Ausländische IT-Ressourcen nutzen

Wenn es um ausländische Informatiker-Ressourcen geht, dann scheiden sich die Geister: Während die einen auf Indiens Entwickler schwören, ziehen die anderen Programmierer aus geografisch näheren Ländern des Ostens vor.

Artikel erschienen in IT Reseller 2004/07

   

Wenn die Zeit in einem Projekt knapp wird, nicht genügend eigene Entwickler zur Verfügung stehen und dazu auch noch viel standardisierte Codierungsarbeit erledigt werden muss, kann es Sinn machen, die benötigten Informatiker-Ressourcen aus dem Ausland zu beziehen.
Im Zusammenhang mit Offshoring ist immer wieder von Indien die Rede, aber auch andere Länder wie Rumänien, Bulgarien und die Ukraine bestimmen die Diskussionen.
Dass gerade in Indien viele IT-Talente sitzen, ist unbestritten. Zwei Millionen Akademiker drängen dort jedes Jahr mit Abschlüssen auf den Arbeitsmarkt. Wer beispielsweise das Diplom der Elite-Uni IIT (Indian Institute of Technology) vorweisen kann, wird von amerikanischen Grossunternehmen nach wie vor «blind» angestellt und mit einer Greencard bedacht.
Seit der wirtschaftlichen Öffnung Indiens vor rund zehn Jahren ist die Nachfrage nach IT-Dienstleistungen «made in India» auf dem Weltmarkt ständig gestiegen – auch in der Schweiz.

Vielfalt der indischen Anbieter

Im Dschungel der vielen Anbieter ist es allerdings nicht einfach, den Überblick zu behalten. Zudem verfügen einige Anbieter über eine Vertretung in der Schweiz, während andere nur in Indien oder aber in den USA Niederlassungen unterhalten.
Peter Oertli, Inhaber der OEC Oertli Consulting in Uitikon, kennt die indischen Anbieter bestens. Seit er für die Firma Schindler vor über sechs Jahren eine Vielzahl von indischen Anbietern vor Ort evaluierte, ist er zum Kenner indischer IT-Firmen avanciert und berät heute Schweizer Unternehmen bei der Auswahl eines Partners auf dem Subkontinent:
«Die Spitzen-Player lassen sich an einer Hand abzählen: Es sind Tata Consultancy Services (TCS), Wipro, Infosys, Satyam Computers und neu auch Patni Computer Systems», sagt Oertli.
Daneben gebe es auch Nischenplayer, die etwa im Bereich von Sensor-Technik fortschrittliche Lösungen anbieten könnten. Während die Zusammenarbeit mit den Indern früher meist projektbezogen erfolgte, zeichne sich beim bevorzugten Arbeitsmodell jetzt ein neuer Trend ab: «Am meisten Sinn macht es für eine Schweizer Firma, ein so genanntes Offshore Development Center (ODC) aufzubauen», so Oertli zu IT Reseller.
Das bedeutet, dass ein fixes Team in Indien für den Schweizer Kunden arbeitet, dieses aber administrativ in eine grössere indische IT-Firma eingebettet ist. Der Vorteil bestehe hier vor allem darin, dass über mehrere Projekte stets die gleichen Personen zusammenarbeiten. «Es empfiehlt sich immer, Informationen über die betreffende indische Firma auf dem Web einzuholen und dort den Erstkontakt zu machen», sagt Oertli.
Ausserdem stelle der Branchenverband Nasscom (National Association of Software and Service Companies) eine nützliche Anlaufstelle für interessierte Schweizer Unternehmen dar, wie auch die Schweizerisch-Indische Handelskammer (SICC – Swiss Indian Chamber of Commerce).

«Nearshoring» präferiert

Walter Duss (Bild), Vizepräsident der Simsa (Swiss Interactive Media and Software Association), vertritt eine andere Auffassung vom idealen Zielland für Informatik-Projekte: «Ich finde es interessanter, Partnerschaften mit Firmen aufzubauen, die Prozesskompetenz mitbringen. Das ist naheliegender bei Firmen aus Umgebungen, die sich nicht in der sogenannten dritten Welt befinden», so Duss.
Im Rahmen einer Public-Private-Partnership mit der Seco-Abteilung SIPPO (Swiss Import Promotion Program) hat die Simsa über die letzten zwei Jahre viel Aufbauarbeit in eine entsprechende Internetplattform investiert, die Kontakte zwischen Schweizer und ausländischen Unternehmen fördern soll.
Das Resultat heisst trado.org («trade opportunity») und vereint heute rund 300 Unternehmen aus dem Libanon, Jordanien, Bangladesh, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien und der Ukraine. «Die Idee dahinter ist, durch ein qualitätssicherndes System einen hohen Grad an Vertrauen zu erreichen», so Duss.
Dies geschehe, indem die teilnehmenden ausländischen Unternehmen stets durch einen entsprechenden Verband im Heimatland (ähnlich der Simsa) geprüft würden, etwa auf die Vollständigkeit und Richtigkeit aller gemachten Angaben. Während sich das Interesse an der Plattform in den vergangenen zwei Jahren eher in Grenzen hielt, beobachtet Duss jetzt einen steilen Anstieg des Verkehrs: «Outsourcing zieht wieder an. Auf trado.org können aber nicht nur ausländische Entwickler gesucht werden, vielmehr dient die Plattform den ausländischen Firmen auch als Anlaufstelle für die Suche nach Vertriebspartnern für Produkte und Dienstleistungen in der Schweiz», sagt Duss.
Für die Basler Orbit ist geplant, Vertreter von auf trado.org vertretenen Unternehmen einzuladen. (bor)

Interkulturelle Kompetenz erwerben

Am 25. und 26. Mai findet in den Räumlichkeiten des Osec Business Network in Zürich ein zweitägiger Workshop statt, in dessen Rahmen den Teilnehmern im Intensiv-Verfahren die wichtigsten Eigenheiten der indischen bzw. pakistanischen Kultur vermittelt werden sollen. Dadurch, so die Veranstalter, könne die Zusammenarbeit mit indischen und pakistanischen Partnern nachhaltig verbessert werden.
Durchgeführt wird der Kurs von der School for International Business, der Preis beträgt für Osec-Mitglieder 1490, für Nicht-Mitglieder 1750 Franken. Informationen sind unter der E-Mail-Adresse szbinden@eiab.ch erhältlich.


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