IT Reseller: Herr Peter, man spricht schon seit langem über konvergente Lösungen und Voice over IP. Der oft angepriesene Boom blieb aber bislang aus. Wie läuft das Geschäft mit VoIP bei Ihnen?
Roger Peter: Wir sehen den viel versprochenen Erfolg auch nicht — noch nicht. Dass eine Firma ganz auf VoIP umgerüstet wird, ist mir noch nie begegnet. Was heute gemacht wird, sind Gemischtbetriebe, z.B. Vernetzungen über Backbone-Lösungen, etwa dass man zwei Meridiane mit IPLC-Karten vernetzt. Oder man rüstet abgesetzte Standorte, Aussenlager etc. mit VoIP aus und bindet die Anschlüsse über Standleitungen an eine herkömmliche Lösung an.
ITR: Haben Sie noch nie bei Firmen die ganze Telefoninfrastruktur auf VoIP umgerüstet?
RP: Nein, denn es ist ja vor allem eine Kostenfrage. In den Schweizer Firmen steht die Infrastruktur, es sind gute Kabel und an jedem Arbeitsplatz genügend Anschlüsse vorhanden. Wieso soll heute eine Firma IP-Telefonie einfach ausprobieren? Einen Verkaufserfolg sehe ich erst, wenn VoIP Leistungsmerkmale erbringt, die nur noch über IP gelöst werden können.
ITR: Wieso ist VoIP teurer als herkömmliche Telefonie?
RP: Wenn man die Hardware vergleicht, ist VoIP nicht wesentlich teurer. Aber das Installieren und Programmieren und der Support sind massiv teurer. Ein Meridian-Programmierer kostet auf dem Markt zwischen 90 und 160 Franken die Stunde. Einen Netzwerktechniker findet man nicht unter 160 Franken und schneller im Programmieren ist er deswegen nicht.
ITR: Aber Hersteller argumentieren doch damit, VoIP-Lösungen seien einfacher zu mutieren, man bräuchte nicht immer einen Techniker wie bei alten PBX-Systemen und man könnte dadurch Kosten sparen.
RP: Ach was, das widerspricht doch der Praxis. Überlegen Sie, wie oft ein Mitarbeiter überhaupt seinen Arbeitsplatz wechselt. Nehmen wir ein KMU mit einem Mitarbeiterbestand von 25 bis 50 Leuten. In einem solchen Unternehmen gibt es vielleicht pro Jahr zwei oder drei neue Mitarbeiter oder gleichviele, die den Arbeitsplatz wechseln. Jemand müsste sich also alle sechs Monate wieder in die Software einarbeiten.
Dazu braucht man zu lange und lässt lieber jemanden kommen. Gerade im KMU-Bereich ist es trügerisch, selbst Mutationen vorzunehmen, weil oft auch der technische Support fehlt. Irgendjemand — von der Buchhaltung zum Beispiel — macht noch etwas EDV, Serverwartung und Datensicherung und sollte sich noch zusätzlich mit einer Telefonsoftware herumschlagen. Für uns ist das ein Vorteil, weil wir davon leben. Aber dieses Hersteller-Argument ist trügerisch und zählt für mich nicht.
ITR: Wieviele VoIP-Projekte hat Elektro Peter denn schon realisiert?
RP: Unser grösstes Projekt mit 400 Arbeitsplätzen für die Schweizer Niederlassung der Deutschen Bank ist ein Trading-System der Firma IPC, das an eine
Nortel Meridian-Plattform angebunden ist. Nortel-Projekte auf VoIP-Basis sind es mittlerweile neun mit total ca. 200 Arbeitsplätzen in den letzten vier Jahren.
ITR: Das sind also zwei VoIP-Projekte pro Jahr. Noch nicht gerade berauschend. Was gibt es ausser dem Preis noch für Gründe, die den Durchbruch bremsen?
RP: Neben dem preislichen Aspekt muss oft eine Reduktion der Leistungsmerkmale in Kauf genommen werden. Auf Teamtasten, Linienwähler, Mehrleitungsapparate musste man bisher verzichten. Heute, mit den neuen Releases von Nortels Succession-Lösungen, ist dieses Problem gelöst.
Hinzu kommt, dass viele Firmen zusätzlichen Broadcast auf ihrem Netzwerk scheuen. Die IT-Verantwortlichen haben schon andere, z. B. zeitkritische Probleme mit Applikationen.
Oder nehmen wir öffentliche Ausschreibungen. Da geht es erstens um die Funktionalität und dann auch um den Preis. Sieger wird, wer das beste Angebot bezüglich Preis-Leistungs-Verhältnis macht. Und das ist im Moment sicher nicht eine IP-Lösung. Der Kanton Zürich z.B. fordert IP in der Vernetzung, nicht aber bei den Arbeitsplätzen. Wenn es bei einem solchen Kunden darauf ankommt, ob eine Lösung für 5,8 Mio. oder eine für 5 Mio. Franken gekauft wird, gewinnt die herkömmliche Telefonie. IP-Telefonie wird nur dort eingesetzt, wo Kosten eingespart werden können.
ITR: Vielleicht reden Sie mit den falschen Leuten, den Telefonie-Verantwortlichen. IT-Verantwortliche gelten doch als aufgeschlossen für VoIP-Lösungen.
RP: Das war einmal so. Heute werden Abgänge in IT-Abteilungen oft nicht mehr ersetzt, die Leute fehlen und zusätzlich sollte mit VoIP noch ein neues Produkt supportet werden. Man kommt bei VoIP-Lösungen aber nicht um die IT-Abteilungen herum. Und 80 Prozent der IT-Verantwortlichen sagen, sie hätten andere Probleme — z.B. regelmässige Microsoft-Upgrades (lacht). Die Leute sind nicht auch noch an VoIP-Problemen interessiert. IT-Leiter haben heute eine sehr grosse Macht in Grossfirmen und grossen KMUs.
Da wo die IT-Abteilung stark ist und genügend Leute vorhanden sind, ist man eher zu VoIP-Lösungen bereit. Wo dies nicht der Fall ist, beisst man auf Granit.
ITR: Was spricht denn eigentlich für VoIP-Lösungen? Will die Technologie überhaupt jemanden ausser den Herstellern?
RP: Sinnvoll ist es im Moment, wie ich zu Anfang sagte, an Aussenstellen, abgesetzten Büros, Lagern, wo man IP-Vernetzung und VPNs schon für die EDV braucht. Aber heute ist niemand daran interessiert, ganze Infrastrukturen in bestehenden Firmen zu ersetzen.
Was wäre das Argument? Geht das Telefonieren dann schneller zu? Nein! Ich denke eher, dass die Entwicklung Schritt für Schritt geht. Bei bestehenden Investitionen kann man zum Beispiel nach und nachfür neue Mitarbeiter anstatt digitalen Karten IP-Lizenzen kaufen. IP-fähige Anwendungen wie die von Nortel können nach und nach umgerüstet werden. Eine Nur-VoIP-Lösung hat da schon eher Probleme für den Einstieg. In 10 bis 20 Jahren wird die Voraussage vielleicht stimmen, dass 80 Prozent aller Telefonanlagen VoIP-Anlagen sein werden. Nortel sieht ja auch erst ab 2006 den grossen Anstieg kommen.
ITR: Was ist mit dem Verkaufsargument, dass VoIP eine Applikation mit unzähligen Features ist?
RP: Schauen Sie sich mal an, was heute ein User in seinem Telefon gespeichert hat. Obwohl man schon seit Jahren Apparate mit 20 Tasten und Speichermöglichkeiten hat, werden diese meistens nicht genutzt. Da soll mir jemand sagen, die Applikationen seien das grosse Bedürfnis. Bei Callcentern ist es etwas ganz anderes.
Wir kennen z.B. das
Sunrise Callcenter, das wir supporten. Aber da ist vor allem die Ausfallsicherheit wichtig. Deshalb hat man zwei Plattformen. Man hat zwar all die schönen Anwendungen, aber man kann ein herkömmliches, nicht-VoIP-Callcenter auch dann betreiben, wenn das System unten ist. Dann kann man immerhin Anrufe entgegennehmen und auf das technische Problem hinweisen. Bei einem reinen VoIP-Callcenter heisst es in einem solchen Fall: «Der Teilnehmer ist nicht erreichbar.»
ITR: Sie sind nicht wirklich ein VoIP-Fan?
RP: Ich bin vor allem etwas nicht: Jemand, der einem Kunden was vormacht. Ich bin dann ein VoIP-Fan, wenn die Anwendung Sinn macht.
(Interview: Markus Häfliger)