Am 7. März 2021 hat die Schweizer Stimmbevölkerung das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste, kurz E-ID-Gesetz genannt, bei einer Stimmbeteiligung von knapp 51 Prozent mit 64 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Zu gross war das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber privaten Anbietern, welche diese Dienste betreiben sollten. So zumindest der allgemeine Tenor seitens Politik. Daraus wird interpretiert, dass die Einführung einer E-ID vom Volk nur akzeptiert wird, wenn diese durch den Staat selbst ausgearbeitet, betrieben und überwacht wird.
Das Ziel der E-ID: Sie soll die eindeutige Identifikation von Bürgern gegenüber Behörden und Ämtern ermöglichen, damit gewisse Aufgaben digital erledigt werden können. Allenfalls kann diese E-ID dann auch für weitere, private Dienste verwendet werden, wie zum Beispiel die Bestellung in einem Onlineshop. Ein Neuanlauf betreffend die gesetzliche Grundlage für eine E-ID soll in zwei bis drei Jahren erfolgen.
Das Beispiel der ganzen E-ID-Thematik zeigt, wie weit der Staat der Digitalisierung hinterherhinkt. Seine eigenen Beamten arbeiten längst digital, weil sie aufgrund struktureller Systemänderungen und fortschreitender Technologie regelrecht dazu gezwungen sind.
Ein Beispiel stellt die Kommunikation mit Bürgern via E-Mail dar. Wie unsicher dies ist, kann jeder selbst testen: Senden Sie zum Beispiel dem Steueramt eine E-Mail von einer auf Ihren Namen lautenden Adresse inklusive Signatur und beantragen Sie eine Kopie Ihrer letzten Steuerrechnung. Sie werden diese in der Regel via sicherem, verschlüsseltem Incamail an eben diese E-Mail-Adresse erhalten. Was hindert nun aber einen Dritten daran, eine auf Ihren Namen lautende E-Mail-Adresse zu erstellen und dasselbe zu tun?
Längst hätte der Staat dem Bürger eine Plattform zur Verfügung stellen sollen, auf welcher dieser, nach erfolgter Verifizierung, selbst auf seine Unterlagen zugreifen kann, ohne einen Beamten damit beauftragen zu müssen. Solche Lösungen werden jetzt sukzessiv von Behörden eingeführt, unabhängig von der fehlenden gesetzlichen Grundlage. Oftmals erfolgt die Anmeldung dann via Google- oder Facebook-Konto, de facto einer bereits existierenden E-ID, die von privaten, ausländischen Unternehmen betrieben wird. Der Single-Sign-On, den sich der Bund mit der E-ID verspricht, existiert bereits und wird von vielen verwendet.
Die Digitalisierung schreitet schlicht zu schnell voran, als dass der Staat diese kontrollieren, geschweige denn beeinflussen könnte. Die Diskrepanz zwischen dem, was in der Gesellschaft passiert und dem, was der Staat zu regulieren versucht, wird mit zunehmendem Tempo immer grösser. Mit Entwicklungen wie dem Metaverse wird es für den Staat zudem unmöglich werden, bestimmte Dinge gesetzlich zu regulieren, da er auf diese keinen Zugriff hat.
Gesetze werden in der digitalen Welt von den Unternehmen definiert, welche diese Dienste entwickeln und anbieten. Je mehr die Gesellschaft in diese digitale Welt verlagert wird, umso mehr wird das Leben nicht mehr von Staaten und deren Gesetzen, sondern von Unternehmen und deren AGBs bestimmt.
Glücklicherweise gibt es aber eine Gruppe, welche dafür sorgt, dass all der technologische Fortschritt nicht zur Dystopie führt: Unternehmen und Unternehmer, die eben diese Technologien, welche von den Regierenden gar nicht erst verstanden werden, entwickelt haben. Wie wir erfahrungsgemäss wissen, kann sich ein Staat – von ausfallenden Systemen über gravierende Sicherheitslücken – ohne Konsequenzen alles erlauben. Unternehmen hingegen landen beim kleinsten Datenleck in den Schlagzeilen und vor Gericht. Ich vertraue meine Daten lieber Unternehmen an, welche langfristig auf mich als Benutzer angewiesen sind, als einem Staat, der die gesamte Digitalisierung zur Realsatire verkommen lässt.
In der Rubrik «Channel Insight» lassen wir in jeder Ausgabe von «Swiss IT Reseller» eine Persönlichkeit aus der Schweizer IT- beziehungsweise Channel-Szene zu Wort kommen.