Aus der Fusion von
HP Schweiz und Compaq Schweiz ist das grösste reine IT-Unternehmen in der Schweiz entstanden, mit einem angestrebten Jahresumsatz von zwei Milliarden Franken im Jahr 2002. Die Konkurrenz hofft allerdings, dass der junge Riese noch etwas Zeit braucht, um das Gleichgewicht zu finden, bevor er die ersten Schritte tut – die beste Gelegenheit, sich ein paar Marktanteile unter den Nagel zu reissen.
Wenn es nach New HP geht, werden diese Träume Schäume bleiben: von Stunde Null an will man die Energie voll auf die Kunden und den Markt fokussieren. Ralf Brandmeier (Bild), General Manager der neuen HP Schweiz, hat schon die Compaq/DEC-Fusion erlebt. Anlässlich der Präsentation von New HP Schweiz für die Presse zeigte er sich zuversichtlich, dass New HP alte Merger-Fehler verhindern könne.
Wichtig sei es, sich nicht auf Interna zu konzentrieren, sondern sich sofort wieder nach aussen zu orientieren. Man werde lieber mit einer 80- Prozent-Lösung jetzt nach draussen gehen, meinte er, als erst in ein paar Monaten mit 90 Prozent.
Der Schweizer IT-Riese
Brandmeier unterstrich anhand von Zahlen von IDC und Dataquest aus dem ersten Quartal 2002 die Marktstellung von New
HP im Schweizer IT-Markt, die wirklich beeindruckend ist: New HP ist die Nummer 1 in vielen Marktsegmenten, vom Notebook-Markt (Marktanteil 18%) über PDAs (19%), Desktop-PCs (29%), Storage (33%), RISC/Unix-Server (45%), Printer (56%) bis zu einer fast übermächtigen Stellung bei Intel-basierten Servern (65% Marktanteil!). Natürlich muss man anmerken, dass dies halt immer noch die zusammengezählten Marktanteile von HP und Compaq sind – ob die neue HP sie halten kann, muss sich erst noch weisen.
Organisatorisch folgt auch New HP Schweiz dem Vorbild des Gesamtkonzerns und ist in vier Bereiche aufgeteilt:
ESG, Enterprise Systems Group (Server, Storage, Software) unter der Leitung von Ralf Brandmeier (er kommt von der Ex-Compaq-Seite). Die ESG soll 2002 etwa 530 Mio. Franken Umsatz erzielen, davon rund 120 Mio. mit «Business Critical Systems» (Unix-Server, RISC und Itanium), 250 mit «Industry Standard Servers» (32-Bit Intel), 150 mit Storage und 11 Mio. mit Software.
HPS, HP Services Group, Leitung Willy Suter (ebenfalls ex-Compaq). Angestrebter Umsatz 2002 etwa 540 Mio. Franken, davon rund 267 Mio. im Customer Support (Post Sales Services), 147 Mio. Franken aus Managed Services (Outsourcing, vor allem von Desktop-Umgebungen und SAP) und etwa 126 Mio. aus Consulting.
PSG, Personal Systems Group (PDAs, PCs, Workstations), Andrej Golob (HP). Angestrebter Umsatz 2002 etwa 580 Mio. Franken.
IPG, Imaging and Printing Group, Arnold Marty (HP). Angestrebter Umsatz 2002 etwa 470 Mio. Franken, davon 210 mit Supplies. Dazu erwartet die Gruppe noch etwa 70 Mio. Franken Umsatz mit PDAs und PCs im Retail, dieser Umsatz wird aber der PSG «gutgeschrieben».
Aufgebrochen wird die Orientierung nach Produktebereichen dadurch, das die Verantwortung für bestimmte Kundensegmente und die Verantwortung für die dazugehörigen Partnerbeziehungen jeweils in einer Business Group «gehostet» werden: Consumer und Kleinstbetriebe, und damit der Retail-Channel, werden in der IPG betreut, KMUs und der «Volume Channel» bei der PSG, die Kundengruppen Corporate, Enterprise und Commercial sowie der «Value Channel», also Systemintegratoren und grosse VARs bei der ESG.
Die Services-Gruppe soll mit den anderen drei Bereichen eng zusammenarbeiten.
Unklares: Entlassungen, Standorte
Obwohl beide Länderorganisationen nach eigenem Bekunden jeweils zu den global profitabelsten Ländergesellschaften ihres alten Unternehmens gehört haben, wird es auch hierzulande zu einem Stellenabbau kommen. Das Einsparungspotential, das sich aus dem Merger insgesamt ergibt, wurde mit 2,5 Mrd. Dollar jährlich beziffert.
Dieses soll sich wie folgt aufteilen: 625 Mio. Dollar bei Administration / IT, 600 Mio. bei den Kosten für Waren und Services, 475 Mio. bei Sales, 425 Mio. bei Forschung und Entwicklung, 250 Mio. bei indirekten Beschaffungen und 125 Mio. beim Marketing. «Dieses Synergiepotential zu realisieren ist eine der Grundvoraussetzungen für den Erfolg des Mergers», sagt Brandmeier. Wer davon genau betroffen ist, konnten die Verantwortlichen aber noch nicht bekannt geben. Immerhin kann man aus der Aufteilung der erwarteten Einsparungen schliessen, dass es in der Schweiz vor allem Administration und Sales-Personal betreffen könnte.
Ebenfalls noch nicht bekannt ist, was mit den verschiedenen Standorten in der Schweiz, zum Beispiel auch mit den beiden Europazentralen in Kloten (Compaq) und Genf (HP) geschehen wird. Gemäss Brandmeier sei es allerdings unwahrscheinlich, dass einer der Standorte ganz aufgegeben werde.
Marktsegmentierung
Viel zu reden gab in der Szene das voraussichtliche Verhältnis der neuen
HP zum Channel. Die offiziellen Äusserungen aus dem Hauptquartier waren recht vage, viele Partner weltweit fühlten sich im Dunkeln gelassen.
Dass manches noch nicht geklärt sein konnte, ist eigentlich natürlich. Die «Clean Room»-Teams, die das Vorgehen nach dem Merger vorbereiteten, konnten zwar viel Internes besprechen, durften aber vor der endgültigen Entscheidung noch gar nicht nach aussen gehen und eventuell mit Partnern reden.
Aus dem, was gesagt wurde, konnte man aber zumindest schliessen, dass New HP den Anteil an Direktverkäufen steigern will.
Ralf Brandmeier relativierte diesen Eindruck, vor allem für Europa: «Partner sind für HP in der Region EMEA fundamental. Sie sind unser primärer Weg zu 19 Millionen Unternehmen. Man muss klar den Unterschied zu den USA in Betracht ziehen, denn dort ist der Markt der Corporate Reseller sozusagen kollabiert. HP wird sicher nicht hingehen und
Dell kopieren.»
New HP definiert im Markt fünf Kundensegmente:
Corporate: Die global etwa 250 grössten Unternehmen, in der Schweiz fallen etwa UBS,
Nestlé, Novartis, CS und ABB in diese Kategorie.
Enterprise: weltweit etwa 4000 Grossunternehmen.
Commercial: weltweit etwa 15’000 Unternehmen.
Small and Medium Businesses (KMU)
Was heisst «Customers Choice»?
Für viel Unsicherheit unter HP-Partnern sorgte vor allem die Betonung, die das Unternehmen auf «Customers Choice» legte: Letztendlich solle immer der Kunde entscheiden, ob er direkt oder indirekt einkaufen wolle. Muss man sich nun in allen Segmenten auf New
HP als Konkurrenten
gefasst machen? Wird HP von Fall zu Fall entscheiden?
Gemäss Andrej Golob wird die Suppe nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht wird: «Das bedeutet nicht, dass in der Schweiz nun jedes beliebige KMU sagen kann, es wolle jetzt direkt bei HP kaufen.» Es soll auch keine Unklarheiten geben: Die neue HP wird eine Liste der Unternehmen erstellen, die als Kandidaten für Direktverkauf in Frage kommen. Diese Liste, die gemäss Golob nicht mehr als 80 bis 100 Unternehmen umfassen wird, soll bis etwa Anfang Juli stehen.
Für Direktverkauf wird HP die Bereiche Corporate und Enterprise angehen, wie das schon die alten Compaq und HP taten. Dazu kommen einige, aber wenige Kunden aus dem Bereich Commercial, wie Golob sagt. Unter Commercial versteht HP den Bereich der «ganz grossen MUs».
Als Kandidaten würden mittlere Schweizer Unternehmen mit internationalen Niederlassungen in Frage kommen (Golob nennt als Beispiel den bisherigen Dell-Kunden Hiestand), sowie Internationale Unternehmen mit einer Schweizer Niederlassung, die ihre IT-Infrastruktur standardisieren möchten. Mit dem Weg über den Direktverkauf möchte HP gerne vor allem
Dell einige dieser Kunden abluchsen.
In den restlichen Marktsegmenten wird sich New HP Schweiz darauf konzentrieren, so Golob, mit teilweise direkten Marketingaktionen einen Nachfrageschub zu erzeugen – aber zugunsten der Partner, über die der Verkauf laufen soll.
Die nächsten Schritte im Channel
Einige Konkurrenten hoffen, in der Zeit der Merger-Wirren New
HP auch einige Partner abjagen zu können. Chancen in dieser Richtung wittert zum Beispiel Heinz Brandenberger von
Fujitsu Siemens, der meint, dass die Fusion der beiden Konkurrenten im Schweizer Channel riesige Unsicherheiten schafft. «Dies gilt es auszunützen und dem Channel
Fujitsu Siemens Computers als attraktiven und verlässlichen Partner vorzustellen», erklärte er.
«Wir werden das Gegenteil beweisen», hält Golob dem entgegen. «Unser Ziel ist es, von unseren 50 wichtigsten Partnern keinen einzigen zu verlieren. In den nächsten Tagen, erklärt er, soll vieles geschehen, um mögliche Konfusionen im Channel einzudämmen und die Verhältnisse zu klären.
Viele Meetings dürften also anstehen, es ist aber auch noch weiteres geplant. So sollen am 29. Mai, analog zu den Produkte-Roadmaps, detaillierte Rodmaps zu den Partnerprogrammen von New HP publiziert werden. Darin wird gezeigt werden, wie lange die bisherigen Programmen von HP respektive Compaq noch weitergeführt werden und wann die neuen Programme zu erwarten sind. Details über die neuen Programme werden aber darin noch nicht enthalten sein.
Mit bisherigen reinen HP-Partnern wird in den nächsten Tagen das Vorgehen (Schulung, Support usw.) beim Übergang von den Netservern, die ja ausrangiert werden, zu den Proliants besprochen, die in Zukunft den Hauptharst des HPs 32-Bit-Intel-Serverangebots bilden.
Bald sollen auch die Partnerbetreuer bestimmt sein. Obwohl, wie oben erklärt, die Verantwortung für Teilbereiche des Channels über die Unternehmensbereiche verteilt ist, ist es das Ziel, wenn immer möglich einen einzigen Betreuer als festen Ansprechpartner für ein Unternehmen zu bestimmen. (hjm)
Info
Eine genaue Zusammenfassung von New HPs Produkte Roadmaps findet man auf der Webseite von
HP Schweiz im Pressebereich.www.hewlett-packard.ch/press/pressroom_d.htm