Der Wirtschaftsverband der europäischen Cloud-Anbieter CISPE (Cloud Infrastructure Services Providers in Europe) kritisiert den Chip-Riesen Broadcom
in einem öffentlichen Schreiben scharf. Hintergrund ist die Übernahme von
Vmware durch Broadcom gegen
Ende 2023 für satte 69 Milliarden US-Dollar. Der veröffentlichte Text trägt den Titel "Broadcoms brutale Vertragskündigung und die Auferlegung prohibitiver neuer Lizenzbedingungen werden Europas Cloud-Infrastruktur dezimieren". CISPE warnt denn auch, dass verschiedenste Cloud-Dienste für teils kritische Infrastrukturen innert einer Frist von wenigen Wochen offline gehen könnten, wenn sich nichts an der aktuellen Situation ändert. Sowohl die vertraglichen Bedingungen als auch Preissteigerungen seien problematisch für die Cloud-Anbieter und -Dienstleister.
Mit der Mitteilung richtet sich der Verband ganz klar nicht an
Broadcom, sondern an Regulierungsbehörden, Gesetzgeber und Gerichte in ganz Europa – diese sollen sich umgehend mit der Prüfung der Lizenzbedingungen befassen, um das Schlimmste abzuwenden, so CISPE. Cloud Services und -Provider befänden sich derzeit in einem "Limbo", wie es weiter heisst – denn was mit den VMware-Lizenzen ab dem 1. April 2024 passiere respektive ob weiter Lizenzen für die VMware-Produkte verfügbar sein werden, sei nach wie vor unklar.
Die Preissteigerungen seien auf ungeschicktes Bundling der noch verbleibenden Produkte zurückzuführen, nachdem
Broadcom eine ganze Reihe von VMware-Produkten eingestellt habe. Die Rede ist von punktuellen Preiserhöhungen um den Faktor 12. Auch sei für viele Händler nach wie vor unklar, ob und wie sie Zugang zum Broadcom-Partnerprogramm erhalten könnten. Und die Partner, denen ein Zugang zum Programm angeboten wurde, fühlten sich genötigt, die teils unfairen Konditionen mit sehr wenig Vorlaufzeit annehmen zu müssen.
Da
Vmware laut CISPE 45 Prozent des Marktes für Virtualisierung halten konnte, müsse Broadcom nun als Gatekeeper unter den
Digital Markets Act der EU fallen. Mit einer entsprechenden Einstufung durch die EU würde man deutlich strengeren Richtlinien Folge leisten müssen.
"Diese Massnahmen fügen der europäischen digitalen Wirtschaft nicht nur finanziellen Schaden zu, sondern dezimieren auch den unabhängigen europäischen Cloud-Infrastruktur-Sektor und schränken die Auswahlmöglichkeiten der Kunden weiter ein. Marktbeherrschenden Softwareanbietern, egal in welchem Bereich, von Produktivitätssoftware bis hin zur Virtualisierung, darf nicht erlaubt werden, die Macht über Europas digitale Ökosysteme auf Leben und Tod auszuüben", so Francisco Mingorance, Generalsekretär bei CISPE.
Eine Einordnung des Falls gibt es
an dieser Stelle nachzulesen.
(win)