Dauerthema Channel-Konflikt

Je härter die Zeiten, desto grösser die Versuchung der Hersteller, in den Gefielden ihrer Partner nach Kunden zu jagen. Der alte Channelkonflikt entfacht immer häufiger.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/13

     

Alle stürzen sich mittlerweile auf den KMU-Markt. Es ist eine Binsenwahrheit, dass der Markt bei den Direktkunden der Hersteller, den Grossunternehmen, zusehends austrocknet. Im Mittelstand lassen sich noch Geschäfte machen, sei dies bei neuen Firmen, bei anstehenden Migrationen oder abzulösenden Systemen, oder gar bei neuen Projekten.
Kein Wunder, stürzen sich immer wieder Hersteller in die Gefielde ihrer Partner, auf das einst abgesteckte Terrain, und «grasen» auf der Weide der VARs und Reseller, anstatt sich auf die Direktkunden zu beschränken, die man einst mit den Partnern ausgehandelt hat. Der alte Channelkonflikt entfacht immer wieder und gerade in letzter Zeit immer öfter.
So haben unlängst Delec, MTF, Panatronic und RedIT unter dem Namen «Swiss IT Partners» eine informelle Gruppe gegründet. Die Gruppe kämpfe, hiess es im Mai, mittlerweile mehr gegen die Hersteller als gegen die Konkurrenz.
Die Gruppe will nämlich die Hersteller zu fairem Verhalten gegenüber dem Channel zwingen, indem sie ihre vereinte Einkaufsmacht ins Spiel bringt: Die vier VARs setzen zusammen rund eine halbe Milliarde Franken im Schweizer IT-Markt um. Dabei geht es nicht nur, aber auch. um HP, welche die einst auf 100 Direktkunden bezifferte Liste auf 200 ausgedehnt hat.

Vorbildliche Abacus

Jürg Schwarzenbach, Präsident von Delec, sagt auf Anfrage von IT Reseller, dass man das Problem, dass man öfters den Herstellern bei Projekt-Offerten begegnet, auch habe: «Das stellen wir bei grösseren KMU-Kunden fest. Dann sprechen wir mit HP und meistens gibt es eine Lösung.»
Zwar kann Schwarzenbach nicht genau sagen, wie oft es vorkommt, dass Delec als Partner eines Herstellers den Hersteller selbst als Konkurrenz erlebt. Aber: «Es kommt mehr als einmal pro Monat vor», so Schwarzenbach. Ohne weitere Lieferanten zu nennen, die sich nicht an die Abmachungen halten, wird deutlich, dass es auch faire Partner im IT-Geschäft gibt. Nochmals Schwarzenbach: «Abacus ist vorbildlich, ebenso Citrix
«Kein Kommentar» heisst die Antwort auf die Frage, wieviele Aufträge respektive Umsatz durch direktes Offering und Preisdumping der Hersteller Delec entgehen. Allerdings seien die Chancen, einen Deal doch zu erhalten, wenn der Hersteller mit Preisdumping mitofferiert, mässig. «Wenn HP will, können wir es zusammen tun. If not, we lose a deal.»

Sun lanciert KMU-Portal

Sun Microsystems hat unter www.sun.ch/kmu ein Portal lanciert, das Sun-Lösungen für KMU und Angebote von Sun-Partnern zusammenbringt. Der Marketing-Initiative sind derzeit 21 VARs (Value Added Reseller) und ISVs (Independent Software Vendors) angeschlossen, darunter SLI Consulting, Tradeware, CSC Informatik oder Tristar - um nur einige zu nennen. Unter der Rubrik «Lösungen» finden sich erwartungsgemäss zu den Themenbereichen die dafür spezialisierten Sun-Partner und deren Angebote.
Klickt man aber auf «Services», so findet der potentielle Kunde Service- und Supportangebote, die schon mal mit dem Button «Contact Sales Office» oder «Service-Vertrag online registrieren» enden.
«Wir sind noch in der Optimierungsphase», wehrt sich Emanuel Isteri, General Business & Channel Sales Manager bei Sun. Er weist den Verdacht, dass Sun versucht, sich die KMU-Kunden direkt vorzuknöpfen, weit von sich. «Wir wollten ein Medium schaffen, das von unseren Partnern gefüttert wird», so Isteri weiter.
Wenn ein Kunde über das Portal den Kontakt suche, werde dies von einer Telemarketing-Firma im Hintergrund mit einem Lead-Tracking-Tool erfasst. Darauf werde der entsprechende Lead an den Partner weitergeleitet.
Isteri gesteht aber ein, dass es im Zusammenhang mit Main-Accounts in der Vergangenheit mit gewissen Partnern zu Konflikten gekommen ist. «Daraus haben wir gelernt», unternimmt Isteri den Versuch einer Klarstellung. Zudem wollte man den eigenen Partnern mit dem KMU-Markteintritt neue Märkte erschliessen.

Problem bekannt

Das Problem der Direktbearbeitung von Endkunden ist bei Sun-Resellern bekannt. «Wir haben das Problem auch», sagt der nicht genannt wollende CEO einer der grössten Sun-Partner zu IT Reseller, «Dank unserer engen Beziehung zu Sun besprechen wir das Problem im Einzelfall.»
Dabei ist er mit Sicherheit am längeren Hebel als manch anderer Sun-Reseller, hilft ihm doch die Sonderstellung als einer der grössten Schweizer Sun- Wiederverkäufer. Die Chancen, sich mit Sun im konkreten Fall zu einigen, stehen für ihn nicht schlecht: «Mit Sun können wir uns dank unserer Stellung in der Regel einigen.»
Doch der CEO des nicht genannt wollenden VARs begegnet dem Problem des Direktverkaufs von Herstellern nicht nur mit Sun, auch mit anderen Herstellern tritt man sich beim Offering auf die Füsse, sei dies nun Veritas oder diverse andere Storage-Hersteller, mit denen man nur gelegentlich zusammenarbeitet.
Insgesamt verlor der VAR durch direktes Eintreten von Herstellern beim Endkunden in den letzten zwölf Monaten bei Grosskunden zwei Geschäfte zwischen je 0,5 und 1 Mio. Franken. «Dazu kommt ein weiterer Grosskunde, welcher wegen Preisdumping direkt von Sun beliefert wird», zieht der CEO Bilanz. (mh)


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