Alltron – ein potemkinsches Dorf?

COS hat die Zahlen des vergangenen Geschäftsjahres und gleichzeitig auch eine Wende in der Gruppenstrategie präsentiert. Die Devise heisst professionelles Management und Controlling.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/07

     

Man kann dem COS-Chef Kurt Früh (Bild) vielleicht ein paar Fehlentscheide (zum Beispiel den Alltron-Kauf) vorwerfen aber sicher nicht fehlenden Mut oder Flexibilität. So stand er zum x-ten Mal vor der sichtlich ungeduldigen Finanzpresse und präsentierte tiefrote Zahlen und eine neue Strategie seiner Firmengruppe.
Im vergangenen Jahr setzte der COS-Konzern 1,237 Milliarden Franken um. Gut lief das Geschäft mit Systemintegration von COS-Concat. Der Umsatz stieg massiv auf über 110 Mio. Franken, das Geschäft war profitabel. Ebenfalls sehr gut stehen die Disti-Aktivitäten in Deutschland und Österreich da. Besonders auffallend ist der deutsche Memory-Bereich, wo man den Umsatz in Stückzahlen vervierfachte.
Doch all diese guten Nachrichten nützen nichts, denn die erzielten Gewinne wurden von den Verlusten in der Schweizer Distribution, von Auctionline und einer massiven Abschreibung der Beteiligung am E-Händler Primusavitos aufgefressen. Unter dem Strich resultierte ein Verlust von 14,1 Mio. Franken.

Klaut da einer?

Mit der Übernahme der Alltron vergangenes Frühjahr glaubte Kurt Früh zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er wollte die in der Distribution wichtige «kritische Masse» erreichen und die grossen Probleme bei COS Distribution Schweiz lösen. Daraus wurde nichts: Alltron wurde zum Albtraum. Man habe laufend grosse Unterschiede zwischen dem MIS (Management Information System) und den Finanzzahlen entdeckt, die man sich nicht erklären konnte.
Man habe sich sogar gefragt, ob da nicht massive Diebstähle im Spiel seien. Die Ursache waren unkorrekte Bewertungen der Lagerbestände und damit auch viel zu hohe Nachbestellungen. Dazu kam, dass ein rechter Teil des mittleren Alltron-Managements gegangen war und durch unerfahrene Leute ersetzt worden war. Insgesamt beziffert Früh die Verluste bei Alltron mit 15 Mio. Franken, bei der «alten» COS mit fünf Mio. Unterdessen wurde der PC- und Serverbereich aufgegeben (IT Reseller berichtete) und etwa 100 Tonnen Ware zur Also ABC in Emmen verschoben.
Ob unrechtes Handeln mit im Spiel war, konnte Früh nicht sagen. «Wir klären ab», so sein Bescheid auf die hartnäckigen Fragen der Finanzpresse. Früh sagt, das Alltron-Lager sei schon bei der Übernahme überbewertet worden. Auf die Frage, ob ihm mit Alltron ein «potemkinsches Dorf» gezeigt worden sei, meint der COS-Chef: «Ich könnte es nicht besser formulieren.»

Ausstieg aus Consumer-Auktionen

Auch mit Auctionline, dem Geschäft mit Internet-Auktionen von gebrauchten PCs und Peripherie, hatte COS gar kein Glück. Das Business (das wir übrigens auch immer für sehr zukunftsträchtig gehalten haben), ist nicht nur an mangelnder Nachfrage gescheitert, sondern auch an viel zu hohen Kosten für die Aufbereitung der Geräte.
Besonders ein Deal mit der deutschen Comdisco zur Rücknahme von Abertausenden von Leasing-Geräten scheint äusserst verlustreich gewesen zu sein. Die PCs und die Peripherie seien als Schüttgut in riesigen Containern angeliefert worden, erzählt Früh. Entsprechend riesig war nur schon der Aufwand zur Sortierung der Maschinen.
Konsequenterweise hat sich COS deshalb aus dem Geschäft mit Endkunden praktisch zurückgezogen. COS konzentriert sich nun auf das Wiedervermarktungs-Geschäft mit Detailhändlern und Brokern. Die Maschinen stammen aus Rücknahmen von Leasingfirmen und von Herstellern. Der Bereich «E-Business» der COS-Gruppe soll konsequenterweise in «COS Remarketing» umgetauft werden.
Als weitere Verlustquelle entpuppte sich der Internet-Händler Primusavitos, an der COS im Rahmen eines Joint-Venture mit der deutschen Metro-Gruppe beteiligt ist. Gemäss den Buchhaltungsregeln nach IAS musste die Beteiligung am E-Händler um vier Mio. Franken abgeschrieben werden.

Keine «Gründerväter mehr»

COS werde nun eine «kurze Wachstumspause» einlegen, so Früh. Es gehe jetzt darum, alle COS-Teile in die Gewinnphase zu führen, bevor er wieder an Wachstum denke, so der Disti-Chef. Die ehemaligen Gründer der aufgekauften Firmen sind, ausser im Fall COS Concat, nicht mehr an Bord. Sowohl von Ralf Paul (ex P&T) wie auch von Viktor Pabst (ex Alltron) trennte man sich im Unfrieden. Man werde jetzt ein gruppenweites professionelles Management und Controlling aufziehen, versprach Früh.
Dazu gehört eine konzernweit einheitliche betriebswirtschaftliche Software. COS hat sich für mySAP entschieden. Zur Zeit seien erste Pilot-Projekte am laufen, der firmenweite Roll-Out soll im Herbst 2002 beginnen und Ende 2003 abgeschlossen sein.

Zwei Jahre Rückstand

Früh erläuterte der anwesenden Wirtschaftspresse die Vorteile eines solchen Systems. So will er die Lieferketten in der EDV abbilden und Endkunden und Händlern damit verbesserte Dienstleistungen wie Drop-Shipment im Namen des Händlers etc. anbieten. Pionier ist COS mit solchen Dienstleistungen allerdings überhaupt nicht, denn die Gruppe ist mindestens um zwei Jahre gegenüber der Konkurrenz (Also ABC, Tech Data, Ingram, Actebis) im Rückstand.
Ausserdem will COS vermehrt ins Geschäft mit Verbrauchsmaterial (Toner, Farbpatronen etc.) einsteigen. Auch dies ist nicht gerade eine Pioniertat – gerade hat Tech Data europaweit die Forcierung dieses Geschäftsbereichs in Angriff genommen. Die Zeit der fetten Margen dürfte sich Also auch in diesem Bereich dem Ende zuneigen. (hc)


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