HP kauft Compaq – oder: Wie mache ich PR, wenn ich nichts weiss?

Überstunden für die Kommunikationsabteilung: Eine Firma wird gekauft. Wie kommuniziert man das nach innen und aussen?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/01

     

HP kauft Compaq – DIE Schlagzeile im letzten Jahr. Mittlerweile wurde es etwas ruhiger um den Merger, aber noch ist nichts entschieden. Grund für uns, bei den PR-Abteilungen der beiden Unternehmen nachzuforschen, wie man denn dort mit solch einer Situation umgeht.
Dabei fiel auf: Es werden nicht nur zwei Unternehmenskulturen und zwei Produktpaletten unter einen Hut zu bringen sein, sondern ganz offensichtlich auch zwei Kommunikationskulturen. Bei HP wird jegliche Kommunikationsstrategie von den USA aus «abgestimmt». Das führt dazu, dass PR-Frau Claudia Scheurer konsequent erst in der Europazentrale in Genf nachfragen muss, ob und was sie überhaupt sagen darf. Auch bei Compaq wird alles zentral abgestimmt, aber man atmet offenbar etwas freiere Luft.

Nichts drang nach aussen

HP-Chefin Carly Fiorina hat es beim Merger HP-Compaq bis zum Schluss geschafft, tatsächlich nichts nach aussen dringen zu lassen. Während sie den später geplatzten Aufkauf von PricewaterhouseCoopers sehr früh ankündigte, wussten vom HP-Compaq-Deal im Vorfeld «gerade mal zwölf Leute weltweit», so Compaqs Chef-Kommunikator Matthias Meier. «Es war schon beeindruckend, dass sie es geschafft hat, ein Announcement von dieser Tragweite auf so einen kleinen Kreis von Mitwissern zu beschränken», so Meier.
Die Meldung wäre für praktisch 69’999 der 70’000 Compaq-Leute absolut überraschend gekommen. «Da hat es eben keinen Hinweis gegeben: Morgen gibt’s eine grosse Mitteilung, haltet euch bereit.» Selbst der Schweizer Country Manager musste aus den Medien erfahren, dass HP soeben an die Tür klopft, um einzutreten. Auch bei Hewlett Packard wusste laut Scheurer niemand in der Schweiz vorher Bescheid.

Ankündigung ohne Vorwarnung

Die USA-lastige zentrale Steuerung bei HP zeigte sich denn auch gleich beim ersten Streich, der beide Unternehmen betraf: bei der Merger-Ankündigung. «Die Pressemeldung wurde 1:1 und direkt aus den USA an die Medien weltweit verschickt. es gibt nur wenige Fälle bei denen ich das so konsequent umgesetzt gesehen habe. Die PR-Verantwortlichen der Ländergesellschaften hatten weder Zeit noch Möglichkeit, selbst an der Mitteilung zu arbeiten», berichtet Matthias Meier.
Da blieb ihm nicht mehr viel, als die schockierten Mitarbeiter sofort per E-Mail zu informieren und die Meldungen im Intranet auf dem neuesten Stand zu halten. Später wurden Employee-Sessions organisiert. Claudia Scheurer griff bei HP zu den gleichen Massnahmen: «E-Mail, Intranet und später Coffee Talks, um die Angestellten auf den aktuellen Stand zu bringen.»

Gemeinde fürchtet um ihre Steuern

Die Pressemeldung wurde nach Börsenschluss in den USA verschickt und lauerte am nächsten Morgen in den E-Mailfächern der Redaktionen. Zu spät für die aktuellen Ausgaben der Tageszeitungen, aber ein gefundenes Fressen für die Online-Redaktionen und Radiosender, die aktuell berichten konnten. Meier: «Da hat das Telefon schon ein paar Mal geklingelt.
Während man mit einer aufgeregten Radiomoderatorin telefoniert, muss man gleichzeitig noch ein E-mail schreiben. Und dann stehen auch noch Verkaufsleute in der Tür, die ausgerechnet heute für eine Präsentation zum Kunden müssen und auch Informationen brauchen, was sie sagen können.» Nebenbei will dann auch noch die Gemeinde Dübendorf erfahren, «ob wir denn dableiben, oder unsere Steuern künftig woanders zahlen.» Der Kommunikationsvorsprung der PR-Leute war denkbar knapp, aber es galt, das beste daraus zu machen.

Wer sagt was?

Nicht nur die Angestellten wollen zeitnah auf dem laufenden gehalten werden. Auch die Kunden fragen, wie es denn nun weitergehen werde. Für die Compaq-Angestellten mit Kundenkontakt wurde darum ein Katalog mit Antworten entwickelt. Wenn Kunden und Partner keine oder die falschen Antworten bekommen, kann das Ergebnis fatal sein. Also erarbeitete die Schweizer PR-Abteilung auf Basis der vorhandenen Informationen ein entsprechendes «Wording». Dessen Inhalt ist bis heute aktuell, denn noch ist nichts entschieden.
Wer nachfragt bekommt mitgeteilt, dass erst die Aktionäre zustimmen und die Aufsichtsbehörden prüfen müssen (vor kurzem wurden die Unterlagen bei der die EU eingereicht), man schon aus rechtlichen Gründen weiterhin als Konkurrenten am Markt auftritt und dass der Merger, falls er zustande kommt, Ende des ersten Quartals stattfindet. Es ist eben noch alles offen.

HP sagt gar nichts


Hewlett Packard hat die schlichte Anweisung, nichts zum Merger zu sagen, ausser, dass man noch nichts näheres wisse. Also fällt vorsichtshalber selbst die bereits geleistete Öffentlichkeitsarbeit gleich mit unter das Schweigegebot. Die weitere Planung erfolgt ohnehin wie üblich in den USA, so dass Scheurer selbst dann nichts zum weiteren Vorgehen sagen könnte, wenn sie es dürfte.
Compaq macht seine Pläne konsequenterweise weiterhin für ein ganzes Jahr, denn noch ist alles offen und die US-Wettbewerbsbehörden haben ein aufmerksames Auge auf die beiden Unternehmen gerichtet. Auch die Öffentlichkeitsarbeit wird darum nicht auf das Zustandekommen des Mergers ausgerichtet. Aber wie soll man auch Kommunikation planen, wenn man nicht weiss, was es künftig zu kommunizieren gibt. (ava)


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