IT Reseller: Bis zum März letzten Jahres wurde das Überleben von
Getronics in Frage gestellt. Haben Sie in dieser Zeit in der Schweiz viele Kunden verloren?
Kurt Bylang: Nein. Wir haben nicht nur in der Schweiz sondern auch international keinen einzigen Vertrag mit einem Kernkunden verloren. Aber der Erklärungsbedarf brachte viel Aufwand mit sich. Bei einem Kundengespräch von einer Stunde beispielsweise, brauchten wir sicher 10 bis 15 Minuten, um unsere Situation zu erklären.
Das scheint mir jetzt aber sehr schönfärberisch. Wer geht schon langfristige Verträge mit einem Partner ein, dessen Zukunft unsicher ist?
Ich versuche nichts schönzureden – wir haben tatsächlich keinen einzigen strategischen Kunden verloren. Aber unsere Umsätze waren rückläufig. Das erklärt sich jedoch mehr aus unserer Strategie, auf ganz bestimmte Aktivitäten zu fokussieren, als daraus, dass wichtige Kunden abgesprungen wären.
Auch im ersten Quartal 2004 haben wir weltweit rückläufige Umsätze publiziert. Wir sind eben kein Produkte-Händler mehr. Die Strategie, uns ganz auf bestimme Services zu konzentrieren, ist nicht neu – aber erst jetzt wurde sie konsequent umgesetzt. Wir fokussieren uns also auf Kunden, bei denen wir einen Zusatznutzen erbringen können.
Wieviele Stellen wurden bei Getronics Schweiz während der Sanierung abgebaut?
Wir haben heute 240 Mitarbeitende, 2002 waren es noch zwischen 300 und 320. Wir haben uns eben auch in der Schweiz auf unsere Kernkompetenzen konzentriert. Wir sind heute mit drei Niederlassungen sowie dem Vertriebsstandort Basel und weiteren Service-Centers geografisch gut für flächendeckende Dienstleistungen aufgestellt.
Wir haben heute eine gute Grösse und ich habe heute nicht die geringste Absicht,
Getronics Schweiz kleiner werden zu lassen.
Im Geschäft mit Managed Services, also Netzwerk- und Desktop-Outsourcing, herrscht ein brutaler Preiskampf. Man hört von Angeboten bis zu 40 Franken pro Technikerstunde. Wie kann man preislich mithalten und gleichzeitig Geld verdienen?
Wir sprechen beim Kunden weniger über Preise, sondern über den Zusatznutzen, den wir ihm bringen können. Wenn unser Angebot gleich ist, wie dasjenige von fünf Mitbewerbern, dann bieten wir ein Commodity-Produkt an, wo ein enormer Preiskampf herrscht.
Aber wenn der Kunde realisiert, dass schon unser Pre-Sales ihm Mehrwert generiert, sieht es anders aus. Ob ich 40 oder 80 Franken pro Stunde offeriere, ist nicht entscheidend, wenn der Kunde sieht, dass wir eben auch viel weniger Stunden brauchen, um seine Infrastruktur zu erhalten.
Zudem kennen wir ganze Branchen sehr gut und können Quervergleiche anstellen. Wir können dem Kunden also «best practices» vermitteln und ihm so helfen, wettbewerbsfähiger zu werden.
Wie hoch ist der Anteil der Hardware-Umsätze an Ihrem Gesamtumsatz?
Heute sind es weniger als 50 Prozent. Unser Hardware-Umsatz muss immer das Ergebnis von Dienstleistungen beim Kunden sein und unsere Planung bezieht sich ausschliesslich auf Dienstleistungsumsätze. Unser Mehrwert liegt in der herstellerunabhängigen Beratung und dem Full-Life-Cycle Management.
Wenn ein Dienstleistungskunde Notebooks von
IBM und Desktop-PCs von
Dell wünscht, dann besorgen wir nicht nur die Hardware, sondern sind auch für Installation und Unterhalt während der ganzen Nutzungsphase verantwortlich.
Wie sehen Sie die Zukunft der Schweizer Landschaft der IT-Infrastruktur-Dienstleister?
Ich denke, es gibt heute nur zwei Möglichkeiten: Entweder man versucht ein hoch fokussierter Nischenplayer zu sein, oder man stellt sich geografisch sehr verteilt als multinationaler Player auf. Die Nischenplayer, wie zum Beispiel Security-Consultants, wird es auch in Zukunft geben. Sie sind hoch fokussiert und bearbeiten den Markt sehr gut. Aber diese Spezialisten sind geografisch sehr limitiert und haben kaum die Möglichkeit sich multinational aufzustellen.
Entscheidend ist, dass die Getronics ihre umfassenden Kernkompetenzen definiert hat und sich darauf konzentriert. Im Segment der mittelgrossen Service-Anbieter sind noch lange nicht alle wirklich fokussiert.
Arbeitet Getronics Schweiz heute profitabel?
Diese Frage beantworte ich Ihnen natürlich nicht im Detail. Aber ich kann soviel sagen: Die Entwicklung ist positiv und wir beziehen sicher kein Geld aus der Konzernzentrale in Holland.
Erfolgreiche Sanierung eines Konzerns
Über die Zukunft von Getronics wurde 2002 und Anfangs 2003 noch heftig spekuliert. Der Konzern war überschuldet und man sprach von Verkauf. Doch die Sanierung gelang. Ende März dieses Jahres konnte
Getronics, unter anderem dank einer Kapitalerhöhung und dem Verkauf von zwei nicht zum Kerngeschäft gehörenden Einheiten eine teure Anleihe über 250 Millionen Euro zurückzahlen. Der Konzern ist unterdessen wieder solide finanziert und profitabel.
Getronics beschäftigt heute weltweit 22’000 Mitarbeitende in über 30 Ländern, die 2003 2,6 Milliarden Euro umsetzten. Der Konzern, der ursprünglich aus Wang Global und der Dienstleistungssparte von Olivetti hervorging, ist heute nach
IBM der weltweit zweitgrösste Anbieter von Netzwerk- und Desktop-Outsourcing. (hc)