Quo vadis, Vobis?

Vobis gehörte noch vor wenigen Jahren zu den erfolgreichsten PC-Händlern in der Schweiz – nun wurde die Bilanz deponiert. Kann Remo Schaffner Vobis Schweiz retten?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/10

     

Vobis Schweiz musste die Bilanz beim Konkursrichter hinterlegen. Die Schweizer Geschäftsleitung möchte allerdings das endgültige Aus mit einem Management Buy-Out verhindern, und hat einen Antrag auf Konkursaufschub gestellt. (Bis zur Drucklegung dieses Artikels ist darüber noch nicht entschieden worden.)
Wie Remo Schaffner, seit letztem Sommer Geschäftsleiter von Vobis Schweiz, erklärte, will man in der Schweiz jetzt im Alleingang weitermachen. Käme es zum MBO, würde die Muttergesellschaft Vobitech auf ihre Forderungen (8 Mio. Franken) verzichten, heisst es in einer Absichtserklärung. Das würde den grössten Teil der Schulden eliminieren.

Einstiger Glanz

Vobis war einst hierzulande Marktführer im PC-Geschäft. Anfang 1999 wurden Verkaufspläne der damaligen Muttergesellschaft Metro bekannt, im Oktober darauf wurde Vobis Schweiz schliesslich vom Management und einer internationalen Investorengruppe übernommen. Vobis Schweiz gehörte nun zusammen mit den Länderorganisationen von Polen, Italien und Österreich zu Vobitech, einer Holding mit Sitz in Holland.
Im Zuge der Verkaufswirren war allerdings die Migros aus ihrem Franchisingvertrag mit Vobis ausgestiegen. Ein harter Schlag, denn «Retail ist ein Volumengeschäft», wie Remo Schaffner sagt – und der Wegfall der Migros kostete die Vobis-Kette das Umsatzvolumen von 26 seiner 40 Filialen.

Ein Erfolgsrezept verjährt

Allerdings hat man es auch seither versäumt, sich ein erfolgreiches neues Geschäftskonzept zuzulegen. Hat das Management zu lange am alten Erfolgsrezept festgehalten? Die Aussagen von Remo Schaffner gehen jedenfalls in diese Richtung.
Vobis habe sich nicht an die neuen Konsumgewohnheiten angepasst, meint er. Viele Filialen an schlechten Standorten seien weitergeführt worden. Die Konsumenten würden heutzutage nicht mehr extra nach Vobis-Filialen suchen, auch wenn sie an der Peripherie der Städte liegen, sondern sich dort eindecken, wo es am bequemsten ist. Das gilt auch für die Superstores.
«Man muss es offen sagen, die Superstores waren ein Flop», sagt Remo Schaffner über die neuen, grossflächigen Filialen, die nach der Trennung von der Migros von der damaligen Vobis-Leitung als rettendes Patentrezept angepriesen wurden. Die frühere Geschäftsleitung habe damit gerechnet, dass 70 bis 80% der Ex-Migros-Kunden in die Vobis-Filalen gehen würden, eine aus der heutigen Sicht völlig unrealistische Einschätzung, meint Schaffner, vor allem wenn man den Imageverlust bedenkt, den man damals nicht wahrhaben wollte.
Die Stores waren überdimensioniert. Ausserdem wurde Fläche, für die man hohe Ladenmietpreise bezahlte, zum Teil für Lager und Werkstätten verwendet.

Ein Rettungsplan

Auch die Produktpalette sei nie weiterentwickelt worden, das Vobis-Angebot habe noch genau gleich ausgesehen wie vor zehn Jahren. Remo Schaffners Ansatz zur Rettung von Vobis setzt denn auch bei diesen strukturellen Fehlern an: Das Filialnetz soll saniert und das Angebot den heutigen Erfordernissen angepasst werden.
Dazu gehört zum Beispiel der Einbezug von Produkten aus den Bereichen Kommunikation und Unterhaltungselektronik wie Festnetztelefone, Handys usw.
Ausserdem will man neben der Eigenmarke Highscreen auch Markengeräte verkaufen. Der Hintergrund: Vobis möchte in ein neues Kundensegment vordringen, die KMUs, gemäss Schaffner am liebsten zusammen mit einem Partner, der dort schon etwas stärker ist. Entsprechende Gespräche seien schon weit gediehen – Schaffner will keine Namen nennen, aber es dürfte sich dabei wohl um Computertrend handeln.
Falls der MBO klappt, sollte die Gestalt der neuen Vobis Schweiz in zwei bis drei Monaten feststehen.

Einmischung von Aussen

Der Vobis-Crash hat nun aber auch Dritte auf den Plan gerufen, die davon profitieren möchten. Da ist zum ersten PC-Spezialist, eine der grössten Computerhandelsketten im deutschsprachigen Raum.
PC-Spezialist macht qualifizierten Mitarbeitern von Vobis Schweiz das Angebot, eine Franchiselizenz zu erwerben und sich selbstständig zu machen. Gemäss PC-Spezialist-Sprecher Bastian Fröhlig suchte man schon lange nach weiteren Expansionsmöglichkeiten. Mit PC-Spezialist würde eine neue Kraft die Szene im Schweizer Computer-Retail betreten.
Computer Express seinerseits prüft eine Übernahme. Dabei ist für Computerexpress nicht der Markenname, sondern vor allem die sechs noch offenen Filialen und das Personal reizvoll, sagte COO David Recher. Er kritisiert, dass Vobitech den MBO unterstützen will. Das alte Management habe schliesslich die heutige Situation zu verantworten. Remo Schaffners Replik: «Ich finde es sinnlos, in der gegenwärtigen Situation Schuldzuweisungen zu machen.
Unser Ziel ist es, die Firma zu retten, und die 70 Arbeitsplätze sowie die Gläubigerguthaben zu retten.»
Die Situation könnte sich aber noch weiter komplizieren. «It Europa» berichtet, dass der italienische Assemblierer / Retailer Tecnodiffusione nicht nur Vobis Italien für 27 Mio. Dollar von Vobitech erworben hat, sondern auch eine Option für den Kauf der restlichen europäischen Operationen, die man in etwa zwei Jahren einlösen wollte.
Kommt der Crash in der Schweiz zu früh für Tecnodiffusione? Oder könnte Tecnodiffusione in Schaffners MBO investieren? Man wird sehen. (hjm)


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