Kampf um das digitale Portemonnaie
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Kampf um das digitale Portemonnaie

Das Smartphone entwickelt sich immer mehr zum digitalen Portemonnaie. Auch in der Schweiz sind mobile Bezahllösungen auf dem Vormarsch. «Swiss IT Reseller» hat auf dem Markt herumgeschaut, welche Bezahllösungen Herr und Frau Schweizer bereits nutzen und wie attraktiv diese für die Händler sind. So kristallisiert sich immer mehr heraus, dass neben den internationalen Lösungen wie Apple Pay oder Samsung Pay, die nach und nach in den Schweizer Markt eintreten, auch die Postfinance-Tochter Twint den Markt zukünftig aufmischen wird.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2016/10

     

In den kommenden Jahren wird das Thema Mobile Payment in der Schweiz stark an Bedeutung gewinnen. Dies zeigen diverse Studien, wie etwa ein Dokument der Hochschule Luzern (HSLU) aus dem Jahre 2015. Trotzdem dürfte die Verschiebung vom Bargeld weg und hin zu Mobile-Payment-Lösungen ein langsamerer Prozess sein als man bisher angenommen hat. Es sei denn, der Staat würde die Spielregeln zugunsten des Mobile Payments ändern. Denn die Bestrebungen der Regierung, die Nutzung von Bargeld im Rahmen der finanziellen Repression einzuschränken, könnte das berühmte Zünglein an der Waage sein. Falls der Staat den Gebrauch von Bargeld tatsächlich einschränkt, ist anzunehmen, dass notorische Sparer aufgrund der Negativzinsen kein Bargeld mehr horten würden und somit gezwungenermassen auf alternative Bezahllösungen setzen müssen. Davon geht zumindest die Studie der HSLU aus.

Aktuell werden immer noch über 60 Prozent des alltäglichen Konsums in der Schweiz mit Bargeld bezahlt. 1990 lag dieser Wert noch bei 90 Prozent, wie die Erhebungen der Schweizer Nationalbank (SNB) zeigen. Rund 10 Prozent aller Bezahlungen werden mit der Kreditkarte und die restlichen gut 30 Prozent mit Debit-Karten getätigt. Aber auch die durchschnittlichen Transaktionsvolumina von Kredit- und Debit-­Karten in der Schweiz haben in den letzten zehn Jahren kontinuierlich abgenommen. So lag das durchschnittliche Transaktionsvolumen 2005 bei 186 Franken für inländische Kreditkarten und bei 83 Franken für Debit-Karten. 2014 sank dieser Wert auf 118 Franken für Kreditkarten und auf 69 Franken für Debit-Karten. Gleichzeitig hat die Anzahl der Transaktionen aber signifikant zugenommen, wie die Studie der SNB zeigt. Dadurch sind auch die Transaktionskosten für Händler gestiegen, während die Bequemlichkeit für den Konsumenten, etwa über die Möglichkeit des kontaktlosen Bezahlens, an Bedeutung gewonnen hat.


Für die Nutzung von Mobile-Payment-Lösungen in der Schweiz sind derzeit keine aussagekräftigen Statistiken verfügbar. Mit der Integration von Twint in allen Filialen der Schweizer Detailhändlerriesen Coop und Migros sowie der Bewerbung von Apple Pay in den Valora-Standorten oder der Socar-Tankstellenkette zeigt sich aber, dass ein relativ grosses Interesse von Seiten der Händler vorhanden ist.
Im Falle von Online-Bestellungen setzen Herr und Frau Schweizer bevorzugt auf Rechnungen, gefolgt von Kreditkarten und Instant Payment wie Paypal, das in seiner Rolle momentan aber alleine auf weiter Flur ist. Alternativen, wie beispielsweise die Lösung «Sofort», die zum schwedischen Payment-Provider Klarna Group gehört, gäbe es zwar, jedoch haben solche Angebote bis anhin den Durchbruch nicht geschafft.

Verschiedene Lösungsansätze

Damit nationale und internationale Mobile-Payment-Lösungen ihren Marktanteil in der Schweiz substanziell steigern können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Prinzipiell hat die Schweiz aus zwei Gründen eine gute Ausgangslage für die Einführung neuer Mobile-Payment-Anwendungen. So verfügt die Eidgenossenschaft über eine hohe Smartphone-Durchdringung von über 70 Prozent und die Nutzer zeigen sich gemäss Umfragen gegenüber neuen Zahlungstechnologien grundsätzlich nicht ablehnend. So ergab eine IFZ-Retailbankingstudie bereits 2014, also vor dem Aufkommen von Twint und Apple Pay, dass 62 Prozent der befragten Personen in der Schweiz Mobile Payment nutzen würden.

Apple Pay versus Twint

In der Zwischenzeit zeichnen sich mit dem Markteintritt von Apple Pay in die Schweiz sowie der nationalen Lösung Twint, die im Mai die Fusion mit Paymit bekannt gegeben hat, zwei grosse Player hierzulande ab, die sich direkt konkurrieren werden. Andere Lösungen, wie etwa Tapit von Swisscom, sind bereits wieder verschwunden.

Apple Pay heisst die Payment-Lösung des iPhone-Herstellers, welche seit Juni 2016 offiziell in der Schweiz verfügbar ist. Apple Pay nutzt den NFC-Standard und die Technologie kann überall dort eingesetzt werden, wo man via Kontaktlosfunktion bezahlen kann. Apple selbst wirbt spezifisch mit Aldi, Lidl, Spar und den Geschäften der Valora-Gruppe wie P&B oder KKiosk. Die Lösung funktioniert aber auch bei Coop und Migros, auch wenn die Detailhändler eher mit Twint als mit Apple Pay werben. Über die Nutzerzahlen in der Schweiz schweigt sich Apple aus. Obwohl Apple Pay im Moment nur mit Kreditkarten des Finanzdienstleistungsunternehmen Swiss Bankers kompatibel ist, scheint die Lösung bei den Schweizer Kunden auf grosses Interesse zu stossen. So hätten laut einem kürzlich erschienen Artikel in der «Handelszeitung» mehrere zehntausend Kunden des Kreditkartenanbieters Viseca, der momentan nicht mit Apple kooperiert, bereits vergebens versucht, ihre Karten für Apple Pay zu registrieren. Und auch die Graubündner Kantonalbank vertreibt aufgrund der bestehenden Nachfrage mittlerweile Apple-Pay-Kreditkarten von Swiss Bankers, obwohl sie selber eigentlich an Viseca gebunden ist.
Die Postfinance-Tochter Twint, welche im November 2015 offiziell an den Start ging, kann in über 5000 Geschäften eingesetzt werden. Mit der Lösung der Postfinance-Tochter kann an der Ladenkasse, an Automaten, im Internet, in anderen Apps oder an Veranstaltungen bezahlt werden. Ebenfalls möglich sind Peer-to-Peer-Trans­aktionen zwischen zwei Personen. Dabei setzt Twint auf Bluetooth. Ein Konto einer Partnerbank, beispielsweise bei der Thurgauer, Schaffhauser, Graubündner oder Genfer Kantonalbank, kann in wenigen Schritten direkt an die App angebunden werden. Mit allen anderen Bankkonten funktioniert das Überweisen von Geld via Lastschriftverfahren. Bereits vor dem Marktstart von Apple Pay in der Schweiz haben Postfinance und Six-Group, welche mit Paymit eine eigene Mobile-Payment-Lösung angeboten hatte, bekannt gegeben, dass man im Herbst dieses Jahres die Lösungen zusammenlegen wird. An der Entscheidung sollen neben der Postfinance und Six auch die Credit Suisse, UBS, Zürcher Kantonalbank und Raiffeisen, die alle Anteile an der Kooperationslösung halten, sowie die Grossverteiler Coop und Migros beteiligt gewesen sein. Die Übereinkunft sieht vor, die Vorteile der beiden bestehenden Systeme Paymit und Twint zu vereinen und so eine plattformunabhängige Lösung für alle Marktteilnehmer anzubieten, die unter dem Brand Twint in Erscheinung treten soll. Im August dieses Jahres verzeichneten Twint und Paymit zusammen rund 500'000 Nutzer. Separate Zahlen wurden gegenüber «Swiss IT Reseller» nicht kommuniziert.

Schon kurz nach dem Bekanntwerden des Schweizer Markteintritts von Apple Pay äusserte sich der Twint-Paymit-Verbund in einer Pressemitteilung zur Thematik und begrüsste einen weiteren Wettbewerber, der die Nutzer für mobiles Zahlen weiter sensibilisieren werde. «Twint und Paymit begrüssen den Wettbewerb. Das hilft, mobile Bezahllösungen noch attraktiver zu machen», nahm damals Thierry Kneissler, CEO von Twint, Stellung und ergänzte: «Twint-Paymit ist eine technologisch offene und herstellerunabhängige Plattform mit attraktivem Zusatznutzen – für den Kunden über den Händler bis hin zum Finanzinstitut.» Jedoch drang auch durch, dass das Unternehmen auf einen Zuspruch der Wettbewerbsbehörde im Falle der NFC-Technologie hoffte, die im Bereich des Mobile Payments in der Schweiz momentan Apple vorenthalten ist und Twint zur Nutzung der als viel unsicherer geltenden Bluetooth-Verbindung zwingt.


Für Twint dürfte der Wettbewerb nicht leichter werden: Es ist anzunehmen, dass neben Apple Pay noch weitere internationale Anbieter von Payment-Lösungen in die Schweiz kommen werden. Allen voran Googles Bezahldienst Android Pay sowie die Smartphone-Bezahllösung Samsung Pay des koreanischen Elektronikmultis, dessen Markteintritt noch in diesem Jahr über die Bühne gehen dürfte.

Kleine Lösungen zielen auf spezifische Kundschaft

Neben den grossen Playern gibt es auch diverse kleinere Anbieter im Schweizer Markt. Die meisten von ihnen bieten aber Lösungen an, die auf ein spezielles beziehungsweise das eigene Kundensegment ausgerichtet sind.
So bietet der Detailhändler Migros neben der Möglichkeit, mit Twint und Apple Pay zu bezahlen, auch die eigene Lösung M-Connect an. Mit M-Connect können Migros-Kunden per Smartphone in den Migros-Filialen, -Fachmärkten und -Restaurants bezahlen. Anders als etwa bei Twint muss im Vorfeld kein Guthaben aufgeladen werden, sondern man koppelt das persönliche Smartphone an ein Migrosbank-Konto oder verbindet es mit seiner Kreditkarte. Zur Bezahlung generiert die Anwendung einen Strichcode, der an der Kasse vorgezeigt werden muss. Eine aktive Internetverbindung wird zur Bezahlung nicht benötigt.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Accarda-­Lösung von Manor und Jumbo. Durch die Hinterlegung der persönlichen Kundenkarte in die Manor- oder Jumbo-App kann die jeweilige Anwendung zur Bezahlung genutzt werden. Abgerechnet wird Ende Monat und bezahlt wird via Rechnung. Die Nutzung von Accarda beschränkt sich auf die Manor- und Jumbo-Filialen.

Das Start-up Mobino setzt auf ein Prepaid-Modell, bei dem der gewünschte Vertrag via Lastschriftverfahren direkt von einem angebundenen Bankkonto abgebucht wird. Mobino-Nutzer haben die Möglichkeit, die Lösung in allen teilnehmenden Filialen, unter anderem in den SV Kantinen, Autogrill oder am Flughafen Genf, zur Bezahlung zu nutzen. Die Bezahlung erfolgt über Direktüberweisung oder über die Bluetooth-­basierte Beacon-Technologie.


Inwiefern die kleinen Player gegen die grossen Anbieter im Schweizer Markt bestehen können, wird sich in naher Zukunft zeigen. Unbestritten ist aber, dass Mobile-Payment-Lösungen weiter an Aktualität gewinnen dürften. Denn wer zukünftig seine Artikel an den Mann bringen möchte, der wird künftig nicht um mobiloptimierte Bezahlprozesse herumkommen.

Neues Twint mit Verspätung

Im Frühling wurde bekannt, dass die beiden mobilen Schweizer Bezahllösungen Twint und Paymit fusionieren, um eine starke Allianz gegen Apple Pay bilden zu können. Damals hiess es, dass die Neuauflage von Twint im Herbst starten soll. Nun scheint das Projekt aber mit Verzögerungen anzulaufen.

Offenbar seien im Handel noch keine Informationen zum «neuen» Twint durchgesickert, wie die «Handelszeitung» Anfang September berichtete. Bei Coop, einem der wichtigsten Twint-Partner, rechnet man damit, dass das Ziel «Herbst» kaum einzuhalten sei. Auch auf Bankenseite herrscht offenbar Ernüchterung. Etwa die Migros Bank, die offenbar seit Frühling anstrebt, an Twint angeschlossen zu werden, wurde mehrfach auf die Twint-Neuauflage vertröstet und wartet nach wie vor auf Informationen beziehungsweise Spezifikationen.


Ähnliches ist auch aus der Kreditkarten- und der Bezahlterminal-Branche zu vernehmen. Dort rechnet man damit, dass Twint in der neuen Version erst im Winter oder Anfang 2017 starten wird. Twint selbst soll am Ziel Herbst festhalten, allerdings darauf hinweisen, dass dieser bis November andauere. (asp)


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