Sony hat den Schweizer
DNS-Resolver Quad9 verklagt und Ende 2021 vor dem Landgericht Hamburg in erster Instanz recht bekommen. Quad9 ist eine Stiftung mit Sitz in Zürich, deren Zweck es laut Website ist, ein "offener DNS-rekursiver Dienst für kostenlose Sicherheit und hohen Datenschutz" zu sein. Die Stiftung wurde in den USA gegründet, hat ihren Sitz aufgrund der Neutralität und recht guten Datenschutzbedingungen aber
in die Schweiz verlegt. Im Stiftungsrat sitzt neben einem Vertreter von Switch unter anderem auch Florian Schütz, Delegierter des Bundes für Cybersicherheit.
Grund der Anklage: Quad9 hatte es unterlassen, eine für Sony unliebsame Website für den deutschen Internetraum zu sperren und dafür im Juni 2021 eine einstweilige Verfügung aus Hamburg wegen "Unterlassung" bekommen. Die "Republik"
recherchierte den Fall jüngst.
Hintergrund ist ein Upload eines Musikalbums – für das Sony die Rechte hat – auf einer Piraterie-Plattform. Der Konzern forderte von der Stiftung im Frühjahr 2021, dass man die Website für deutsche Nutzer sperren sollte. Laut Bericht hätte dies nicht mal einen wirklichen Nutzen, da die grössten DNS-Resolver, über die auch der Grossteil aller Anfragen laufen,
Google und
Cloudflare heissen. Selbst wenn Quad9 die Sperrung durchsetzen würde, wäre die Download-Plattform nach wie vor einfach über diese erreichbar. Mit denen will sich Sony aber offenbar nicht streiten. Dazu kommt, dass die Sperre laut Quad9 aufwändig umzusetzen wäre und technisch nicht vorgesehen ist. Eine weltweite statt einer lokalen Sperre wäre wiederum politisch nicht umsetzbar.
Laut dem Landgericht Hamburg, das laut Bericht für seine Rechteinhaberfreundlichkeit bekannt ist und vermutlich deshalb von Sony ausgesucht wurde, wäre die "öffentliche Zugänglichmachung" des Musikalbums ohne den DNS-Resolver nicht möglich gewesen. Unter anderem damit wird das Urteil gerechtfertigt. Im Bericht wird in der Folge angeprangert, dass dies in letzter Konsequenz für die ganze Kette zwischen User und Download gelten würde – also etwa auch den Browser-Hersteller oder den Internetanbieter betrifft. Vor einem Schweizer oder US-Gericht hätte die Klage eine kleine bis kaum eine Chance gehabt, wie es weiter heisst.
Quad9 will den Entscheid anfechten und bedankt sich auf seiner Website für das ungewöhnlich hohe Spendenaufkommen seit dem Zwischenfall. Experten und Netzaktivisten sehen im Prozess einen gefährlichen Präzedenzfall, auf dessen Basis unterschiedlichste Organisationen ebenfalls eingeklagt werden könnten.
(win)