Letzten November sah es gar nicht gut aus für die Disti-Allianz EWG, deren grösstes Mitglied der helvetische Lokalmatator
Also ABC ist. Man war offensichtlich geschockt und verblüfft, als Joe Hemani, Besitzer des britischen Distis Westcoast, versuchte, den Paneuropäer
Actebis zu übernehmen. Der Riss zwischen Westcoast und den anderen drei EWG-Mitgliedern (Also ABC, Esprinet und Copaco) war offensichtlich, obwohl die EWG noch einige Wochen versuchte, ihn zu verdecken.
Hemanis Versuch scheiterte zwar, doch war das Verhältnis zwischen der EWG und Westcoast offensichtlich getrübt, der britische Disti schied sang- und klanglos und ohne Begründung aus der Allianz aus.
Damit hatte die EWG aber ein ernsthaftes Problem. Um als Gesprächspartner der grossen Hersteller wie
HP oder
Cisco ernst genommen zu werden, muss die Allianz eine gewisse geografische Abdeckung der europäischen Märkte bieten. Dies war mit dem Ausscheiden des britischen Distis nicht mehr gegeben.
Mit dem finnischen Distributoren GNT, der auch Reseller in den baltischen Ländern und in Schweden bedient, konnte die britische Lücke zwar nicht gestopft werden, doch ist die EWG nun in Skandinavien präsent und somit wieder wesentlich attraktiver. Die baltischen Länder sind zwar winzig, stellen aber aufgrund ihres starken Wachstums einen interessanten Markt dar. Mit einem Umsatz von 532 Millionen Euro ist GNT zwar kein Riese, aber ein grosser, nationaler Disti.
Europaweite Marketing-Programme
Die EWG bietet grossen Herstellern, die aus Kostengründen den Kontakt mit wenigen, grossen Distis bevorzugen, die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung von Marketing-Programmen an. Ausserdem wollen die vier vom jeweils erfolgreichsten Partner «best practices» (zum Beispiel Software-gestützte Bestellprozesse) übernehmen und die eigene Leistungsfähigkeit durch den paneuropäischen Vergleich stärken.
Das neue Mitglied GNT gilt, ähnlich wie
Also ABC, als besonders stark bei seinen logistischen Fähigkeiten. GNT-Chef Mikko Pakkanen erwartet von der Mitgliedschaft bei der EWG eine Steigerung der Kosteneffizienz, ohne den Nachteil der «Strukturkosten» einer paneuropäischen Organisation.
Cisco revidiert Distributoren-Politik…
Die EWG ist die Antwort von
Also & Co. auf den zunehmenden Druck grosser Hersteller, die die Kosten der Distribution durch vereinheitlichte und europaweit standardisierte Vertriebs- und Marketingstrukturen verringern wollen.
So haben sowohl
Cisco wie
HP das Ziel, zwar eine Vielzahl von Distis für Marketing-Zwecke zu verpflichten, aber nur wenige, multinationale Distributoren (sogenante Tier-1-Distributoren) direkt mit Ware zu beliefern. Diese Politik führte beispielsweise dazu, dass Also ABC, obwohl von Cisco ausgezeichnet, von diesem wichtigen Lieferanten nicht mehr direkt beliefert worden ist.
Doch dies scheint sich nun wieder zu ändern. Weil auch die multinationalen Distributoren wie Ingram,
Tech Data und
Actebis nicht wirklich alle Länder abdecken, wird Cisco nun auch wieder sogenannte «CADs» (Cisco authorised distributor) direkt beliefern, wie Cisco Channel-Chef Luca Marinelli in einem Interview mit dem Newsletter «IT Europa» sagte. Ob Also ABC damit wieder in den Genuss der direkten Belieferung durch Cisco kommt, ist zurzeit aber noch unklar.
… und glaubt an virtuelle Läger
Wie die Zukunft der Distribution aussehen könnte, diskutieren die Cisco-Leute zur Zeit in einer Projektgruppe zusammen mit den Multis Ingram und
Tech Data. Teil der Diskussion sind sogenannte virtuelle Läger – sie sollen all die grösseren und kleineren Lagerstätten beim Hersteller selbst, bei den Distributoren wie auch bei den Resellern ersetzen.
Diskutiert wird ein neutrales, sehr grosses und zentrales Lager, zu dem alle beteiligten Partner nur elektronisch Zugang hätten. Kauft ein Reseller beispielsweise Ware von
Cisco über einen Disti ein, so würden die Boxen physisch nicht mehr bewegt. Man würde die Ware einfach dem Reseller zuteilen bis sie dann physisch direkt an den Endkunden geliefert würde.
Obwohl solchen Konzepten noch einige Hindernisse wie etwa Zölle im Weg stehen, zeigen sie, wohin die Reise geht: Distributoren sollen sich weg vom Logistiker hin zu Marketing- und Finanzierungsagenturen entwickeln. (hc)