Distefora-Krimi: Schwarze Kapitel enthüllt

Distefora-Verwaltungsrat Johann-Christoph Rudin (Bild) hat monatelang Akten gewälzt und dabei in Abgründe geblickt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/12

     

Am 19. März 2003 musste der Handel mit Distefora-Aktien eingestellt werden. Schon vorher hatten Schlagzeilen über ominöse Geschäftspraktiken des ehemaligen Börsenlieblings Distefora Staub aufgewirbelt. Dieser legt sich nun langsam als feiner Schleier über die Berge von lückenhaften Akten, die der einzige verbliebene Verwaltungsrat Johann-Christoph Rudin in den letzten Monaten auf der Suche nach der Wahrheit gewälzt hat.
Rudin war in der letzten, äusserst turbulenten Distefora-Verwaltungsratssitzung am 19. Dezember 2002 zum alleinigen Verwaltungsrat gewählt worden. Von Haus aus ist er Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Investoren Schweiz.

Viel Schein, wenig Sein

Distefora war aus der alten, börsenkotierten Interdiscount AG hervorgegangen und nur noch ein leerer Mantel, in den unter der Federführung von Alexander Falk nach und nach Firmen eingebracht wurden. Am 6. Februar 1998 gründete Falk die KK Kabelnetz Kiel mit einem Gesellschaftskapital von 50’000 DM, die aber nie einbezahlt wurden.
Im gleichen Monat wurde Falk in den Verwaltungsrat der Distefora gewählt. Falk übernahm die Distefora-Aktienmehrheit durch Einbringung der KK Kabelnetz Kiel sowie zweier weiterer Unternehmen, an denen er beteiligt war. Dafür erhielt er 580’000 Namensaktien, die an keinerlei Veräusserungsverbot gebunden waren und allein im Jahr 2001 eine Sonderdividende von 28 Mio. Franken einbrachten.
Scheingeschäfte generalstabsmässig geplant
Später akquirierte Distefora für gut 75 Mio. DM die IS Internet Service sowie diverse andere, teilweise stark defizitäre Firmen, was den Umsatz steigerte und die Anleger freute.
Im September 1999 fasste man neun Tochterfirmen unter dem Namen Ision zusammen. Obwohl die Internetblase schon Luft verlor, gelang es Ision, das für 2000 gesteckte Umsatzziel fast zu erreichen – dank diverser Scheingeschäfte in Millionenhöhe. Rudin glaubt: «Das Projekt wurde zielgerichtet und mit krimineller Energie angegangen.»
Schnell verkaufte man Ision dann an die britische Energis – Kaufpreis 844 Mio. Franken. Anschliessend wurde eine saftige Dividende ausbezahlt, von der vor allem Alexander Falk sowie die beiden anderen Verwaltungsratsmitglieder Hans Georg Hahnloser und Gaston Guez profitierten. Diese beiden Verwaltungsräte verlangten selbst dann keine Erklärung, als Falk riskante Optionsgeschäfte in Millionenhöhe startete und strichen zusammen Bezüge von über 1 Mio. Franken ein.

Falks Selbstbedienungsladen

Falk bediente sich derweil laut Rudins Nachforschungen weiterhin grosszügig. So vermietete er beispielsweise eine private Liegenschaft zu überhöhtem Mietzins an Distefora, kassierte nach deren Auszug 90’000 Euro für Renovierung und behielt unentgeltlich das für 100’000 DM installierte Glasfasernetz.
Rudin erklärt, wie das zustande kommen konnte: «Falk hat solche Verträge immer mit sich selbst abgeschlossen und auf beiden Seiten unterzeichnet.» Ausserdem hat Rudin gelernt: «Wer im Kleinen bescheisst, der tut es auch im Grossen.»
Immer wieder verstand Falk es zudem, sich Aktienpakete aus den diversen Firmenteilen zuzuschaufeln, so kassierte er 89,7% des Mitarbeiter-Optionenprogramms selbst.
Ende Februar 2002, als es kaum noch operatives Geschäft aber viele Altlasten gab, übertrug Falk eine 30prozentige Beteiligung an Distefora sowie seinen CEO- und Verwaltungsratspräsidententitel an Patrick Hofmann.
Unter Hofmanns Führung wurden drei Medienfirmen gekauft, um auf dieses Geschäftsfeld zu fokussieren, obwohl die Distefora-Geldmittel dafür gar nicht ausreichen konnten.
Später wurden Ulrich Altvater, Stephan Franzen und Wolfgang Schöller in den Verwaltungsrat gewählt, sie entliessen Hofmann, tätigten weitere riskante Geschäfte und höhlten Distefora endgültig aus.

Rudins weisser Ritter

Rudin prüft nun, ob er die Distefora-Bilanz deponieren muss oder die Firma noch zu retten ist. Erst vergangene Woche wurden auf Verlangen der ermittelnden Hamburger Staatsanwaltschaft die Schweizer Bankkonten von Firmengründer Alexander Falk und seinen Komplizen gesperrt. Die Schweizer Behörden lassen sich mit ihren Ermittlungen aber noch Zeit, bisher ist nur in Deutschland ein Verfahren anhängig. Falk sitzt derweil wegen Betrugsverdacht in Untersuchungshaft.
Der durch Betrügereien verursachte Schaden wird auf 820 Mio. Franken geschätzt, davon allein 340 Mio. für Kursmanipulationen der an der Schweizer Börse kotierten Firma. Aber, wie Rudin abschliessend meint: «Die Gefahr, bestraft zu werden ist bei einem einfachen Ladendiebstahl höher als bei Betrug in Millionenhöhe.» Rudin ist noch immer dabei, aussenstehende Beträge für Distefora einzutreiben und wünscht sich «einen Ritter auf dem weissen Pferd, der sagt ‘ich saniere euch die Firma’. Mit ein paar Millionen Eintritt ins Casino wäre er dabei». (ava)

Stattliche Beraterhonorare

Distefora holte sich immer wieder Beratung von aussen. Deren Wirksamkeit wird von Rudin naheliegenderweise angezweifelt. So kassierten laut den vorliegenden Akten:
Rechtsanwälte Froriep/Renggli 1998-2002 CHF 3’972’000
Egon Zehnder, Human R. 1998-1999 CHF 682’000
Klaus Stöhlker, PR 1998-2002 CHF 1’530’000
Arthur Anderson, Unternehmensberatung 1998-2002 CHF 2’240’000
Bastei Finanz, Verwaltung 1999-2002 CHF 4’365’000
CMS von Erlach Klainguti Stettler Wille Rechtsanwälte 2001 CHF 675’000
Quelle: Rudin


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