Frechheiten: Der ICT-Fachkräftemangel der Schweiz - quo vadis?
Quelle: ICT-Berufsbildung Schweiz

Frechheiten: Der ICT-Fachkräftemangel der Schweiz - quo vadis?

von Serge Frech, Geschäftsführer ICT-Berufsbildung Schweiz

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2023/03

     

Seit 2010 analysiert ICT-Berufsbildung Schweiz die Fachkräftesituation in der schweizerischen ICT-Landschaft. Und seit 2010 wird ein kritischer ICT-Fachkräftemangel prognostiziert. Anfänglich wurden die Prognosen des Verbands, der für die Neu- und Weiterentwicklung der ICT-Berufe verantwortlich ist, kritisch betrachtet. Doch die zunehmende Digitalisierung traditioneller Unternehmen und das Wachstum der ICT-Dienstleistungsbranche verschärften die Nachfrage nach Fachkräften.

Am Mangel an gut ausgebildeten ICT-Fachkräften leiden längst nicht nur die ICT-Dienstleister, sondern alle Wirtschaftssektoren. Denn ICT-Fachkräfte werden überall gebraucht: Von der Verwaltung über die Bildung bis zur Industrie, im Handel und auch im Handwerk. Der Bedarf wächst exponentiell und schneller, als neue Fachkräfte ausgebildet werden können. Die Auswirkungen sind auf allen Ebenen spürbar: Qualitätseinbussen, verspätete Einführung digitaler Lösungen, Zeit- und Leistungsdruck sowie Kundenaufträge, die nicht erfüllt werden können.


Eine Studie von Digitalswitzerland zeigt auf, dass die Opportunitätskosten (unrealisierte Bruttowertschöpfung) des ICT-Fachkräftemangels bis 2030 bei über 30 Milliarden Franken liegen. Dies auch aufgrund von Off- und Near­shoring, indem die Wertschöpfung in jene Länder abfliesst. Der ICT-Fachkräftemangel gehört laut verschiedenen Umfragen zu den grössten Herausforderungen von IT-Dienstleistern. Selbst der Bund hat in seiner Digitalstrategie ausreichend Fachkräfte als kritisches Momentum definiert. Dies, um die Digitalisierung des Wirtschaftsstandortes Schweiz und somit die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

Die Unternehmen bemühen sich mit allen erdenklichen Massnahmen, attraktiver für Arbeitnehmende zu sein, um so den Kampf um Talente für sich zu entscheiden. Doch der Kuchen wird dadurch nicht grösser. Die Löhne werden höher, die Produkte teurer und der Fachkräftemangel bleibt. Um den ICT-Fachkräftemangel in einen ICT-Fachkräfteaufbau umzuwandeln, bedarf es anderer Massnahmen. Mehr Lehrstellen, mehr Diversität, lebenslanges Lernen, mehr Digitalität in allen Berufen und Möglichkeiten für Quereinstiege. Dies ist seit langem bekannt und wird sowohl von ICT-Berufsbildung Schweiz wie auch anderen Verbänden gefordert und gefördert. Doch gerade ICT-Berufsbildung Schweiz, hauptsächlich verantwortlich für den Fachkräfteaufbau, ist seit seiner Gründung strukturell unterfinanziert. Um diese Massnahmen adäquat zu fördern und zu würdigen, fehlt es der ICT-Verbandslandschaft also an Einigkeit, Zusammenhalt und Wirksamkeit. Es werden zu wenig Synergien genutzt und ein Bündel an nicht konzertierten Massnahmen durchgeführt.

Vom Bund kann keine Unterstützung erwartet werden. Denn dieser delegiert die Verantwortung für den Fachkräfteaufbau konsequent an die Verbände und die Wirtschaft zurück – von denen er ebenfalls mehr Geschlossenheit und Organisation fordert. Doch tut sich bei diesen genug? Es tut sich etwas, teilweise viel – doch nicht genug. Kurzfristig wird sich keine signifikante Verbesserung ergeben. Denn Fachkräfteaufbau braucht Zeit. Und eben auch Ressourcen. Also ist das Ziel für das ICT-Berufsfeld, mittel- bis langfristig ausreichend und gut ausgebildete Fachkräfte zu erhalten.


In den folgenden Kolumnen werden wir auf die einzelnen Massnahmen eingehen. Spoiler: Eine geforderte Massnahme wird sein, mehr Lehrstellen zu schaffen. Die berufliche Grundbildung ist nachgewiesenermassen das effektivste und effizienteste Mittel für einen nachhaltigen Fachkräfteaufbau. So können von den knapp 5800 ICT-Fachkräften, die 2022 in den Arbeitsmarkt eingetreten sind, 79 Prozent auf die Grundbildung zurückgeführt werden. Ein unschlagbares Argument für die Berufsbildung.

Serge Frech

Serge Frech ist seit 2018 Geschäftsführer von ICT-Berufsbildung Schweiz. Zuvor war er in verschiedenen Führungspositionen im Bildungsumfeld tätig, zuletzt für den Gebäudetechnikverband Suissetec, wo er das Departement Bildung leitete und Mitglied der Geschäftsleitung war. Davor war er stellvertretender Chef Ausbildung im militärischen Nachrichtendienst.

Kommentare
Stimme ich vollkommen zu. Ich sage allen Deutschen „geht nicht in die Schweiz, ihr werdet depressiv zurückkommen, die CH’ler sind zum grössten Teil furchtbar, vor allem zu Deutschen“. Wozu immer dieses französisch und italienisch, wenn man sich doch auf englisch austauschen kann in der heutigen Zeit.
Montag, 4. Dezember 2023, Unmögliche CH

Ich bin Deutscher und habe von 2007 bis 2009 im Großraum Zürich gearbeitet. Während dieser Zeit empfand ich die Arbeitsbedingungen in der Schweiz als besser im Vergleich zu Deutschland. Dies resultierte aus der gründlicheren Arbeitsweise und der geringeren Hektik bei den Eidgenossen. Leider sind Deutsche in der Schweiz nicht besonders gern gesehen. Es ist schwer zu beurteilen, wer letztendlich für dieses Dilemma verantwortlich ist. Die Tatsache bleibt jedoch bestehen, dass hier zwei unterschiedliche Mentalitäten aufeinanderprallen. Zudem wird Deutschen vorgeworfen, das Preisniveau in den Ballungszentren sowie die Wohnungsnot in die Höhe zu treiben. Was ich ausdrücken möchte, ist: solange sich ein Deutscher in der Schweiz nicht willkommen fühlt, wird er sich sehr genau überlegen, wegen eines IT-Jobs in die Schweiz auszuwandern, selbst wenn die Gehälter im europäischen Vergleich sehr gut sind.
Mittwoch, 15. November 2023, Ulrich

Und dennoch finden Lernende keine Informatik-Lehrstelle, weil sie mindestens in Franzöisch eine 4.5 haben müssen... Hausgemachte Probleme, aber ständig am Jammern...
Montag, 24. April 2023, Unwichtig



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