Schwere Zeiten für HP-Partner

Harte Verträge und ein geschlossenes Ersatzteillager sorgen vor allem bei den Servicepartnern der früheren Compaq für Frust und Aufregung. Nicht wenige davon dürften mittelfristig der Partner-One-Strategie der «neuen HP» zum Opfer fallen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/15

     

Im Rahmen der Umsetzung seiner bereits vor Jahresfrist angekündigten Partner-One-Strategie hat Hewlett Packard jetzt auch in der Schweiz damit begonnen, sein Partnerprogramm umzukrempeln. Besonders hart trifft die Umgestaltung die kleineren unter den so genannten ASP (autorisierte Servicepartner), wovon es in der Schweiz nach Angaben von HP rund 50 gibt.
Bei deren 45 handelt es sich um Servicepartner der früheren Compaq, bei den restlichen fünf um solche der alten HP. Diese Differenz entspringt der unterschiedlichen Servicephilosophie der beiden fusionierten Firmen: Compaq liess Reparaturen mehrheitlich durch die Händler ausführen, während HP mit einigen wenigen autorisierten Serviceerbringern zusammenarbeitete.

Synchronisation der Verträge

Jetzt ist das Unternehmen daran, sämtliche Verträge mit den Servicepartnern zu synchronisieren. Aus den ehemaligen ASP werden ADP (Authorised Delivery Partner, weitere neue Bezeichnungen s. Kasten).
Bei ihnen dürfte es mittelfristig zu einer deutlichen Konsolidierung kommen, denn innerhalb der neuen Rahmenbedingungen wachsen die Schwierigkeiten, das Servicegeschäft kostendeckend betreiben zu können. Im wesentlichen geht es um drei zentrale Kritikpunkte, die die Partner an der neuen Ordnung üben:
Die «Konkurrenz» durch die eigene neutrale Serviceorganisation von HP, die Schliessung des wichtigsten Ersatzteillagers für die Schweizer Servicepartner und die teilweise harten, als unfair empfundenen Bestimmungen in den neuen Verträgen zwischen HP und den Servicepartnern.

Neutrale Serviceorganisation von HP

«HP hat in der Deutschschweiz eine eigene, so genannt neutrale Serviceorganisation aufgebaut», sagt der Geschäftsführer eines kleinen HP-Partners. Diese Organisation trage dazu bei, das Geschäft der Schweizer Servicepartner abzugraben, meint er weiter.
Das «Bench» genannte Repair-Center wurde von HP ursprünglich für diejenigen Kunden geschaffen, die von keinem Servicepartner betreut werden – also mehrheitlich für Privatkunden, die beispielsweise bei einem Discounter einen Drucker oder eine Digitalkamera gekauft hatten und deren Garantiezeit abgelaufen war.
«In Zukunft wird HP für Reparaturen nicht mehr die ADP empfehlen», vermutet Hanspeter Stucki, Produktmanager und Marketing-Leiter der Delec, «sondern die Reparaturfälle vermehrt dem eigenen Servicehaus zuhalten».
Die Grossen lasse man zwar «weiterflicken», so Stucki, doch für die Kleinen unter den ADP werde die Erbringung von Reparaturleistungen durch die Favorisierung des «Bench» und die neuen Verträge wirtschaftlich unattraktiv.

Wenige Grosse?

Es ist offensichtlich, dass im Service-Bereich das «blaue Modell» der früheren HP mit wenigen, dafür grossen Servicepartnern in der fusionierten Firma zum Standard werden soll, während das «rote Modell» von Compaq mit der Förderung möglichst vieler autorisierter Servicepartner, die von der Beratung über den Kauf bis zur Reparatur eine End-to-End-Dienstleistung erbrachten, verschwinden wird.
Markus Wullschleger, der Delegierte des Verwaltungsrates der MTF Schweiz sagt: «Es sieht so aus, als wollte HP die Anzahl der Serviceanbieter in der Schweiz reduzieren». Andrej Golob (Bild), General Manager der Personal Systems Group von HP, stellt in Abrede, dass die quantitative Reduktion der ADP einen strategischen Entscheid seines Unternehmens darstellt: «Es ist keinesfalls unsere Strategie, eine Konsolidierung bei den ASP oder ADP voranzutreiben», meint er.
Bei sinkenden Durchschnittspreisen von PC und Servern sei aber klar, dass standardisierte Services eine grössere Rolle spielen würden und dass es auch im Repair-Bereich das Bestreben von HP sei, effizienter zu arbeiten. «Diese Entwicklung», so Golob weiter, «machen auch die Partner mit.»
Im Klartext heisst diese Feststellung allerdings nichts anderes, als dass die kleineren Servicepartner ihr Geschäftsmodell überdenken und gegebenenfalls anpassen müssen, wenn sie eine Überlebenschance haben wollen.

Schliessung des grössten Ersatzteillagers

Doch damit nicht genug: Weil HP daran ist, bis Ende September das grösste Schweizer Ersatzteillager für die Servicepartner zu schliessen, werden diese ihre Teile fortan aus Holland beziehen müssen. Wer seinen Kunden bislang sogenannte Hochverfügbarkeits-Serviceverträge angeboten hat, kann deren Einhaltung unter Umständen nicht länger garantieren.
Zwar klappe die Lieferung von Ersatzteilen aus Holland in der Regel ganz gut, meint Ronald Potthoff, der Geschäftsführer von Swissparts, die in Dintikon ein Ersatzteillager für HP und Lexmark betreibt. Swissparts hält rund tausend Teile von HP – mehrheitlich aus dem Druckerumfeld – in Quantitäten von bis zu tausend Stück an Lager.
Auch Swissparts wird in Zukunft keine Teile mehr lokal bei HP beziehen können, sondern wird – wie grosse und kleine Servicepartner auch – den Umweg über Holland gehen müssen. «Das ist problematisch», sagt Potthoff, «denn gerade am Zoll können immer Verzögerungen entstehen.
Diese Aussicht führt im Fall von Hochverfügbarkeits-Serviceverträgen, die die Schweizer Servicepartner mit Kunden abgeschlossen haben, zu grossen Unsicherheiten». «Wer solche Serviceverträge anbieten will, wird jetzt faktisch dazu gezwungen, selber ein Ersatzteillager anzulegen. Und das ist für viele eine zu aufwändige und vor allem zu teure Angelegenheit», sagt Markus Wullschleger von der MTF-Gruppe.

Betriebswirtschaftliche Argumente

Die Schliessung des Ersatzteillagers ist betriebswirtschaftlich durchaus verständlich: «Dabei handelt es sich um einen europäischen Entscheid mit dem Fokus, den Ersatzteil-Fluss zu zentralisieren», sagt HP-Manager Andrej Golob. Seine Firma habe das Problem allerdings erkannt und nehme es sehr ernst: «Insbesondere im sensiblen Hochverfügbarkeitsbereich wollen wir keinesfalls das Geschäft unserer Partner schädigen», sagt er.
Gegenwärtig würden zwei Szenarien zur Lösung des schwelenden Ersatzteil-Konfliktes diskutiert: Entweder wird Swissparts unter Einhaltung genau definierter Servicelevels die Verteilung eines grösseren Kataloges von Ersatzteilen für die Schweizer ADP in Eigenregie übernehmen, oder die Partner bekommen Zugriff auf ein lokales Lager von HP selber, meint Golob. Im Rahmen eines Pilotversuchs erhält bereits heute ein nicht näher spezifizierter Servicepartner direkten Zugriff auf das Lager von HP.
Der Entscheid für die eine oder andere Lösung dürfte noch im September fallen. Entsprechende Gespräche stünden unmittelbar an, wie auch Swissparts-Chef Potthoff gegenüber IT-Reseller bestätigt.

«Knebelverträge» sorgen für Unmut

Doch auch die neuen Verträge zwischen HP und ihren Servicepartnern sorgen für rauchende Köpfe. Darin setzt sich allgemein gesprochen ein Trend fort, den viele Händler und Partner bereits seit einiger Zeit im Umgang mit der «neuen HP» beobachten: Während dem Partner ein immer engeres Korsett von Regeln aufgezwungen wird, verpflichtet sich HP selber im Gegenzug zu immer weniger vertraglich abgemachten Leistungen.
Ein Beispiel aus den neuen Verträgen für die ADP: Wenn ein Service-Partner für einen Kunden ein defektes Bauteil austauscht, so ist er dazu verpflichtet, das defekte Teil innerhalb von zehn Tagen an HP zu retournieren, um in den Genuss einer Gutschrift zu kommen. In diesen zehn Tagen sind sogar Samstage und Sonntage mit eingerechnet.
Schafft der Partner die Rücksendung des Teils innerhalb dieser Frist nicht, verfällt sein Anspruch auf eine Entschädigung vollständig. HP selber verpflichtet sich im Gegenzug aber beispielsweise nicht einmal dazu, dem Partner das benötigte Ersatzteil überhaupt zu liefern, geschweige denn innerhalb einer definierten Frist. Der Tenor ist unüberhörbar: Jeder Partner muss mehr und mehr Auflagen erfüllen, während HP das eigene Geschäftsverhalten immer weniger in die Pflicht nimmt.

Unmut bei grossen Servicepartnern

Es ist also durchaus verständlich, dass dieses Verhalten selbst bei den ganz grossen Servicepartnern wie Delec, MTF, Panatronic oder RedIT für wachsenden Unmut sorgt. «Grundsätzlich kann man wohl sagen, dass die Partnerschaft mit HP über die ganze Länge viel anspruchsvoller geworden ist», meint Andreas Kleeb, Geschäftsführer von RedIT.
Auch Hanspeter Stucki von Delec bemerkt eine deutliche Verschärfung des Tones: «Bei Compaq gab es eine recht grosse Autonomie in bezug darauf, was hierzulande an den Partnerverträgen lokalisiert werden konnte. Im Falle von HP müssen die sich mit einem Ja-und-Amen an die Vorgaben aus der Europa- oder Amerika-Zentrale halten», sagt er.
Deshalb ist Stucki überzeugt, dass einige unter den kleineren ADP ihr angestammtes Geschäft schon innert Kürze nicht mehr betreiben werden können. Auf die Verträge angesprochen reagiert HP-Manager Andrej Golob ausweichend: «Es ist nicht der Stil von HP, unpartnerschaftlich mit den Servicepartnern umzugehen».
Der Inhalt der neuen Verträge sei bereits im Mai dieses Jahres im Channel Advisory Board besprochen worden, worin zur Hälfte auch Servicepartner vertreten seien. Dass der Inhalt allerdings kaum mit der von Juristen formulierten endgültigen Sprachfassung verglichen werden kann, räumt dann auch Golob ein: «Das Problem ist erkannt und entsprechende Verbesserungen sind im Gang.»
Ob auf dieses Zugeständnis dann tatsächlich messbare Erleichterungen für die Servicepartner folgen werden, das muss sich erst noch zeigen. Die neuen Verträge sind am 1. September in Kraft getreten. (bor)

Die neuen Partnerbezeichnungen von HP


ADP (Authorised Delivery Partner)

Der ADP ist ein Partner, der neben der Auslieferung auch eigene Reparaturen an HP-Geräten erbringen darf. Davon gibt es in der Schweiz gegenwärtig rund 50. Die ADP sind es, die von den Auswirkungen der neuen Partnerstrategie am stärksten betroffen sind. Ihre Anzahl dürfte sich mittelfristig wohl drastisch reduzieren.

SSP (Sales and Service Partner)

Der SSP ist ein «normaler» Reseller und ist im Handel wie auch im IT-Dienstleistungsbereich tätig. Unter den mehreren tausend SSP (ca. 4000 in der Schweiz) wird zwischen normalen SSP, Business Partner SSP (ca. 600) und Select Business Partner SSP (ca. 100) unterschieden.

LSP (Logistic Service Provider)

Der LSP erbringt Dienstleistungen im Rahmen einer Lagerhaltung von HP-Produkten (z.B. Also).

CDP (Channel Development Partner)


Der CDP kümmert sich um Reseller, welche nicht über einen eigenen Ansprechpartner bei HP verfügen. Nur die 100 Select Business Partner haben eigene Kontaktpersonen bei HP, die restlichen verkehren alle über einen CDP mit dem Unternehmen.


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