Low-cost Instant-Consulting an der Orbit/Comdex

Die Orbit/Comdex experimentiert mit neuen Messeformen. So gibt es mit dem «Buyers Club» eine Art Low-cost-Consulting. Beteiligte sprechen von einem Experiment.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/16

     

«Die Messen werden sich wandeln», ist sich Bernd Schuster von der Messe Basel bewusst. «Die Zeiten der klassischen Messen mit Verkaufsständen sind vorbei, alle Beteiligten müssen neue Möglichkeiten suchen.» Als eine der neuen Möglichkeiten experimentiert die Orbit/Comdex zusammen mit drei Partnern mit einer Art von Low-cost Instant-Consulting, dem «Enterprise IT Buyers Club». Die Partner sind die Zürcher PR-Agentur L&W Marcom, die Marktforschungsfirma Giga Group und der Zürcher Systemintegrator Systor.
Im «Buyers Club» werden einerseits täglich sogenannte «Power Sessions» zu Themen wie Kommunikation eines Kaufentscheides, Collaborative Commerce und EAI, IT Outsourcing, Security und E-Business angeboten. Dies sind halbstündige Experten-Roundtables, jeweils gefolgt von Diskussionsrunden. Die Teilnahme ist kostenlos, Anmeldung aber Voraussetzung.
Andererseits kann man sich für 190 Franken eine halbe Stunde beraten lassen. Ist IT-Consulting in 30 Minuten nicht illusorisch? Schuster: «Die Beratung hat eher die Funktion, die Aufgabenstellung des Gesprächspartners auf den Punkt zu bringen. In einer halben Stunde findet man sicher nicht eine Problemlösung. Aber sie kann mithelfen, dass der Kunde sicherer ins Gespräch mit einem Aussteller geht.»
Systor-Sprecher Dominik Marbet auf die Frage, ob Systor damit ins Discount-Consulting einsteige: «Sicher ist der Preis sehr attraktiv. Doch für uns ist es eine Möglichkeit, neue Kundschaft kennenzulernen.» Primär aber, so der Sprecher des Banken-Spezialisten, biete der «Buyers Club» Systor die Gelegenheit, sich als End-to-end-Anbieter von IT-Dienstleistungen zu profilieren. Ein Unterfangen, das mit einem einfachen Stand an der Orbit eben nicht möglich sei.

Non-Profit-Projekt
Den Verdacht, die schrumpfende Orbit/Comdex versuche mit dem «Buyers Club» einfach noch ein paar Fränkli aus der Messe herauszupressen, weist Schuster von sich. Die Idee einer solchen Plattform ist gemäss Schuster im Gespräch mit der Giga Group entstanden. Daraufhin habe die Orbit/Comdex Systor angefragt.
Die Messe plane sicher nicht, mit dem «Buyers Club» Geld zu verdienen. Die drei Partner der Messe würden sich zwar an den Kosten beteiligen, doch decken diese Beiträge die Gesamtkosten nicht. Die 190 Franken, die allfällige Kunden für die Kurzberatung ausgeben, werden nicht über die Messe abgerechnet, sondern von der Giga Group respektive Systor und L&W Marcom direkt verrechnet.

Unaufgeregte Konkurrenz

Doch was meinen Aussteller, die für ihre Stände immerhin viel Geld in die Hand nehmen, zum Experiment «Enterprise IT Buyers Club»? Grosse Wellen hat der Käuferclub auf jeden Fall nicht geschlagen – die meisten Aussteller, mit denen wir sprachen, haben erst durch uns überhaupt davon erfahren.
Dominik Stöckli von Deloitte Consulting beispielsweise ist nicht beeindruckt. Der Messeauftritt diene der Kontaktpflege mit bestehenden Kunden – eine Konkurrenz sieht er im Buyers Club nicht. Auch Claudio Hintermann vom Aussteller Abacus hat vom Experiment noch nie gehört. «Beraten die auch zum Thema Finanzsoftware?» will er wissen. Und überhaupt: Die Messe würde besser Physiotherapie und Massage für die geplagten Aussteller, die sich die Füsse in den Bauch stehen, anbieten. Sollte sich die angebotene Beratung im Käuferclub aber als potentielle Konkurrenz herausstellen, hätte der Abacus-Chef gar keine Freude: «Das würde es uns noch einfacher machen, das nächste Mal auf den Orbit-Auftritt zu verzichten.»
Daniel Hinz, Marketing-Chef von T-Systems, glaubt nicht, dass sich potentielle T-Systems-Kunden zu Konkurrent Systor im «Buyers Club» verirren könnten. «Unsere Kunden haben ein hohes Know-how. Sie werden das Angebot nicht benützen wollen.»
Einzig Marketing-Mann Stefan Forster von Bison Solution hat sich schon näher mit dem «Buyers Club» auseinandergesetzt. Forster: «Grundsätzlich finde ich es gut, dass die Orbit/Comdex neue Wege geht. Schade ist nur, dass die Schweizer Software-Hersteller immer am Schluss kommen. Vielleicht wäre es besser, wenn sich Interessenten der Reihe nach je eine halbe Stunde mit kompetenten Vertretern der Software-Hersteller unterhalten könnten?» schlägt Forster vor. Um die Neutralität der angebotenen Beratung macht sich Forster auf jeden Fall wenig Sorgen: «Jeder Consulter ist in einem Netzwerk eingebunden und deshalb nie ganz neutral.» (hc)

In die richtige Richtung

Als wir erstmals vom «Buyers Club» hörten, witterten wir einen klassischen Konflikt. Auf der einen Seite Systor-Leute als «neutrale Berater», auf der anderen Systor-Konkurrenten als Aussteller. Doch offensichtlich sieht man dem «Buyers Club» gelassen entgegen, ein Konflikt lässt sich nicht ausmachen.
Tatsächlich geht die Orbit/Comdex mit dem «Buyers Club» in die richtige Richtung. Dem Besucher sollen kostenlose oder günstige Dienstleistungen geboten werden, die er anderswo in dieser Form nicht findet und die «Lebenshilfe» bieten. Falls sich tatsächlich die richtigen Leute zu den «Roundtables» angemeldet haben, könnten diese zum Erfahrungsaustausch unter den Orbit-Besuchern genutzt werden.
Skeptischer sind wir bezüglich der «One-to-one-Gespräche». Auch den hochqualifizierten Beratern von der Giga-Group und von Systor wird es sehr schwer fallen, in wenigen Minuten die Ausgangslage und Problematiken eines Kunden zu verstehen und dann in nützlicher Frist konkrete Aussagen zu machen. Und von Schlagworten dürften doch die meisten IT-Kunden heute genug haben.
Doch lassen wir uns überraschen. Interessant ist das Experiment mit dem «Buyers Club» allemal.
Christoph Hugenschmidt


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER