Vor zwei Wochen hat
Microsoft den Kauf des dänischen ERP-Anbieters Navision verkündet. Für 1,3 Mrd. Dollar soll der fünftgrösste europäische Software-Hersteller an die Redmonder übergehen. Während Navision und seine Partner dem Geschäft wohlwollend gegenüberstehen, geht es der Konkurrenz ans Eingemachte. Ein Beispiel dafür ist SAP. Zwar ist Navision im Vergleich zu SAP eher ein Winzling, doch könnte Microsoft mit Hilfe der Dänen den Walldorfern im wachstumsträchtigen KMU-Segment in die Quere kommen.
Denn genau da hat SAP noch Nachholbedarf und sitzt mit seiner Standard-KMU-Software-Strategie gerade in den Startlöchern. «SAPs Fähigkeit, den Markt der kleineren und mittleren Unternehmen zu bedienen, ist durch den Kauf von Navision massiv beeinträchtigt», so die Analysten vom Marktforschungsunternehmen Gartner Group. SAP hingegen gibt sich gelassen, der Markt sei gross genug für Microsoft und
SAP, so ein Firmensprecher. Die SAP-Aktien fielen innerhalb der letzten zwei Wochen um 20 Prozent.
Verrat an den Partnern?
Richtig eng wird es aber vor allem für die vielen Independent Software Vendors (ISVs) von
Microsoft. IT Reseller hat sich mit den Schweizer Software-Herstellern unterhalten. Eine solche Aktion seitens Microsoft haben alle erwartet. Es sei eine logische Folge amerikanischer Expansionsstrategie und nach der Akquisition von Great Plains der nächste Schritt für die Redmonder, auch im Applikationsgeschäft, besonders in Europa, Fuss zu fassen. Begeisterungsstürme löst Mr. Gates ERP-Channel-Attacke verständlicherweise aber nicht aus. Schliesslich haben die ISVs nicht gerade geringe Beträge in ihre eigenen Software-Entwicklungen investiert!
«Da Microsoft nunmehr als Marktmitbewerber auftritt, ist das Vertrauensverhältnis zu den ISVs, welches von Microsoft Schweiz mit viel Engagement aufgebaut worden ist, zerstört. Es wird kein IT-Segment mehr davor sicher sein, Microsoft schon am nächsten Tag als Konkurrenten betrachten zu müssen», so Ralph M. Stucki (erster von links), Leiter Sales and Systems Support, Rotron Software. «Microsoft wird nicht ruhen, bis alle Aspekte der IT von ihr kontrolliert werden. Dass Microsoft dabei nicht gerade zimperlich ist, hat das Kartellverfahren in den Staaten deutlich gezeigt», so Stucki weiter. «Ob mit dem Kauf von Navision eine Abkehr von Microsoft hin zu offeneren Systemen wie Linux eingeleitet wird, ist schwierig abzuschätzen. Es wird dem Kunden vorbehalten sein, hier zu entscheiden.»
René Krämer (zweiter von links), CEO Info Nova, versucht trotz Verärgerung, der ganzen Angelegenheit eine positive Note abzugewinnen: «Es wäre blauäugig gewesen, davon auszugehen, dass sich Microsoft an die Worte halten würde, welche Bill Gates und Steve Ballmer (z.B. anlässlich des Besuches im letzten Jahr in Zürich) mehrfach geäussert hatten: Man wolle keine eigenen Lösungen anbieten. Schon mit der Übernahme von Great Plains zeichnete sich eine solche Entwicklung ab, welche allerdings, wenigstens in Europa, kaum das Zeug dazu hat, eine Erfolgsstory zu werden.
Trotzdem, und das hat mich persönlich dann doch etwas erstaunt, langte Microsoft nochmals zu und holt sich ein Fusionsprodukt ins Haus, welches bei genauerem Hinsehen doch einige Fragezeichen aufwirft», so Krämer weiter. «Als Gold Certified Partner von Microsoft im ERP-Lösungsbereich sind wir von der Übernahme von Navision direkt betroffen und sollten eigentlich die Köpfe hängen lassen. Von Microsoft verschaukelt, bewegen sich die Gefühle zwischen Spott und Wut. Und doch können wir dem Deal durchaus positive Seiten abgewinnen, denn das, was jetzt passiert ist, bietet jedem seriösen, eigenständigen Lösungsanbieter wunderbare Argumente, um sich bei KMU-Betrieben noch besser positionieren zu können.
Man könnte es ja auch so sehen: Microsoft hat etwas für seine Lösungspartner getan und einen Anbieter aus dem Weg geräumt. Und aus der Navision-Perspektive: ein cleverer Schachzug, um sich den Fusionswirren mit Damgaard zu entziehen. Und freuen wir uns doch endlich auf künftige Business-Lösungen, welche sich an die Xbox anlehnen...»
Auch Hans R. Ryser (dritter von links), CEO von
Modan Software, sieht sich wenig überrascht und sagt für die Navision-Partner und -Kunden eher eine bewölkte Zukunft voraus:
«Die Übernahme eines weiteren grossen CRM-/ERP-Herstellers durch Microsoft ist für mich nicht überraschend. Seit dem Kauf von Great Plains war klar, dass sich Bill damit nicht zufrieden geben würde. Leidtragende werden die Navision-Käufer sein, denn ihre Lösung wird kaum längere Zeit gepflegt werden. In Kürze wird ein Microsoft-Produkt kommen und die Anwender vor die Wahl stellen. Auch die Navision- Partner sollten sich gut überlegen», warnt Ryser, «ob sie mit Microsoft mitschwimmen wollen. Es sieht zwar im Moment angenehm aus, könnte aber bald einmal zur Falle werden...»
Die (zu) Gelassenen
Peter Sidler (vierter von links), Marketingleiter von Winware, erwartet für das Unternehmen unmittelbar keine Konsequenzen: «Unsere Zielgruppe ist der am wenigsten gesättigte Markt der KMUs mit 1–20 PC-Arbeitsplätzen. Hier sind wir etabliert und dominant. Dem gegenüber ist Navision durch ihre Organisations- und Vertriebspartnerstruktur sowie durch die Eigenschaften ihrer Produkte eher oberhalb angesiedelt. Dies zu ändern könnte sich als schwierig erweisen, denn es hat sich in der Business-Software-Branche schon oft gezeigt, dass die Erschliessung einer zusätzlichen tieferen Zielgruppe viel schwieriger ist als einer oberen.»
Auch Roland Renggli (dritter von rechts), Geschäftsführer
Simultan, ist nicht beunruhigt. Kurzfristig werde sich nicht viel ändern, so Renggli, mittelfristig gesehen wird sich die ganze Branche verändern, was nicht unbedingt negativ sein muss. Zuerst müssten die Grossen aber beweisen, dass sie den Mittelstand wirklich bedienen können.
Markus Meister (zweiter von rechts), Marketingleiter
Cashman Zug, sieht der Übernahmeankündigung gelassen entgegen. Niemand könne die Bedürfnisse und Wünsche eines Schweizer KMU so gut verstehen und schnell umsetzen wie ein Schweizer KMU. «Der europäische und amerikanische Markt kann kaum mit der Schweizer Unternehmensstruktur gleichgesetzt werden. Auch ist ‹Micro-Visions› KMU-Definition kaum mit der allgemein verständlichen Schweizer Definition eines KMU zu vergleichen. Andere Märkte, andere Regeln.»
Philip Sander (erster von rechts), Managing Director Filenet Switzerland & Austria, schliesslich will sich der Konkurrenz furchtlos stellen: «Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass es heute nicht mehr zu umgehen ist, sowohl mit wie auch zwischendurch gegen die weltweit grössten vier Software-Anbieter anzutreten. Der sowieso schon rasante Konzentrationsprozess wird durch die Microsoft-Refokussierung allerdings noch vehementer vorangetrieben.» (sk)
Claudio Hintermann, Chefstratege von
Abacus, fasst die Problematik in folgender Fabel zusammen:
Ein Skorpion hatte Hunger. Nachdem er um sich herum bereits alles aufgefressen hatte, bemerkte er, dass es am anderen Flussufer noch mehr Futter gab. Allerdings konnte er nicht schwimmen. Während er nach einer Lösung suchte, erblickte er plötzlich einen Frosch:
Der Skorpion fragte den Frosch: «Frosch, kannst du mich nicht auf deinen Buckel nehmen und auf der anderen Uferseite absetzen?»
Darauf der Frosch: «Ich bin doch nicht blöde, du wirst mich mit deinem Giftstachel stechen, und ich werde sterben, und als Dreingabe wirst du mich auffressen.» Der Skorpion erwiderte: «Fröschlein, überleg dir doch das Ganze nochmals. Falls ich dich unterwegs stechen würde, würden wir gemeinsam ertrinken, ich aber will am anderen Ufer einfach nur futtern.»
Der Frosch überlegte: «Hey, stimmt, klingt ganz logisch, also werde ich dir mal helfen.» So begab sich das ungleiche Paar gemeinsam ins Wasser, der Frosch mit dem Skorpion auf dem Buckel. Als sie in der Mitte des Flusses angelangt waren, sticht der Skorpion plötzlich den Frosch.
Der Frosch wimmert im Todeskampf: «Skorpion, wieso hast du das getan?» Der Skorpion zuckte mit den Skorpionenachseln: «Sorry, Frosch,ich konnte einfach nicht anders...»
Und die Moral von der Geschichte ist:
a) Ein Argument eines Skorpions scheint mitunter ganz logisch zu sein, aber ein Skorpion bleibt immer ein Skorpion.
b) Ein Frosch kann mitunter logisch denken, aber man muss schon ein Frosch sein, um zu glauben, was ein Skorpion sagt.
c) Das Ganze ist eine Fabel. Wie bei einem Hollywood-Film ist jede Ähnlichkeit zwischen Fröschen und Skorpionen einerseits und existierenden Firmen andererseits rein zufällig.