Das «Blaue Band» des schnellsten 32-Bit Prozessors, trägt seit dem
Intel Developer Forum im August ein mit 3,5 GHz getakteter Pentium 4. Dieser in 0,13 µ-Technologie gefertigte Prototyp diente Intel als Beweis des eigenen Könnens und des Potentials des neuen Prozessors.
Doch eine spektakuläre Aktion mit Höchstleistungen im Taktbereich qualifiziert nicht gleich die ganze Familie als Leistungsboliden. Schliesslich macht ein Formel1-Sieg von Ferrari nicht gleich einen Sportwagen aus jedem Fiat. Zumal der P4 nicht gerade einen perfekten Start hinlegte und anfangs gleich einen ganzen Sack voll Kröten mitbrachte.
Da war zunächst der enorme Energiebedarf. Der Leistungshunger des P4 konnte nur mittels eines neuen, speziell für Pentiumboards entwickelten Netzteils gestillt werden. Da der Wirkungsgrad von CPUs jedoch nicht besonders gut ist, muss das meiste als Abwärme entsorgt werden. Neue, grössere Lüfter und spezielle Halterungen in den Hauptplatinen wurden nötig.
Damit war der Traum vom Aufrüsten alter Pentium IIIs gestorben. Auch den Arbeitsspeicher konnte kaum ein Intel-Kunde weiterverwenden. Dank der populären VIA-Chipsätze sind fast alle PIII Rechner mit SDRAM ausgerüstet. Intels eigener Chipsatz unterstützt jedoch ausschließlich RDRAM, so dass es bei dem Layout der Boards keinen Spielraum für die Hersteller gab.
Das Ergebnis war eine Handvoll nahezu identischer Platinen, die sich von dem Referenzdesign lediglich in punkto RAID-Controller oder SCSI On Board unterschieden. Leistungsunterschiede blieben im Bereich der Serienstreuung. Zu allem Überfluss verkaufte Intel den P4 mit einem 64 MB Rambus-Modul als Dreingabe.
Da dieser Speichertyp immer paarweise eingesetzt werden muss, blieb VARs und Integratoren gar nichts anderes übrig, als den anderen Steckplatz auch mit 64 MB zu bestücken. Wollte man den Rechner nun mit zeitgemäßen 256 MB anbieten, wurde die selbe Bestückung auch für das zweite Bankpaar notwendig. So ein Rechner ist nicht mehr aufrüstbar, ohne die teuren Rambus-Module auszubauen und anderweitig zu verwenden.
Vertrauen erschüttert
Was das Vertrauen der Kunden in den Pentium 4 jedoch am meisten erschütterte, war die Tatsache, dass eine neue Bauform mit 478 Pins schon beim Launch der CPU angekündigt wurde. Damals hiess es, der Wechsel würde bei 1,8 GHz erfolgen. Inzwischen ist das Ende der 423 Pin-Prozessoren bei 2 GHz erreicht, doch reicht das Mehr an Rechenleistung nicht aus, Käufer zu einem Austausch der alten CPU zu bewegen.
Viel zu verlockend sind die Aussichten, die sich der Intel-Gemeinde bieten. ALi, SiS und auch
Intel selbst haben «legale» Chipsätze mit SDRAM-Unterstützung für den P4 angekündigt. Später wollen alle drei Anbieter auch Versionen für DDR-SDRAM bringen. Auf die zeitliche Reihenfolge hatte Intel bei der Lizenzvergabe bestanden, um die Beziehungen zu Rambus nicht unnötig zu strapazieren.
Der CPU-Berg
Doch wie schon bei den Pentium-III-Chipsätzen entpuppt sich VIA als Spielverderber. Mit dem Argument, durch die Übernahme der Grafikschmiede S3 auch in Besitz der notwendigen Lizenzen für den Pentium 4 gekommen zu sein, brachte man trotz immensen Drucks von
Intel den P4X266 auf den Markt, der schon heute schnelle und günstige DDR-Speicher für Intels Flagschiff ermöglicht. Um Repressalien vorzubeugen, liefern zumindest zwei Boardhersteller, Chaintech und
Shuttle, ihre Produkte in neutralen weißen Kartons aus. Doch auch
Tyan hat Produkte mit VIAs Chipsatz angekündigt.
Neben dem neuen Sockel verweist Intels Pressemaschine auch auf den neuen Prozessorkern. Während der P4 bisher mit dem Williamette getauften Kern produziert wird, bietet der dann in 0,13 µ gefertigte Northwood ein deutliches Mehr an Performance. Wenig kundenfreundlich ist jedoch Intels Praxis, beide Änderungen ständig in einem Atemzug zu erwähnen, ohne klar zu machen, dass auch die ersten 478 Pin-CPUs noch über den alten Kern verfügen. Es geht nicht anders. Der Pentium 4 verkaufte sich bisher so schleppend, das man quasi auf einem CPU-Berg sitzt.
Wer nun aber glaubt, der P4 würde dank neuer Chipsätze und überarbeiteten Kerns zur passenden Lösung aller Anwendungsfälle werden, wird enttäuscht. Die Kombination einer Hochleistungs-CPU mit Standard SDRAM hiesse, einen Rennwagen mit permanent angezogener Handbremse bauen.
DDR-SDRAM oder Rambus?
VIAs DDR-Lösung liefert dagegen zum gleichen Preis eine dem i850 mit Rambus vergleichbare Leistung. Beide SDRAM-Varianten haben jedoch einen Flaschenhals gemeinsam. Die Chipsätze haben lediglich einen Durchsatz von 2,1 GB/s. Auch der Nachfolger PC2700 wird nicht an die 3,2 GB/s der Rambus-Lösungen heran kommen, und somit das Potential des Pentium 4 nicht zur Gänze ausreizen können.
Auch wenn
Intel den P4 mit Gewalt in alle Marktsegmente drückt, sollte man sehr genau überprüfen, wo man ihn einsetzen will. Wer nicht gezwungen ist, heute zu investieren, sollte auf den neuen Kern warten. Erst dann stimmen Leistung und Investitionssicherheit. Die Frage, ob ein System mit DDR-SDRAM oder Rambus den Vorzug erhält, ist anwendungsabhängig. Bei der Bild- und Videobearbeitung wird auch in Zukunft die Rambus-Lösung dank grösserer Speicherbandbreite deutlich schneller sein.
Für alles andere empfiehlt sich ein DDR-P4, zumal grosse Arbeitsspeicher damit deutlich günstiger werden. Von der Kombination Pentium 4 und SDRAM muss man abraten. Schon heute gibt es schnellere und günstigere Systeme mit AMDs Athlon. Ob diese auch die nächste Generation des P4s in Schach halten können, werden erst direkte Vergleiche zeigen. (tm)