Von Löchern und Lügnern

Sun und Microsoft tun zur Zeit alles, um sich Kunden für ihre Web-Initiativen abzuluchsen. Und die Firmenbosse und Streithähne Scott McNealy (Bild vorn) und Steve Ballmer lieferten sich einen heftigen verbalen Schlagabtausch.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/18

     

Microsoft und Sun nutzen momentan jede Gelegenheit, um sich Webkunden abspenstig zu machen. Nach den Virus-Attacken von Code Red und Nimda, die zum Ausfall vieler Web-Server geführt hatten, hatten die Marktforscher von Gartner empfohlen, sich nach einer Alternative zum Microsoft Internet Information Server (IIS) umzusehen. Gartner führte vor allem die hohen Kosten an, die durch den Zwang entstehen, ständig neue Patches aufspielen zu müssen.
Microsoft reagierte mit dem Strategic Technology Protection Program (STPP). Das neue Security Tool ist ab sofort online auf der Microsoft Security Web-Site verfügbar (www.microsoft.com/security). Es enthält verschiedene Service Packs und Erweiterungen für Windows-NT 4.0- und Windows-2000-Betriebssysteme, um Sicherheitslücken zu schliessen. In einer zweiten Phase will Microsoft innerhalb der nächsten 60 Tage umfassende Security Roll-up Packages anbieten, die über die «Windows-Update»-Funktion installiert werden können.

Sun reagiert

Auf die Sicherheitslücken von ISS hat auch Sun reagiert: Microsofts Erzrivale hat rasch den Preis seines Webservers iPlanet um volle 37 Prozent reduziert, um Nutzern von ISS den Umstieg zum iPlanet Web Server schmackhaft und Microsoft Webserver-Marktanteile streitig zu machen. Für Kunden, die von einer Konkurrenz-Plattform wechseln, kostet iPlanet jetzt noch 940 US-Dollar pro Prozessor gegenüber früher 1450 Dollar.
Mit Chilisofts hat Sun zudem eine ASP-Implementierung im Programm, mit der sich auf der Basis von Microsoft Active Server Pages erstellte Web-Sites auf Sun-Server übertragen lassen, ohne dass der Geschäftsbetrieb unterbrochen werden muss.
Wes Wasson, für das Marketing von iPlanet zuständig, erklärte: «Ich will nicht behaupten, dass unser Produkt vollständig sicher ist und die Konkurrenz komplett versagt hat. Der Unterschied liegt im Design.» IIS sei so eng in Windows 2000 eingebunden, dass es für alle Probleme des Betriebssystems anfällig werde. iPlanet Web Server hingegen unterstütze verschiedene Betriebssysteme: «Das bietet einen Sicherheitspuffer. »

Hier spricht der Chef

Die Chefs der beiden Firmen sind sich unterdessen auch persönlich in die Haare geraten. Microsoft CEO Steve Ballmer hatte sich über die Java-Strategie von Sun lustig gemacht und gesagt, wann immer Microsoft etwas ankündige, käme Sun mit dem gleichen Produkt auf Java-Basis hinterher: «Kämen wir mit einem Produkt namens Loch, brächte Sun garantiert zwei Wochen später ein J-Loch.»
McNealys blieb die Antwort nicht schuldig. «Man hat mich ja schon alle Arten von Loch genannt», sagte er unter dem Gelächter seiner Zuhörer, «aber J-Loch noch nie.» Zuvor hatte sich Ballmer abwertend über das Projekt Liberty Alliance geäussert, mit dem Sun gemeinsam mit Partnern wie Cisco, eBay und General Motors eine Alternative zu Microsofts Online-Identitäts-Service Passport schaffen will.
Tags darauf schlug McNealy zurück. Er nannte Ballmer einen Lügner, da er behauptet habe, Microsoft sei nicht eingeladen worden, bei Liberty Alliace mitzumachen: «Früher flirtete der Software-Gigant wenigstens noch hie und da mit der Wahrheit, doch sogar das scheint vorbei zu sein. Der CIO unseres Mitglieds United Airlines hat Microsoft per E-Mail eingeladen. Dort sagte man, man werde es sich überlegen. Das sind die Fakten und dafür stelle ich mich jederzeit einem Lügendetektor.»
Im übrigen erlaube das neue MS-Betriebssystem XP mittels Passport «alle persönlichen Daten herunterzusaugen und auf einem Passport-Server zu speichern – das ist die ganz grosse Erfindung von XP!» Die Daten könnten für alle möglichen kommerziellen Zwecke benutzt werden. Liberty Alliance dagegen arbeitet laut McNealy mit dezentralen Verzeichnissen und erlaubt den Teilnehmern selbst zu entscheiden, wann, wie und mit wem sie ihre Daten teilen wollen. Da brauche niemand vorher Microsoft anzufragen und dafür zu bezahlen.

Microsoft öffnet Passport


Der Schlagabtausch dürfte wohl noch etwas weiter gehen, bis klar ist, wer sich besser durchsetzt. Manche Analysten vermuten allerdings, es gehe nicht zuletzt darum, Druck auf Microsoft zu machen, damit Passport für andere Dienste geöffnet wird. Nun hat Microsoft offiziell bekannt gegeben, dass ihr Indentifikationsdienst in Zukunft mit anderen Authentifikationsdiensten zusammenarbeiten soll. Dazu wird Passport, wie Microsoft mitteilt, im Laufe des nächsten Jahres den offenen Standard Kerberos 5.0 unterstützen. Auch der kürzlich angekündigte Windows .Net Server soll Kerberos 5.0 unterstützen und über zusätzliche Tools sowie die Integration von Active Directory, Anwendern den Zugang zu personifizierten Internet-Ressourcen via Netzwerk-Login ermöglichen. (fis)


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