Think Digital: The Return of the «Kümmerer»
Quelle: zVg

Think Digital: The Return of the «Kümmerer»

Von Joerg Schwenk

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2022/01

     

Nichts ärgert mehr, wie wenn in ­einem Unternehmen niemand mehr für irgendetwas zuständig ist und niemand mehr angesprochen werden kann. Aus meiner Sicht gibt es da mindestens drei Klassen von Komplexität bei solchen Verhaltensweisen von Unternehmen.

Erstens: Unternehmen, in denen man zwar jemanden erreicht, aber ­danach mehrmals weitergereicht wird, bis man nach langer Leidensdauer zu hören bekommt, dass es nicht zu ändern sei und dass einem nicht geholfen werden kann und dass man eigentlich Opfer ihrer Unternehmens-Prozesse sei. Bravo!


Zweitens: Man bekommt schon niemanden ans Telefon. Ich sage: Unternehmen, die es nicht wagen (oder nicht nötig haben), ihre Telefonnummer zu veröffentlichen, haben gerne mal Angst davor, dass der Kunde zu viel anruft. Tut man als Unternehmen sein Bestes, geschieht dies eher nicht, denn es gibt keinen Grund dazu. Bravo! Bravo!

Drittens: Das Zuständigkeitsspiel. Da ist der Hersteller zuständig oder der Service-Partner. Ich nenne es mutwillige Vermeidung von Kosten durch Produktion von Aufwand aufseiten des Kunden. Vielleicht gibt er ja auf. Je höher der Aufwand, desto weniger Kunden nutzen es. Dies ist nur ein möglicher Treiber dahinter. Bravo! Bravo! Bravo!

Gerade eben erlebt: Versucht, den Support ­eines namhaften Schweizer Unternehmens zu kontaktieren. Dies, da der Support auf E-Mail seit mehreren Tagen nicht reagiert. Man wird gebeten, einen Rückruftermin einzutragen. Eigentlich eine gute Sache, wäre da nicht der Umstand, dass erst in 15 Tagen wieder freie Rückruftermine offen sind. Ruft man dann an, sind alle Mitarbeiter besetzt. Soweit auch ok. Aber dass man danach aus der Leitung geworfen wird und somit beim nächsten Anruf quasi genau den Moment abpassen sollte, in dem ein Support­Mitarbeiter frei ist, ist einfach nicht ok, und ich fühle mich schlicht auf den Arm genommen.


Ob solcher Dinge wächst das Bedürfnis seitens kaufenden Menschen nach anbietenden Menschen, die sich im Problemfall um uns Kunden kümmern und mit uns auch mal die Extra-Meile gehen. Denn nicht jede unserer komplexen Lebens- oder Geschäftssituationen als Kunde lässt sich in einen Prozess giessen. Und wir rufen ja normalerweise auch nicht an, um Zeit zu vertrödeln, sondern um unser Problem zu lösen. Das gilt möglicherweise auch dann, wenn wir älter werden und die komplexer werdenden elektronischen Prozesse uns möglicherweise auch mal überfordern werden.

Nach einer Zeit, in der es fast schien, als benötigen wir aufgrund von Webshop & Co. bald keine Verkäufer mehr, geschieht unter dem Deckel bei vielen Unternehmen deshalb genau das Gegenteil. Zwar ist der reine Bestellweg des Kunden oft durch Webshops automatisiert, dennoch tut sich in der Kundenbetreuung eine neue, qualitativ wertvolle Welt auf. Eine gute Beziehung zum Kunden pflegen und Probleme mit ihm gemeinsam lösen, Geschäftsmodelle besprechen und gemeinsam das Wachstum planen kommen wieder in Mode.


Klar beschreibe ich die ideale Welt des ­Verkaufens, bereinigt von allen tagesgeschäftlichen Sachzwängen. Aber eigentlich wollen wir Kunden vom Lieferanten nur eines hören: «Ich kümmere mich darum». Und dies so lange, bis wir eine belastbare Lösung gefunden haben, die beide Seiten zufriedenstellt. Ich bin mir sicher, dass genau diese Art, Geschäfte zu tätigen, Ihre Kunden dazu bringt, Ihrem Unternehmen die Treue zu halten, auch wenn mal nicht alles perfekt läuft oder der Preis mal eben nicht der Günstigste ist. Ich bin mir sicher, dass sich genau dieses Verhalten positiv auf die Loyalität Ihrer Kunden auswirkt, und ich bin mir sicher, dass sich die verkaufsseitigen Mehrkosten dadurch an anderer Stelle sicher gegenrechnen lassen. Sich wieder um Kunden zu kümmern, wird salonfähig. Versprochen.



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