Commcare braucht dringend Geld – und wird radikal umgebaut. Urs Löliger, bisher CEO und VR-Präsident ist mit seiner Expansionsstrategie gescheitert und wurde «in einem Putsch», wie er sagt, entlassen und als VR-Präsident abgewählt. Doch nicht nur Löliger musste gehen, sondern auch 30 Mitarbeitende, vor allem aus dem Bereich Telekommunikation, wurden entlassen.
Der neue starke Mann bei Commcare, VR-Präsident Ernst Zimmermann bestätigt den Kapitalhunger des Schlieremer Netzwerkintegrators und Mini-Carriers: «Es stimmt, wir brauchen einen neuen Investor. Ein Verkauf steht nicht im Vordergrund, doch wir werden ein gutes Angebot natürlich anschauen.» Die missliche Lage von Commcare hat zwei Ursachen: Zum einen muss ein happiger Abschreiber von etwa 13 Mio. Franken finanziert werden zum anderen werden Nachzahlungen von mindestens fünf Mio. Franken an
Swisscom fällig.
Zimmermann kritisiert seinen Vorgänger Löliger massiv: «Obwohl wir es immer verlangt haben, wurden keine Rückstellungen gemacht, für den Fall, dass wir vor dem Bundesgericht verlieren. Ausserdem hat man die Infrastruktur zu schnell und zu einseitig aufgebaut. Man richtete die Ausgaben auf viel zu hohe Budgetziele aus.» Verkleinert und mit neuem Business-Modell, habe Commcare aber durchaus Überlebenschancen, so Zimmermann.
Löligers Abgang bei Commcare wurde von einer regelrechten Schlammschlacht begleitet. Löliger informierte die Sonntagspresse von seiner Sicht der Dinge, ein Unterfangen, das in der Schlagzeile «Tränengas bei Commcare» endete.
Hinter dem unfeinen Streit (man stritt mit Hilfe von Bodyguards darum, wer wen entlassen könne...) stehen diametral entgegengesetzte Strategien. Löliger wollte mit Commcare trotz des negativen Entscheids des Bundesgerichts expandieren und so die «kritische Masse» erreichen. Zu diesem Zweck wollte er den IP-Dienstleister Nextra übernehmen, der seit einigen Wochen zum Verkauf steht. Die Nextra-Mutter Telenor sei sogar bereit gewesen, in Commcare zu investieren, sagt Löliger.
Der ehemals starke Mann bei Commcare fand im Verwaltungsrat keine Mehrheit für seinen Vorschlag und wurde abgewählt und als CEO entlassen. Löligers Kontrahenten, der jetztige VR-Präsident Ernst Zimmermann und der technologische Kopf des Unternehmens Urs Haug, glaubten nicht an die Expansion, sondern drängten darauf, die Firma zu sanieren und neu auszurichten.
Böse, böse Swisscom
Nextra und Commcare haben eines gemeinsam. Sie glaubten an eine bevorstehende Deregulierung der «letzten Meile» und an einen unausweichlich folgenden Boom für IP-Dienstleistungen, wie etwa «Virtual Private Networks». Das Bundesgericht hat anders entschieden und die Frage der Entbündelung an den Gesetzgeber zurückgegeben. Entsprechend kassiert die
Swisscom einen Grossteil der Einnahmen von privaten Carriern und IP-Dienstleistungen, wie es Nextra und Commcare sind, und das Preisniveau bleibt hoch. Die Erwartungen der privaten Carrier bleiben unerfüllt.
Böse, böse Cisco
Mit der untergegangenen Allcom hat Commcare das Infrastruktur-Geschäft gemeinsam. Von den 48 Mio. Franken Umsatz, die Commcare in der ersten drei Quartalen ‘01 erzielte, entfielen nur etwa ein Fünftel auf Carrier-Dienstleistungen. Der Rest wurde im schwierigen Infrastruktur-Geschäft gemacht. Dort sind die Ausbildungs- und Zertifizierungskosten hoch und die Margen tendieren, vor allem bei Cisco-Produkten, gegen Null.
Die neue Commcare
Falls die Sanierung gelingt, will Zimmermann Commcare neu strukturieren. Die Devise heisst: raus aus der Grundversorgung – hin zu Services. Zimmermann will Security-Services, Systemintegration und LAN/Metropolitan-Dienste anbieten. (hc)