«Wir sind ein Unternehmen der Halbleiterindustrie und wollen es auch bleiben», lautete die Antwort von Pat Gelsinger (Bild) auf die Frage eines Kollegen, ob
Intel sich nicht selbst um die Entwicklung der nächsten Killerapplikation kümmern sollte.
Was bei anderen Unternehmen einer Beschränkung des Geschäftsfeldes gleichkäme, ist bei Intel lediglich Ausdruck selbst gewählter Arbeitsteilung. Möglichkeiten für neue Produkte und Applikationen bietet man der Industrie nämlich reichlich.
Veränderungen auf dem Schreibtisch
Wie von
Intel inzwischen gewohnt gibt es auch in diesem Jahr einen Leistungszuwachs bei den Desktopprozessoren. Flaggschiff ist der noch unter dem Kodenamen Prescott geführte erste 90nm Pentium4, der für das letzte Quartal 2003 erwartet wird. Mit einer Taktrate von voraussichtlich 3,6 GHz, 800 MHz Front Side Bus und auf 16 KB und 1 MB verdoppelten L1- und L2-Cache sind durch Prescott neue Bestmarken bei der Performance zu erwarten.
Doch auch bei den kleineren Taktraten tut sich einiges. So wird die Hyperthreading-Technologie dank der spürbaren Performancegewinne entgegen der ursprünglichen Ankündigung schon in CPUs ab 2,4 GHz verfügbar sein. Dazu kommen zwei neue Chipsatzfamilien, die die Nachfolge der etwas betagten i845 und i855 Modelle antreten.
Doch auch konzeptionell beschreitet Intel neue Wege. Ab 2004 will man der Monitorindustrie helfend unter die Arme greifen, indem man «dual-independent-display»-Funktionalität in fast alle Chipsätze integriert. Das «Marble Falls» getaufte Projekt soll die Arbeit in allen Bereichen, in denen Datenakkumulation und -Wiedergabe gleichzeitig geschehen müssen, deutlich erleichtern. Der Splitscreen, wie er schon heute möglich ist, scheitert in der Praxis all zu oft an den Kosten für entsprechend große Flatscreens.
Allerdings ist zu erwarten, dass es wohl mal wieder zuerst die PC-Spieler sind, denen die Vorteile getrennter Arbeitsoberflächen einleuchten. Ob sich ein weiteres Feature, die gleichzeitige Bereitstellung zweier getrennter Audiokanäle («dual-independent-audio»), in der Praxis durchsetzt, bleibt derweil abzuwarten. Prinzipiell könnte man so aber am PC arbeiten und die DVD für die Kleinen per PC auf dem Fernseher ausgeben.
Schöne, neue «digital home» Welt
Überhaupt ist die Vernetzung der heimischen Lebens- und – wenn es nach den Visionen Intels geht – auch Arbeitswelt eine der treibenden Kräfte der IT-Industrie. Dabei prophezeite Intels CEO Craig Barrett, dass, auch wenn viele es sich heute noch nicht vorstellen können, die Heimvernetzung ähnlich rasant und unaufhaltsam vonstatten gehen wird, wie zuvor die Vernetzung von Unternehmen.
Wäre der Effizienzgedanke die einzige treibende Kraft, würde das Konzept wohl scheitern, doch machte Pat Gelsinger, als CTO bei
Intel für technologische Konzepte zuständig, die Frage der Überalterung und Möglichkeit eines längeren selbstbestimmten Lebens zu seinem Thema. Selbst wer bei Homeentertainment noch zweifelnd mit dem Kopf schüttelte und an seinen geliebten analogen Plattenspieler dachte, musste anerkennen, dass im Bereich der Gesundheitsüberwachung sowie sprachgesteuerten Anwendungen ein riesiges Potenzial für eine stetig älter werdende Bevölkerung liegt.
Spätestens in den kleinen Diskussionsrunden mussten die Visionäre von Intel sich bohrenden Fragen zum Thema Datensicherheit stellen. Befürchtungen reichten von Datenmissbrauch durch Arbeitgeber bis zu Datenkorruption bei der Medikamentenabgabe. Da Security, mangels Fortschritten bei den laufenden Projekten, kein Thema auf dem IDF war, hatte Intel einen schweren Stand und konnte nicht wirklich überzeugen.
Das mobile Herz heisst Intel
Überzeugen konnte
Intel dagegen wieder, wenn es um die Weiterentwicklung mobiler Lösungen geht. Vom ersten für Handys konzipierten Prozessor, der Flashspeicher, CPU und Mobilfunkelektronik auf einem einzelnen «stacked» (gestapelten) Chip integriert, bis zur Laptop-CPU Pentium-M (vormals Banias), der neuen Generation, wurde den tragbaren Devices Beine, oder besser Bilder, gemacht. Besonders bei dem zusammen mit
Microsoft ausgeheckten ersten Smartphone auf Basis des Intel XScale-Prozessors hat man den Eindruck, telefonieren wäre nur noch eine sekundäre Funktion. «Ihr könnt parallel Musik hören und grafisch aufwendige Spiele auf dem Farbdisplay spielen», war die Kernbotschaft der Präsentation. Zumindest solange man nicht angerufen wird.
Ziel ist der nahtlose Übergang von Applikationen von der Displaygrösse eines Notebooks, über die diversen PDAs bis hin zum Handy. Hier leistete sich Intel denn auch die einzige Seifenblase der Veranstaltung. Denn die Anpassung der Software durch die Programmierer muss erst noch erfolgen, auch wenn vielen Geräten demnächst eine einheitliche Intel-Architektur zugrunde liegt.
Ob der dafür notwendige offene Gedankenaustausch sich gegen die Befürchtungen über eventuellen geistigen Diebstahl durchsetzen kann, ist zumindest sehr fraglich. Immerhin spielt die grosse Festung des Schweigens – Microsoft – eine kritische Rolle in diesem Prozess. Aber wie am Anfang beschrieben, Intel ebnet auf der technologischen Seite den Weg. Die Umsetzung obliegt dann anderen. Immerhin ist mit der Centrino-Initiative der Grundstein gelegt, um ein Markenbewusstsein wie mit «Intel Inside» bei Prozessoren auch für Notebooks zu schaffen.
Geschickterweise verkauft man mit Centrino jedoch nicht nur eine CPU, sondern gleich noch den zugehörigen Chipsatz und WLAN-Chip. Um das zu promoten, gibt es die grösste Marketinginitiative, die Intel je gestartet hat.
Es gäbe noch vieles, was es Wert wäre darüber zu berichten. 90 nm bei Mobilprozessoren, verbesserte integrierte Grafik, Serial-ATA, asynchrones Hyperthreading, Voice-over-IP, Granit Peak, «always on», «always best connected», «location aware computing» oder Brennstoffzellen für Mobilgeräte. Besser Zeit aufzuhören, bevor jemand annimmt, der Autor wäre gekauft. Wäre gar nicht notwendig, er ist tief beeindruckt. (tm)