Refurbishing: Ein zweites Leben für alte Hardware

Nicht mehr gebrauchte Hardware fristet oft ein Schattendasein in Schubladen, Kellern oder Lagern. Dabei liesse sich diese oftmals wiederverwerten. Auf Refurbishing spezialisierte Unternehmen haben aus der Wiederaufbereitung alter Geräte ein lohnendes Geschäft gemacht.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2021/10

     

In die Jahre gekommene Geräte zum Recycling zu bringen, ist die eine Art, die Kreislaufwirtschaft in Schwung zu halten. Die andere ist, diese einem Unternehmen zu übergeben, das sich auf die Wiederaufbereitung alter Hardware spezialisiert hat. Egal ob PC, Notebook, Smartphone oder Tablet, viele Geräte lassen sich wieder fit machen für ein zweites Leben bei Privatanwendern oder in einem Unternehmen. Dennoch werden nicht mehr gebrauchte Geräte oft vergessen und verstauben in Schubladen oder Lagerräumen. «Aktuell werden rund 3 Millionen neue Geräte pro Jahr verkauft und nur die Hälfte wird entweder verschenkt oder verkauft. Aus diesem Grunde lagern auch rund 4 bis 5 Millionen Geräte in den Schubladen der Benutzer, was verschiedene Studien belegen. Dies ist insofern schade, dass solche Geräte dann nach 5 oder 6 Jahren beim Aufräumen vielleicht wieder entdeckt werden. Dann haben sie leider keinen Wert mehr und können aufgrund der Technologiesprünge auch nicht mehr genutzt werden», sagt Peter Oertlin, CEO von Verkaufen.ch.

Ab zum Refurbisher

Nicht mehr gebrauchte Hardware wiederaufbereiten zu lassen, entlastet nicht nur die Umwelt, sondern kann auch den eigenen Kontostand aufbessern, denn Refurbisher sind nicht selten bereit, dem Besitzer einen Restwert für seine alten Geräte zu geben. Dazu Roger Wassmer, CEO von Mobilezone Schweiz: «Die Smartphones unserer Gebraucht-Marke Jusit stammen aus dem Eintauschprogramm von Mobilezone. Kunden können ihre alten Smartphones in jedem Mobilezone Shop retournieren und erhalten den Eintauschwert erstattet. Zudem kaufen wir auch von unseren Business-Kunden Geräte zurück.» Ähnlich läuft es bei Verkaufen.ch, wie CEO Peter Oertlin erklärt: «Mehr als die Hälfte der Geräte kommt von Privatpersonen oder Firmenkunden, die ihre gebrauchten Smartphones, Tablets, Smartwatches oder Macbooks nicht mehr benötigen. Der Rest von Retailern oder Telekommunikationsanbietern. In diesem Falle kann der Kunde beim Erwerb eines neuen ­Produkts sein altes Gerät an Zahlung geben.»


Die Geräte von Swiss Remarketing kommen hingegen ausschliesslich aus dem Geschäftsbereich, wie Chief Sales Officer Herbert Boy Arcilla darlegt: «Swiss Remarketing kauft seine IT-Gerätschaften wie Notebooks, Personal Computer und Smart Devices wie Tablets und Smartphones von unterschiedlichen Grossbetrieben und KMU aus der Privatwirtschaft, Banken, Versicherungen, Dienstleistungsunternehmen und Industriebetrieben sowie von öffentlichen Auftraggebern wie Kantonen, Städten, Gemeinden und Kliniken oder Spitälern. Wir kaufen die Geräte gemäss den Assets, die uns zum Kauf angeboten werden.» Diese Gerätschaften stammen laut Boy Arcilla aus einzelnen Projekten oder Teilprojekten, aus Abnahmeverträgen oder aus dedizierten Ausschreibungen, die die Firmen tätigen. «Vielfach stammen die Rücknahmen aus einem Hardware Roll­out, also einem Geräte-Austausch. Viele Firmen erzielen so einen Projekt-Kick-back für ihre gebrauchte IT-Ware, die wiederum in die Beschaffung neuer IT-Hardware fliesst», so Boy Arcilla weiter.

Komplexe Wiederaufbereitung

Die Wiederaufbereitung gebrauchter Hardware ist alles andere als trivial. So durchläuft ein Gerät bei Verkaufen.ch mindestens 40 Schritte, bis es wieder zum Verkauf freigegeben wird. «Das Wichtigste ist sicher die zertifizierte Löschung aller Daten auf dem Gerät. Danach wird überprüft, ob die einzelnen Komponenten wie Mikrofon, Bildschirm und so weiter einwandfrei funktionieren. Wenn alles in Ordnung ist, wird das Mobiletelefon feinsäuberlich gereinigt und ist bereit für einen neuen Besitzer. All diese Schritte werden in der Schweiz durchgeführt», schildert Peter Oertlin den Prozess. Auch für Swiss Remarketing hat die Datensicherheit oberste Priorität, wie Herbert Boy Arcilla erklärt: «Sollte ein Löschen der Daten nicht möglich sein, werden die Datenträger mit Hilfe von Degaussern entmagnetisiert, durchbohrt sowie geschreddert und somit vernichtet.» Man müsse bei der Wiederaufbereitung immer auch das Alter der gebrauchten Geräte betrachten, die je nach Branche vier bis sieben Jahre alt sind. «Teure Komponenten wie Motherboards, Displays oder Gehäuse werden nicht ersetzt. Speichermedien wie Festplatten oder Arbeitsspeicher können mittels Originalteilen oder über Third-Party-Hersteller verbaut werden. Wenn man IT-Ware ankauft, die noch Restgarantie besitzt, wird diese über den normalen Service der einzelnen Service-Stellen der Herstellerfirmen erbracht», so Boy Arcilla.


Einzelne Ersatzteile beziehen alle drei Dienstleister in der Regel direkt beim jeweiligen Hersteller. So verwenden etwa die von den Herstellern zertifizierten Techniker von Mobilezone ausschliesslich Originalteile, wie der CEO betont. Verkaufen.ch als zertifizierter Reparatur-Dienstleister für Apple und Samsung erhält die Originalteile ebenfalls von den Herstellern. «Wir bauen somit nur Originalteile ein, die auch über eine Garantie verfügen. Defekte Bauteile werden an Apple und Samsung zurückgesendet, wo sie wiederaufbereitet oder ordnungsgemäss entsorgt werden», sagt Oertlin. Und auch Swiss Remarketing bezieht Original-Ersatzteile gemäss Herbert Boy Arcilla von den Herstellern, besorgt diese nach Bedarf aber auch am freien Markt – auch weltweit.

Nachhaltigkeit und günstige Preise

Wiederaufbereitete Geräte decken ­offenbar ein Marktbedürfnis ab. Bei Mobilezone soll deren Anteil im ­Verkauf bis Ende Jahr bei 1 Prozent zu ­liegen kommen. «Aktuell sind wir mit diesem Ziel auf Kurs. Unser Ziel bis 2025 ist es, dass 6 Prozent unserer in der Schweiz verkauften Smartphones ­Jusit-Geräte sind», so Roger Wassmer. Für den Kauf gebrauchter Hardware sprechen verschiedene Argumente. «Wir stellen fest, dass der Trend immer stärker zunimmt, dass Privatpersonen aus Nachhaltigkeitsgründen vermehrt gebrauchte Geräte kaufen, um so ihren CO₂-Fussabdruck zu verringern und andere Ressourcen zu schonen oder auch um günstiger an ein Gerät zu kommen, das einwandfrei funk­tioniert», meint Peter Oertlin. Zusätzlich seien die technologischen Unterschiede zwischen aktuellen Modellen und deren Vorgänger nicht mehr so gross, sodass in vielen Fällen auch ein gebrauchtes Modell der Vorgängerlinie für viele Kunden ausreichend sei.


Geräte aus zweiter Hand stossen nicht nur bei Privat-, sondern auch bei Firmenkunden auf Interesse. «Wir realisieren einen Grossteil unseres Absatzes mit Privatkunden. Es gibt aber auch etliche Kleinfirmen, die gebrauchte IT-Hardware für ihre Angestellten kaufen. Für reine Office-Anwendungen reicht meistens ein normal ausgestattetes Notebook oder Personal Computer. Man erhält A-Brands mit einem aktuellen Chipset und in gutem Zustand zu einem Bruchteil des Preises eines Neugeräts», sagt Herbert Boy Arcilla von Swiss Remarketing.

Der Markt wächst zusehends

In den vergangenen Jahren ist der Markt für gebrauchte Hardware konstant gewachsen, wie etwa Herbert Boy Arcilla von Swiss Remarketing ausführt: «Wenn wir auf die letzten Jahre zurückblicken und Corona ausblenden, ist der Gebrauchtmarkt sehr stabil und wächst kontinuierlich. Die Coronapandemie und das damit verbundene Home Office haben einen Run auf günstige Zweit- und Drittgeräte ausgelöst, um Home Schooling sicherzustellen und das temporäre Arbeiten von zu Hause aus zu gewährleisten.» Die Situation mit dem Coronavirus habe sich mittlerweile jedoch beruhigt. Nun komme ein neues Element hinzu: die Verknappung der Elektronikkomponenten, da viele IT-Hardware-Hersteller neu in der Beschaffung in Konkurrenz zu anderen Industrien stehen. Dies führe bei einzelnen Bestellungen und Modellen zu Auslieferschwierigkeiten von mehreren ­Wochen, wenn nicht Monaten, so Boy Arcilla.


Der CEO von Verkaufen.ch möchte sich zwar nicht tiefer in die Karten blicken lassen, bestätigt jedoch den Trend: «Genaue Zahlen möchten wir nicht nennen, aber wir sehen definitiv eine positive Entwicklung. Die Nachfrage verdoppelt sich aktuell von Jahr zu Jahr, wobei das Niveau immer noch sehr tief ist.» Roger Wassmer von Mobilezone Schweiz schliesst sich dieser Einschätzung an: «Wir verkaufen bereits seit vielen Jahren gebrauchte und wiederaufbereitete Smartphones und verzeichnen auch eine steigende Nachfrage bei unseren Kunden. Daher haben wir im September 2020 mit Jusit die erste Produktmarke der Schweiz für gebrauchte Smartphones lanciert.»

Ein lohnendes Geschäft

Für die Akteure im Refurbishing Business läuft es augenscheinlich rund. ­Allerdings muss dazu gesagt sein, dass die Wiederaufbereitung von Geräten jeweils nur einen Teilbereich der Unternehmensstrategie ausmacht. So erklärt etwa Herbert Boy Arcilla von Swiss Remarketing: «Unser Geschäft basiert auf der Bereitstellung neuer ­IT-Ware, dem Rollout und dem damit verbundenen Ab- und Aufbau der ­IT-Ware, der sicheren Rückführung, der zertifizierten Datenlöschung, dem Ankauf der gebrauchten IT-Hardware und dem daraus resultierenden ­Remarketing.»


Bei Mobilezone ist das Refur­bishing ebenfalls ein Nebengeschäft, wie ­Roger Wassmer verlauten lässt: «Für uns war es ein logischer Schritt, neben unserem Kerngeschäft das Angebot mit gebrauchten Smartphones zu erweitern. Dies, weil wir die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, vom Verkauf der Neugeräte, der Rücknahme von Gebrauchtgeräten in unseren Shops, deren Prüfung und Reparatur bis hin zum Wiederverkauf online und in unseren Shops. In unserer Nachhaltigkeitsstrategie haben wir das Thema Smartphone-Kreislauf deshalb als ­eines von vier Fokusthemen definiert. Der wirtschaftliche Erfolg steht bei uns im Einklang mit einer nachhaltigen und verantwortungs­vollen Geschäftspraxis.» Nachhaltigkeit steht laut Peter Oertlin auch bei ­Verkaufen.ch weit oben auf der Agenda: «Als wir Ende 2012 das Unternehmen gegründet ­haben, war ein wichtiger Grund, einen Beitrag zur Reduzierung des CO₂-­Ausstosses zu leisten und Ressourcen zu schonen. Aufgrund unseres Dienstleistungsmix – Reparaturen, Refurbishment, Ankauf und ­Verkauf von ­gebrauchten mobilen ­Geräten – können wir von der ganzen Wertschöpfungskette profitieren und sind in vielen ­Fällen für unsere ­Kunden auch der Single Point of ­Contact.» ■ (luc)


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