Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und wie immer um diese Zeit stellt sich die Frage, wie es wohl mit dem Lohn für das nächste Jahr bestellt ist. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage der UBS nicht allzu rosig: Um gerade einmal 1,3% sollen die Löhne im Durchschnitt über alle Branchen steigen. Diese trüben Lohnaussichten stehen in direktem Zusammenhang mit dem Pessimismus, der in den Schweizer Unternehmen für 2003 herrscht.
Im IT-Bereich aber sehen die Lohnprognosen bei weitem nicht so düster aus wie in anderen Branchen. Satte 2,4% sollen die IT-Löhne steigen und damit, so die UBS, im selben Ausmass wie auch die Saläre in der Telekommunikationsindustrie.
Die Zeitschrift InfoWeek wollte es genauer wissen und hat eine Reihe von Schweizer Grossfirmen mit Fragen zu den IT-Löhnen 2003 konfrontiert.
2003 – das Nullrunden-Jahr
«Aufgrund der aktuellen Situation bei ABB gilt für die Schweiz bis Ende 2003 ein Lohn-Freeze – also eine Nullrunde. Ausnahmen sind durch den Personalchef der ABB Schweiz zu bewilligen», zerstört Lukas Inderfurth, Leiter Medienstelle ABB Schweiz, alle Hoffnungen der Mitarbeiter auf mehr Lohn.
Doch es könnte die IT-Spezialisten noch schlimmer treffen. Bei
Unisys beispielsweise wird im nächsten Jahr gar weniger ausbezahlt. Rolf Jenni, Leiter Personal Unisys Schweiz: «Der Durchschnittslohn wird sinken.» Hoffnungen dürfen sich die Unisys-Angestellten trotzdem machen: «Wir planen individuelle Lohnanpassungen. Als Massstab für diese Anpassungen dienen der Marktvergleich, interne Quervergleiche, die Funktion, die Leistung und das gesamte Lohnbudget», informiert Jenni weiter.
Leistung zählt stärker
Besser haben es Microsoft-Mitarbeiter. Bereits im Juli, als die Gehaltsrunde stattfand, wurden die Gehälter im Schnitt um 3,7% erhöht. Dies stützt die positiven UBS-Zahlen zur IT-Industrie. «Unser Budget war 4,2%. Die noch nicht ausgeschütteten 0,5% werden wir im Laufe des Jahres brauchen», so Beat Schwab, Human Ressources Manager bei
Microsoft.
Auch beim Chemie-Multi Roche geht’s mit dem Salär aufwärts. «Roche erhöht in der Schweiz die Lohnsumme per 2003 um 2,5%. Dies gilt für alle Abteilungen inklusive der IT», kann Roche-Mediensprecher Baschi Dürr bekanntgeben.
Die Entwicklung der Lohnsituation, so bekräftigen praktisch alle Befragten, hänge nicht von der Funktion und Hierarchiestufe des Mitarbeiters ab. Vielmehr zähle die Leistung, so der allgemeine Tenor. Bei Kuoni jedoch gibt es eine gewisse Differenzierung, so Koni Iten, CIO bei Kuoni Reisen: «Tiefere Löhne werden eher angepasst. Höhere, ab zirka 7000 Franken im Monat, aber nur sehr gezielt.»
Massive Bonuskürzungen
Praktisch alle Firmen, die Boni zahlen, kürzen diese – teils sogar massiv. Bei der ZKB beispielsweise werden die Boni im Vergleich zum Vorjahr im besten Fall maximal 50% betragen. Ins gleiche Horn stösst Renata Tschudi von den Winterthur Versicherungen: «Falls ein Bonus ausbezahlt werden kann, wird er sicher um einiges geringer ausfallen als im letzten Jahr.»
Bei einer anderen Versicherung, der Allianz Suisse, sind keine Kürzungen der Bonuszahlungen im Vergleich zum Vorjahr geplant, und auch
Microsoft spricht derzeit nicht von weniger Bonus. Dieser sei unter anderem vom erwirtschafteten Umsatz und von der Leistung jedes einzelnen abhängig. Das Bonusbudget wird bei Microsoft in diesem Jahr in etwa gleich bleiben.
Ungerechtigkeiten ausgleichen
Einige der Schweizer Grossunternehmen müssen eingestehen, dass in den Boomjahren Ende der 90er-Jahre IT-Löhne teils zu hoch angesetzt wurden. Nun leiden die Firmen unter diesen Angestellten mit einem zu hohen Zahltag – sie geben aber auch Gegensteuer. Dazu Daniel Fleuti, Pressesprecher der Zürich Versicherung: «Bei IT-Kräften, bei denen in den Boomjahren die Löhne sehr hoch angesetzt wurden, sind heute selektive Anpassungen in Einzelfällen möglich.» Ähnliches hört man von der ZKB: «Teilweise wurden die Löhne zu hoch angesetzt. Korrekturen finden vor allem bei Freelancern statt, die entweder abgebaut oder in den Betrieb integriert werden.»
Rolf Jenni von
Unisys sieht die Situation so: «Eine stetige Nivellierung der IT-Löhne ist seit einigen Jahren spürbar. Lohnkonflikte kann es im internen Quervergleich bei Einstellungen geben. Es empfiehlt sich deshalb, eine klar propagierte Lohnpolitik kontinuierlich anzuwenden.»
Überangebot
Dagegen ist das derzeitige Überangebot an IT-Fachkräften für gewisse Firmen ein Grund, die Löhne zu drücken, auch wenn dies niemand so direkt zugeben will. «Die Löhne werden den Leistungen der Mitarbeiter, den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Unternehmung, sowie der Lohnmarktentwicklung angepasst. Damit fliesst eine allfällige Überflusssituation auch in die Lohnentwicklung ein», druckst Daniel Fleuti von der Zürich herum.
Etwas konkreter wird man bei
IBM: «Ein Überfluss an Fachkräften kann natürlich den Markt beeinflussen.» Die ZKB gibt unumwunden zu: «Bei Neuanstellungen in Bereichen mit Arbeitskräfte-Überfluss sinken die Löhne tendenziell.»
Spezialisten gefragt
Zu guter Letzt wurde von InfoWeek abgeklopft, in welchen IT-Bereichen die Unternehmen im nächsten Jahr eine Verknappung bzw. Überfluss an verfügbaren Fachkräften auf dem Markt sehen.
Hier lassen sich klare Trends erkennen: Spezialisten sind und bleiben Mangelware, Internetprofis sind auch im nächsten Jahr wenig gefragt, und auch Leute aus dem Supportbereich dürften Probleme haben, einen neuen Job zu finden.
Bei Roche herrscht beispielsweise ein Mangel an Fachkräften aus den Bereichen Pharma Process & Business sowie IT Concept & Technology. Bei
Unisys sieht man eine Verknappung der Fachkräfte für den Verkauf von komplexen Lösungen und in der Beratung für Outsourcing und IT Economics.
Bei den Winterthur Versicherungen geht man von einem Überangebot von Internetspezialisten und von Software-Entwicklern aus. Im Internetbereich sieht auch die ZKB mehr als genügend Fachkräfte im Markt, dafür dürften Spezialisten in Bereichen wie
SAP und Siebel auch weiterhin sehr gesucht und gut bezahlt sein.
Einen Mangel an SAP-Spezialisten sieht man auch bei Kuoni, während es im Bereich Client/Server tendenziell eher einfacher sein dürfte, Mitarbeiter zu finden. Auch die Allianz Suisse prognostiziert einen Überfluss im PC-Support-Bereich, ist aber der Meinung, dass gut ausgebildete Informatiker mit einer gewissen Berufserfahrung laufend gefragt sein werden.
Für Spezialisten mit einem gutem Background scheint die Lage auf dem Arbeitsmarkt also nicht so angespannt zu sein, wie es der Zustand der IT-Industrie vermuten lassen würde. So stellt Beat Schwab von
Microsoft zum Abschluss fest: «Gute Leute auf einem hohen Level mit zusätzlichem Entwicklungspotential sind eigentlich immer gefragt.»
Der Autor
Marcel Wüthrich ist Redaktor bei der Zeitschrift InfoWeek.