Risikokapital für Schweizer Java-Spezialisten

Esmertec hat die zweite Finanzierungsrunde hinter sich. Die junge Schweizer Softwarefirma schaut mit Optimismus in die Zukunft.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2001/21

     

Der Dübendorfer Java-Spezialist Esmertec wurde soeben mit frischem Kapital ausgestattet. Investoren sind die Venture Kapitalgesellschaft Earlybird in München und der Investor der ersten Runde, Partners Private Equity, Zug. Hansruedi Heeb, CEO und Präsident von Esmertec: «Unsere zweite Finanzierungsrunde war eine deutlich längere Übung als die erste.
Die Investoren schauen heute sehr genau hin, wem sie Geld geben. Umso besser ist das Gefühl, wenn man es geschafft hat. Das bedeutet, dass die Geldgeber Vertrauen zu uns und unserem Produkt haben.»
Die Dübendorfer entwickeln das «embedded» System Jbed. Das System basiert auf der Java-Programmierumgebung von Sun. Doch im Unterschied zur Java Virtual Machine (JVM) von Sun interpretiert Jbed die Programme nicht, sondern compiliert sie. Die Verarbeitung erfolgt so rund zehnmal schneller. Die von Esmertec entwickelte Speicherverwaltung arbeitet zudem im Hintergrund und ermöglicht, Jbed als Echtzeitsystem einzusetzen, etwa für die Steuerung von Produktionsmaschinen oder eines Printer-Druckkopfs.
Updates lassen sich über das Internet in den Flash-Speicher laden und sofort compilieren. Dies ist ein entscheidender Vorteil gegenüber Konkurrenzprodukten. Diese können zwar ebenfalls Maschinen-Code verarbeiten, doch der Compiler benötigt sehr viel mehr Speicherplatz. Die Umwandlung muss daher auf einem PC erfolgen. Jbed erledigt diesen Schritt selber «on the fly».
Esmertec verdankt dies einem Steckenpferd von Pascal-Erfinder und ETH-Professor Niklaus Wirth: Obwohl damals niemand wusste, wozu es gut sein soll, versuchte er, immer kleinere Compiler zu entwickeln. Heebs Bruder Beat, der bei Wirth doktoriert hatte, verfügte über das entsprechende Know-how und machte Jbed damit zu einem System, das wie geschaffen ist für die neuen Mobilgeräte.

Bankgeschäfte

Zu den ersten, die davon profitieren – wohl meist ohne sich dessen bewusst zu sein – gehören die Credit Suisse-Kunden, die ihre Bankgeschäfte mit einem Palm Pilot erledigen. Heeb: «Wir trafen die Entwickler von «Youtrade für Palm» seinerzeit auf der Java One. Ihr Problem war, das die JVM für die Verschlüsselung mehrere Minuten benötigte. Wir haben gleich auf der Messe das Programm von Palm zu Palm auf unser System gebeamt. Nun benötigte die Verschlüsselung noch 20 Sekunden. Das zeigt, wie einfach auf Sun-Systemen entwickelte Anwendungen auf Jbed übernommen werden können. Seither wurde das Programm optimiert, so dass noch vier Sekunden nötig sind – eine Zeit, die auch von den Online-Kunden akzeptiert wird.»

Chance mit GPRS und UMTS

Esmertec hat seit der Gründung vor zwei Jahren mehrere Projekte für Industriekunden realisiert – interessante Aufgaben, jedoch auf kleine Stückzahlen beschränkt. Mit den neuen Mobiltelefon-Anwendungen öffnet sich für das Dübendorfer Unternehmen jetzt ein vielversprechender Massenmarkt.
Die neuen Kommunikationstechnologien ermöglichen es, interaktive Applikationen auf das Mobilgerät herunterzuladen. Da bei der Paket-Übertragung von Daten mit GPRS und UMTS nach Datenmenge abgerechnet wird, sind auch interaktive Anwendungen wie eine Schachpartie über zwei Handys bezahlbar. Die Anbieter versprechen sich davon neue Kunden, die Gerätehersteller eine Wiederbelebung des erlahmten Marktes.
Und Java als relativ offener Standard hat alle Chancen, dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Voraussetzung sind kleine, leistungsfähige Systeme wie eben Jbed. Heeb: «Es bestehen zwar noch Non Disclosure Agreements, doch so viel kann ich sagen: Wir sind mit verschiedenen Anbietern und Zulieferern – nicht den allergrössten, aber mit wichtigen – im Gespräch. Mit dreien ist das Geschäft praktisch perfekt und ich denke, dass weitere folgen werden.»

Interaktives Fernsehen

Ein weiterer Zukunftsmarkt sind Settop-Boxen für das interaktive Fernsehen. Für eine individuelle Wettervorhersage etwa werden nur noch die nackten Daten geladen, während die grafische Darstellung und die Animation auf der Settop-Box erfolgen. Leute wie der Medienmogul Leo Kirch haben auf diesem Feld viel Geld investiert. Sie wissen aber, dass es billigere Settop-Boxes braucht, wenn interaktives TV populär werden soll. Jbed soll ihnen dazu verhelfen, da sich damit Prozessorleistung und Speicherbedürfnisse in Grenzen halten lassen.
Mit MHP (Multimedia Home Platform) legte sich die EU – und wohl bald auch die USA – auf einen Standard für die Implementation fest. Heeb: «MHP ist ein Java-Standard. Da braucht jede Settop-Box ein schnelles und preisgünstiges Java – genau das, was wir anbieten.»
Realistischerweise rechnet Heeb mit einer dritten Finanzierungsrunde im nächsten Jahr, bevor ein Break-even erreicht wird. Mit der zurückgehenden Konjunktur haben für viele Startups die Probleme erst richtig angefangen.
Davon sind auch manche VCs betroffen. Esmertec kann ein Lied davon singen: Bereits zweimal mussten potentielle Geldgeber kurz vor Vertragsabschluss aufgeben. Doch Heeb ist optimistisch. Natürlich drängen die Investoren darauf, dass die Umsatzziele erreicht werden. Heeb meint jedoch: «Das sind ja auch unsere eigenen Ziele. Operativ redet uns niemand drein. Unsere Geldgeber verlangen nur regelmässige und detaillierte Berichte. Das empfinde ich aber als positiv: Es tut ganz gut, wenn man sich immer wieder klar macht, wo man steht.» (fis)


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