird hier in Gleichstrom umgewandelt, bevor er in den Server geleitet werden kann. Die Folge ist Energieverlust in Form von Wärme. Der Server-Hersteller Fujitsu etwa rechnet damit, dass gut ein Fünftel des Stroms, den ein Server benötigt, ungenutzt im Netzteil verpufft.


Auch gängige Komponenten für die unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) wandeln Wechselstrom in Gleichstrom. Damit laden sie eine interne Batterie auf, um den Strom danach wieder zurück zu verwandeln. Ein RZ-Betreiber kommt deshalb nicht darum herum, den Strom innerhalb seines Rechenzentrums gleich mehrfach zu transformieren – mit bedeutenden Verlusten und einer damit einhergehenden hohen Wärmeentwicklung. Diese Wärme trägt zur Aufheizung der Serverräume und damit zum enormen Energiebedarf für die Kühlung der Anlagen bei. Die Kühlung ist massgeblich dafür verantwortlich, dass der Stromverbrauch für alle Datacenter-Betreiber einen wesentlichen Kostenfaktor darstellt. Gemäss Gartner fallen zwischen 35 und 50 Prozent der Energiekosten eines Rechenzentrums alleine für die Kühlung an. Energie ist deshalb heute neben der Administration und Wartung der zweitgrösste Kostenpunkt beim Rechenzentrumsbetrieb.

Durchgängiger Einsatz von Gleichstrom

Abhilfe schaffen könnte der durchgängige Einsatz von Gleichstrom. Die Einführung einer Gleichstromverteilungsanlage im Rechenzentrum bietet dabei gleich mehrere Vorteile. Die Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom an zentraler Stelle im Versorgungssystem und die durchgängige Übertragung von Gleichstrom machen eine mehrfache Transformation unnötig und erhöhen damit die Energieeffizienz. Die Verluste aus der Umwandlung lassen sich über die gesamte Energieflusskette hinweg um bis zu 20 Prozent reduzieren. Und weil weniger Wärme entsteht, kann auch die Kühlung viel effizienter gestaltet werden. Da durch den Wegfall diverser Zwischenschritte einige zusätzliche Geräte überflüssig werden, sinken auch der Administrationsaufwand und damit die Betriebskosten. Zugleich steigt die Zuverlässigkeit der Infrastruktur, weil weniger Geräte in der Kette eingesetzt werden müssen, die ausfallen können. Auch fallen die benötigten Investitionen in Ausstattung und Immobilien geringer aus, weil Gleichstromsysteme einfacher aufgebaut sind (so fallen beispielsweise Netzteile weg) und weniger Platz benötigen. Ein auf Gleichstrom basierendes Rechenzentrum benötigt zwischen 25 und 40 Prozent weniger Fläche als ein herkömmliches Rechenzentrum. Insgesamt können durch die Einsparungen bei der energietechnischen Ausrüstung, der Installation, der Wartung und den Immobilien die Gesamtkosten einer Anlage um bis zu 30 Prozent gesenkt werden.

Alternative Energiequellen

Speziell interessant ist die Gleichstromtechnik aber auch in Verbindung mit erneuerbaren und alternativen Energiequellen. Solarzellen und Brennstoffzellen, aber auch ganz gewöhnliche Batterien und Akkus liefern ausschliesslich Gleichstrom. Weil die Infrastruktur – die Kabel und Verteiler, die den Strom zu den Geräten in den Server-Räumen bringen – heute im Normalfall aber noch auf Wechselstrom ausgerichtet ist, wird hier einmal mehr eine Wandlung nötig. Eine durchgängige Gleichstromverteilung könnte auch diese überflüssig machen.


Das mag nun alles nach grauer Theorie klingen. Um mehr Erfahrung mit der Gleichstromtechnologie zu gewinnen, statten ABB und Green.ch derzeit das neue Datacenter Zürich-West in Lupfig in einem gemeinsamen Pilotprojekt mit einer zusätzlichen Energieverteilungslösung auf Gleichstrombasis aus. Die vollständig funktionsfähige und redundante Anlage wird den Hochspannungswechselstrom der Elektrizitätswerke an der Schwelle zum Rechenzentrum in Gleichstrom umwandeln und dann über eigene Leitungen bis in die Server führen. Vorgesehen ist die Inbetriebnahme der Pilotinstallation für das erste Quartal 2012.

Frits van der Graaff

Frits van der Graaff ist seit 2011 Senior Vice President bei Green Datacenter. In dieser Funktion ist der 49-jährige Holländer für den Vertrieb der Rechenzentrumskapazitäten verantwortlich. Mit über 20 Jahren Erfahrung im
Rechenzentrumsumfeld, wovon fast zwölf Jahre in der Schweiz, zählt er zu den Koryphäen in dieser Industrie.


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