Assemblierer-Roundtable: In den Unternehmen dabei, bei Consumern unter Druck

Schweizer Assemblierer haben wie alle IT-Unternehmen mit der Konjunktur zu kämpfen. Während sie sich im Unternehmensbereich gut behaupten, herrschen im Consumersektor heftige Preiskämpfe, die manchen dort tätigen Assemblierer unter Druck setzen: Am diesjährigen Assemblierer-Roundtable von IT Reseller diskutierten René Hedinger, Max Ochsner und Patrick Matzinger die Lage der Schweizer Assembliererszene.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/12

     

Teilnehmer v.l.n.r.: René Hedinger, COO Kanyon; Max Ochnser, CEO Dataset Technologies; Patrick Matzinger, CEO Littlebit Technology

IT Reseller: Bitte stellen Sie uns Ihre Firmen kurz vor.

René Hedinger: Meine Firma, der Value Added Distributor Kanyon, ist in Brüttisellen zu Hause. Wir haben heute rund ein Dutzend Mitarbeiter, teilweise auch Freelancer. Assemblierung ist ein Teil unserer Tätigkeit. Wir sind nicht im Consumerbereich tätig, sondern bauen für unsere Händler Business-PCs, Workstations und Server.
Dadurch wurden wir vom Einbruch im Consumerbereich in den letzten Monaten nicht so stark getroffen. Es gibt viele Händler, die bei uns die Systeme beziehen, die selbst nicht das Know-how haben oder keine grossen Stückzahlen erreichen. Ihnen bieten wir bei Bedarf Lieferungen an, auch Installation beim Kunden, gewisse Schulungen, Konfigurationen, Projektbegleitung usw.
Rund 40% unseres Umsatzes stammt aus dem Assembling. Hier können wir noch Marge generieren und Zusatzdienstleistungen verkaufen. Wenn ich einen HP-PC verkaufe, ist das, schlicht ausgedrückt, Box-moving.
Patrick Matzinger: Littlebit als solches wurde ursprünglich als Notebook-Hersteller gegründet. Im letzten November haben wir die Geschäftstätigkeit der SMG Karma übernommen und sind somit heute eigentlich ein Distributor.
Wir haben im Moment 33 Mitarbeitende und werden dieses Jahr, je nachdem wie sich das zweite Halbjahr entwickelt, 60 bis 70 Millionen Franken Umsatz machen. Unser Hauptgeschäft ist die Komponentendistribution, wo wir die ganze Bandbreite abdecken können, vom Consumer- über den Business- bis zum Serverbereich und den Spezialitäten, die in meinen Augen heute immer wichtiger werden.
Auf der anderen Seite haben wir unsere Eigenmarke, die Littlebit-Notebooks. Dieses Produkt positionieren wir eher im Businessbereich. Wir gehen davon aus, dass wir, je nachdem wie sich die Lage entwickelt, dieses Jahr zwischen fünf und sechstausend Notebooks verkaufen. Unsere Notebooks gehen nur über Reseller.
Max Ochsner: Der Hauptsitz der Dataset Technologies AG ist in Pfäffikon, wir haben ausserdem eine Niederlassung in Weisslingen und eine in Deutschland. Wir produzieren ausschliesslich Server- und Storage-Produkte. Im Storagebereich sind das RAID-Subsysteme und NAS-Systeme. Im Serverbereich geht es vom relativ einfachen 1U-Server bis zu Highend-Mehrprozessorsystemen. Wir verkaufen in der Schweiz sowohl direkt als auch über den Fachhandel.
Wir werden dieses Jahr, je nach Wirtschaftsentwicklung, irgendetwas zwischen 800 und 1000 Systemen produzieren. Ein weiterer Bereich unserer Tätigkeit, allerdings nur regional, ist der Netzwerkbau, und seit dem 1. Juni haben wir einen Vertrag mit Sunbay Software. Wir produzieren für sie die Server für die Netsnapper-Lösung (ermöglicht standortunabhängigen Datenaustausch auf allen verfügbaren Netzen zwischen mobilen Computern und Firmennetzen, Anm. der Redaktion) und haben den Vertrieb der Gesamtlösung an den Channel im europäischen Markt übernommen.

Auf, ab, auf und viele Offerten

Wie ist Ihre persönliche Sicht der IT-Konjunkturlage. Wie haben sich die Geschäfte in den letzten Monaten entwickelt?
Hedinger: Im Moment ist nicht unbedingt Land in Sicht, wenn man sich die Prognosen anschaut. Vom Umsatz her stehen wir eigentlich nicht schlecht da, aber die Marge schwindet immer mehr.
Also müssen wir immer mehr Umsatz generieren. Wir haben nun natürliche Abgänge nicht ersetzt. Das Schlimme ist aber, wir hätten eigentlich mehr Arbeit, wir bräuchten mehr Leute. Aber von der Margensituation her reicht es nicht, um noch zwei, drei Leute mehr einzustellen.
Ochsner: Dieses Jahr war aus meiner Sicht bisher ein ganz seltsames Jahr. Von Januar bis Mitte Februar lief es sehr gut, dann kam Ende Februar bis Ende April ein tiefes Loch. Da ging wirklich im Server/Storage-Bereich relativ wenig bis gar nichts mehr. Seit Anfang Mai zieht es jetzt wieder an, wir sind allerdings noch nicht dort, wo wir einmal waren. Was aber für uns interessant ist:
Wir haben noch nie so viele Offerten geschrieben wie in den ersten drei Monaten dieses Jahres. Und interessanterweise sind 90% dieser Offerten nicht «bachab» gegangen, sondern die Leute tauchen jetzt auf und sagen: «Ihr habt doch anfangs Jahr eine Offerte abgegeben.» Und: Wir hatten eigentlich nie einen Preisdruck.

Kein Preisdruck?

Ochsner: Ja, das hat mich wirklich erstaunt. In der ganzen letzten Zeit. Wenn einer gekauft hat, war der Preis eigentlich kein Thema. Wir haben nie unsere Kalkulationen oder unsere Margen verändert.
Der Kunde hat Projekte verschoben, weil er kein Geld für die Investition hatte. Und wenn er das Geld hatte, hat er gekauft ohne Druck aufzusetzen.

Matzinger: Sie haben natürlich auch ein einzigartiges Produkt...

Ochsner: Ja, das ist vielleicht schon ein Unterschied. Wir machen sehr viele Spezialanfertigungen, gerade im Serverbereich. Zu uns kommen zum Beispiel Hochschulen, die ganz bestimmte Lösungen haben müssen, auch mit ganz bestimmten Komponenten.
Hedinger: Da kann ich nur beipflichten. Im Serverbereich und bei Spezialanfertigungen herrscht kein so grosser Preiskampf. Auch gegenüber dem Mitbewerb. Der Kunde sagt, was sein Bedürfnis ist, und aufgrund dessen machen wir die Offerte. Und auch wenn er die Preise vergleicht, Server von einem Assembler sind nach wie vor im Endeffekt günstiger als die von A-Brands.
Matzinger: Wir haben genau das gleiche erlebt wie Dataset. Wir hatten einen sehr guten Januar, und etwa von Februar bis Mitte Mai sind wir auf einen Level gefallen, von dem wir gerade noch leben konnten. Aber erfreulicherweise haben wir etwa seit Mitte Mai 20 bis 30% mehr Umsatz, er ist sehr schnell gestiegen, und im Moment kommen wir fast nicht nach, was natürlich schön ist.
Wir haben jetzt auch diverse Projektanfragen von Händlern, mit denen wir kleine, mittlere, manchmal auch etwas grössere Notebookgeschäfte machen können. Aber es ist natürlich schwierig zu beurteilen, ob die Entwicklung in den letzten paar Wochen wirklich nachhaltig war. Der Sommer kommt ja erst noch.

Gestiegene Akzeptanz in Unternehmen

Ochsner: Was mir wichtig scheint: Seit den letzten vielleicht 15 Monaten können wir Kunden beliefern, die früher nie bei einem Assemblierer eingekauft hätten. Bei den Servern ist der Trend weg von den Grossen hin zu den Assemblierern – gerade wegen ihrer Flexibilität – ist aus meiner Sicht in letzter Zeit relativ stark. Ich habe Kunden, denen hätte ich vor zwei Jahren von einem Dataset-Server gar nicht zu erzählen brauchen. Die hätten gesagt, IBM, HP oder Compaq, vergiss den Rest. Heute ist das gar kein Thema mehr, im Gegenteil.

Matzinger: Der Markt ist heute wirklich offener geworden.

Ochsner: Das hat einerseits mit den Preisen zu tun. Denn auch wenn wir eine solide Marge einrechnen, sind wir in vielen Bereichen billiger als die Grossen. Vieles braucht der Kunde ja auch nicht. Eine grosse IT-Abteilung in einem Unternehmen will keinen On-Site-Service, der sowieso mitbezahlt werden muss. Bei uns ist er fakultativ.
Hedinger: Viele wollen auch keine fremden Leute im Haus. Das ist ein Argument, dass ich oft höre, gerade wenn sie sensible Daten haben.

Marktanteile verloren?

Nun berichten aber Marktforscher, dass Schweizer Assemblierer in den letzten Monaten massiv Marktanteile verloren hätten.
Hedinger: Also im Businessbereich glaube ich nicht, dass wir stark Marktanteile verloren haben. Vielleicht wurde die Beschaffung etwas zurückgefahren, aber von einem Einbruch kann nicht die Rede sein. Ich frage mich, wie stark der Businessbereich respektive der Consumerbereich auf der anderen Seite in die Zahlen einfliessen.
Im Consumerbereich herrscht natürlich momentan ein grosser Kampf. Es gibt gewisse Mitbewerber auf dem Markt, von denen ich mir schon vorstellen kann, dass sie unter massivem Druck seitens der Konkurrenz stehen.

Mitbewerber, die auch im Consumerbereich tätig sind?


Hedinger: Ja, genau. Das hört man in der Szene.

Jetzt ist es natürlich schade, dass wir heute keinen Assemblierer aus dem Consumerbereich hier haben.
Hedinger: Wir haben ja auch Händler, die neben Business-PCs zusätzlich Consumer-PCs verkaufen. Früher hatten sie fünf bis zehn Leute im Laden, heute machen sie es zu dritt. Ich glaube es ist wirklich der Consumermarkt, der eingebrochen ist. Man sieht doch, wie Mediamarkt zulegt, wie Interdiscount zulegt, wie Portable-Shop die Preise «verreisst» und teilweise unter dem Gestehungspreis verkauft.

Kritik an der Marktforschung

Matzinger: Ein Punkt, den ich immer kritisiert habe ist der: Lange Zeit hat man davon geredet, dass der Schweizer Assemblermarkt gar nicht existiere oder rückläufig sei. Plötzlich, vor zwei Jahren, begann man davon zu reden, dass er wächst. Das sind Aussagen, die ich so nie unterstützen konnte.
Fakt ist, dass man bis vor zwei, drei Jahren den Markt falsch eingeschätzt und von ganz falschen Zahlen ausgegangen ist. Das heisst, das Wachstum, von dem man in den letzten zwei Jahren gesprochen hat, hat meiner Meinung nach nicht existiert. Dieses Volumen war schon immer da, und von dem haben wir ja auch gelebt. Vor zwei Jahren hat man angefangen, die Situation besser zu analysieren.
Man hat angefangen, die Player im Markt überhaupt zu bemerken. Vorher war der Markt in der Schweiz ja auch sehr fragmentiert. Es gab etwa 100 mittelgrosse und grosse Assemblierer, mit einer Jahresproduktion von je ein paar Hundert bis ein paar Tausend Stück. Heute gibt es kein Mittelfeld mehr. Es gibt nur noch die Kleinen, die ein paar Stück im Monat machen und die Grossen. Und die grossen Player wurden dann auf einmal sichtbar.
Mit Sicherheit hat der Markt insgesamt stagniert. Und gerade eine HP hat seit dem Merger über ihre Aggressivität im Consumermarkt natürlich einiges gewonnen. Ich habe auch gesehen, dass einige unserer Assembler-Kunden sich sagten, den Preiskampf wollen wir nicht mehr mitmachen, und sich auf Nischen und Spezialsachen verlegt haben.
Die meisten Assembler profilieren sich heute über Qualität und Spezialisierung und nicht über die absolute Masse. Es kann tatsächlich sein, dass die Stückzahlen zurückgegangen sind, aber Erträge oder Umsätze, würde ich sagen, sind eher gestiegen, weil man heute speziellere, teurere Sachen verkauft.
Ochsner: Aber um noch mal auf die Zahlen zurückzukommen, auch ich bezweifle ihre Richtigkeit. Ich frage mich, worauf sie basieren. Dataset existiert seit sieben Jahren, und ich habe zum Beispiel von Robert Weiss noch nie einen Fragebogen erhalten. Ich bin sicher nicht der einzige in der Schweiz, der seine Zahlen nicht abgibt, oder nicht abgeben kann, weil er nicht gefragt wird.

Notebooks als Chance?

Im Notebook-Bereich haben Assemblierer bisher keine grossen Stricke zerrissen. Wie beurteilen Sie die Pläne von Intel, auch kleineren Assemblierern den Bereich der Notebooks zu eröffnen?
Matzinger: Der Punkt ist, bei den Notebooks gibt es einen klaren Unterschied zu PCs. Sie beinhalten nur drei oder vier standardisierte Komponenten. Der Rest ist Hersteller-spezifisch. Wenn man da nicht einen bestimmten Status beim Hersteller oder bei einem Zwischenlieferanten hat, dann hat man spätestens beim Service mit den Ersatzteilen ein Problem. Bei Notebooks kann man nicht irgendein Ersatzteil nehmen, wenn ein Motherboard kaputt ist.
Die Idee Intels ist, dass sie den Centrino-Markt nicht den A-Brands allein überlassen wollen. Intel hat sich zwei Hersteller ausgesucht, mit denen sie dieses Programm jetzt in England machen. Diese Hersteller beliefern die spezifischen Distis, und der Disti bietet das Programm dann dem Assembler an.
Grundsätzlich aus unserer Sicht als Disti und als Assembler und Know-how-Träger im Notebook-Business ist das durchaus ein interessantes Business. Ich könnte mir vorstellen, dass wir das unseren Händlern so anbieten könnten. Aber ich habe meine Bedenken, wenn es in den Service-Bereich geht. Da haben wir in den drei Jahren, in denen wir uns mit diesem Business beschäftigen, unsere eigenen Lehren gezogen, und die haben teilweise verdammt weh getan.
Ochsner: Von meinem Standpunkt aus muss ich ganz klar sagen: Wer das machen will soll das tun, ich mache es nicht. Erstens ist das natürlich nicht unser Fokus, aber vor allem: Ich behaupte, bei Notebooks muss man eine gewisse Erfahrung haben, eine gewisse Spezialisierung. Ich glaube, ein Notebook ist technisch gesehen zehnmal anfälliger als einer unserer Server oder ein Business-PC.
Hedinger: Es gibt ja Anbieter, die das schon versucht haben. hinter dem Asus-Notebook stand die gleiche Philosophie, und das Gerät war in der Schweiz auch nie erfolgreich. Bei dem Preiskampf, den wir momentan haben, den Kunden zusätzlich noch von einem No-Name-Produkt zu überzeugen, ist extrem schwierig.
Matzinger: Wenn ich den Notebookbereich anschaue, dann sehe ich mit Verwunderung, was HP in letzter Zeit gemacht hat. Die verkaufen ein vernünftiges Notebook zu einem extrem aggressiven Preis, der für dieses Produkt nicht kostendeckend sein kann. Wir kennen die Entstehungskosten dieser Systeme bei allen Herstellern, die sind sehr transparent berechenbar, wenn man den Hintergrund kennt.
Dass eine HP im Consumerbereich Notebooks verhökert, nur um die Stückzahlen und die Position zu entwickeln, hat natürlich den Markt stark verändert. Das hat bei uns den Schritt weg vom Consumerbusiness noch mehr beeinflusst und entschieden.

Noch mehr Spezialisierung

Herr Matzinger, Sie haben vorher die Spezialisierung angesprochen. Ist noch stärkere Spezialisierung für Sie die Assemblierer-Strategie der Zukunft?
Matzinger: Ich glaube, wir sind auf einem interessanten Weg. Der Markt, die Bedürfnisse haben sich sehr stark verändert. Man kann sich heute durch Spezialisierung, durch Nähe zum Kunden mehr denn je vom A-Brand abheben. Der PC wird im Moment immer individueller, in einer Form, die der A-Brand so nicht bieten kann, der lebt von der Standardisierung. Ich glaube, diese Individualisierung hat erst angefangen.

In den Unternehmen hört man aber eher von Standardisierung im PC-Bereich.

Matzinger: Bei den Unternehmen gibt es auch zwei Welten. Grossfirmen passen sehr gut zu den A-Brands, ich glaube, das ist ein Fact. Ein KMU hat aber wieder ganz andere Bedürfnisse. Und das ist nur die Hälfte vom Business, dann haben wir noch den SOHO-Markt und den Heimmarkt, die Gamer und die Spezialisten.
Die Bandbreite hier ist riesig, der Wunsch nach dem PC, der auf mich zugeschnitten ist, der eben nicht mehr nur ein viereckiges weisses Gehäuse ist, wird immer stärker. Es gibt Gehäuse in allen Varianten – wir haben im Moment 25 Gehäuse an Lager – und die Ausstattungen und Features werden immer individueller. Diesen Kunden muss man das richtige Produkt individualisiert anbieten können.
Vielleicht gibt es ja dann andersrum irgendwann nur noch Dell und die Assemblierer?
(Allgemeines Gelächter)

Matzinger: Ja, das wäre schön.


(Interview: hjm)


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