Outsourcing auf der Überholspur

Der Schweizer Outsourcing-Markt ist reifer geworden. Anbieter und Kunden setzen heute auf selektives Teil-Outsourcing. Nach der Infrastruktur gehen die Trends jetzt in Richtung Applikations-Outsourcing und der Auslagerung von Prozessen.

Artikel erschienen in IT Reseller 2004/14

   

Der Schweizer Outsourcing-Markt ist in Bewegung: Das Geschäft entwickelt sich mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten von fünf bis sieben Prozent. Nicht nur die globalen Schwergewichte wie IBM, EDS und CSC, sondern auch eher lokal ausgerichtete Marktteilnehmer wie T-Systems oder Spezialisten wie Unisys sind erpicht darauf, sich ein möglichst grosses Stück vom Schweizer Outsourcing-Kuchen abzuschneiden. Dieser wurde vom Marktforscher Pierre Audoin Consulting für das Jahr 2003 auf knapp zwei Milliarden Franken geschätzt.
Während vor einiger Zeit noch alle Welt von grossen, alles abdeckenden Projekten redete, zeichnet sich jetzt eine Veränderung ab: «Es gibt immer weniger riesige, allumfassende Full-Outsourcing-Geschichten», sagt Mark Saxer, Mediensprecher von EDS Schweiz. Die reinen IT-Projekte würden «kleiner und kürzer», so Saxer. «Früher neigte man dazu, alles – inklusive der ganzen betrieblichen Probleme – an den Outsourcer abzuschieben», präzisiert Markus Gröninger, CEO von CSC Switzerland. Schliesslich habe sich aber das Bewusstsein durchgesetzt, dass man die Verantwortung nicht auslagern könne: «Gefragt sind heute meist selektive Outsourcing-Verträge, bei denen man die Macht im eigenen Haus behält, weiterhin selber über strategische Fragen zu bestimmen», so Gröninger weiter.

Nicht mehr «nur» die Infrastruktur

Das ursprünglich fast ausschliesslich praktizierte Infrastruktur-Outsourcing, das beispielsweise den Betrieb und den Unterhalt der PC-Arbeitsplätze eines Unternehmens durch einen externen Anbieter beinhaltet, habe eine gesunde Reife erreicht: «In einer nächsten Welle werden wir jetzt das forcierte Auslagern der Applikationsentwicklung an einen Dienstleister erleben und auch das Auslagern einzelner Prozesse wie etwa Verwaltung und Administration von Versicherungspolicen oder das Wertschriftengeschäft im Rahmen von BPO (Business Process Outsourcing)», sagt Gröninger. Ausserdem werde der Markt zunehmend industriespezifisch, wie Saxer von EDS ausführt: «Wir erarbeiten zusammen mit unseren Kunden Industry Templates. Das sind Best Practices für das jeweilige Einsatzgebiet der IT». Auch Unisys, die seit rund zwei Jahren in der Schweiz als Anbieter von Managed Services im Outsourcing-Markt auftritt, richtet ihr Augenmerk gezielt auf einige wenige Branchen: «Unser Fokus liegt auf dem Finanzsektor und der Industrie, zunehmend auch im öffentlichen Bereich», sagt Jürg Henseleit, verantwortlich für Global Infrastructure Services bei Unisys Schweiz. Gerade in der Finanzbranche findet derzeit ein Umdenken statt: «Heute ist die IT im Gegensatz zu früher selbst bei Banken und Versicherungen keine heilige Kuh mehr», weiss Henseleit. Dies hat die vor wenigen Wochen angekündigte Auslagerung der Applikationsentwicklung durch ZFS (Zurich Financial Services) an CSC gezeigt. Im Rahmen dieses Projektes wird CSC bis ins Jahr 2005 weltweit rund 1600 Zürich-Angestellte übernehmen – oder wie dieser Vorgang auch genannt wird: «insourcen».

Anteil Outsourcing am Servicegeschäft wächst weiter

Auffällig ist auch, dass bei allen Anbietern der Anteil von Outsourcing-Projekten am Gesamtumsatz mit Dienstleistungen stark ansteigt. So erwirtschaftet etwa IBM rund 48 Prozent des Umsatzes mit Services, wovon wiederum 40 Prozent auf Outsourcing-Projekte entfallen. «Der Anteil vom Outsourcing am Umsatz von IBM Global Services weltweit ist seit den ersten Outsourcing-Abschlüssen Anfang der 1990er Jahre ständig gewachsen», sagt Werner Hoppler, Director Global Services bei IBM Schweiz.
Beim Rivalen EDS beträgt das Verhältnis Outsourcing zu klassischer Systemintegration gar 70 zu 30. Unisys erzielt weltweit 80 Prozent des Gesamtumsatzes mit Dienstleistungen und nur gerade noch 20 Prozent mit Produkten wie Grossrechnern und Highend-Servern. Managed Services und Outsourcing steuern heute je nach Land zwischen 25 und 35 Prozent zum Umsatz mit Services bei, der Rest entfällt auf das traditionelle Projekt- und Systemintegrationsgeschäft: «Dieser Anteil verschiebt sich aber dramatisch in Richtung des Outsourcings», berichtet Henseleit. Es sei denn auch heute weit schwieriger, einem Kunden ein Systemintegrations-Projekt zu verkaufen als ein durchdachtes Outsourcing. Schliesslich blieben bei ersterem die Risiken beim Kunden, bei letzterem würden sie zu einem grossen Teil von den Anbietern getragen, so Henseleit weiter.

Schneller Projektstart, überschaubarere Projekte

Einige Anbieter sind zudem der Meinung, dass die Zeitspanne zwischen der Offerteingabe und dem Projektstart im vergangenen Jahr kürzer geworden ist. Dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass die Nachfrage nach unrealisierbaren Grossprojekten einer realistischeren Einschätzung und Politik der kleinen Schritte auf der Kundenseite Platz gemacht hat. Je nach Komplexität des Vertrages verstreichen heute zwischen der Offerteingabe und dem Projektstart im Schnitt zwischen sechs und zwölf Monate. In Einzelfällen kann es aber auch einmal länger dauern, nämlich dann, wenn ein potentieller Outsourcing-Kandidat seine Hausaufgaben nicht oder nur ungenügend gemacht hat: «Wenn ein Kunde eine Ausschreibung durchführt, um dadurch überhaupt erst zu einem Business Case zu kommen, können auch 18 Monate zwischen Offerte und Projektstart liegen», präzisiert Henseleit. «Die nach der Sensibilisierung folgende zweite Phase mit Ausschreibung, Pflichtenheft und Evaluation läuft heute beschleunigt ab», sagt auch Gröninger. Nicht nur die Anbieter hätten einen Reifeprozess durchlaufen – sondern zumeist auch die Kunden.
Im Durchschnitt werden von Schweizer Unternehmen heute Outsourcing-Aufträge in der Höhe von niedrigen zweistelligen Millionenbeträgen vergeben: «Der Mittelwert der Deals, die EDS abschliesst, bewegt sich zwischen 5 und 15 Millionen Franken», so Saxer. Wenn bei Grossprojekten auch mal von viel höheren Beträgen die Rede ist, darf nicht vergessen gehen, dass dabei stets der gesamte Betrag über die fast immer mehrjährige Vertragslaufzeit gemeint ist (Total Contract Value, TCV)

Giganten punkten mit schierer Grösse

In der sogenannten «Champions League» der globalen Outsourcer kämpfen IBM, EDS und CSC um Marktanteile. Und dabei sind sie – als ob schiere Grösse süchtig nach noch mehr machen würde – primär auf der Suche nach Grossprojekten: «Projekte müssen aber auch eine gewisse Komplexität haben, damit wir unsere Fähigkeiten überhaupt einbringen können und sich Kostenvorteile für den Kunden realisieren lassen», sagt Gröninger. Weltweit sind 30’000 der rund 90’000 CSC-Mitarbeitenden im Applikations-Outsourcing beschäftigt, weitere 35’000 im Infrastruktur-Outsourcing. Rund zwei Drittel aller CSC-Angestellten sind über Outsourcing-Deals oder Akquisitionen zu ihrem Arbeitgeber gelangt. Für Gröninger ist denn auch die Fähigkeit, diese Leute trotz unterschiedlichen Kulturen in einheitliche Prozesse zu integrieren, eine der Stärken von CSC. Die regionalen Marktteilnehmer – etwa T-Systems, Swisscom IT Services oder Steffen Informatik – sieht Gröninger gut für Projekte bei kleineren, lokalen Unternehmen positioniert.
IBM Schweiz bedient aus den drei Rechenzentren in Winterthur, Basel und Genf rund 60 Outsourcing-Kunden. «In grossen Projekten übernehmen wir die Mitarbeitenden und die Infrastruktur des Kunden. Mit den dort freigespielten Kapazitäten kann dann aber auch in kleineren Projekten ein standardisierter Ansatz für den Kunden gefahren werden», so Hoppler. Seiner Meinung nach braucht ein Outsourcer eine «gewisse Grösse», damit sich letztlich die von den Kunden geforderten Kosteneinsparungen realisieren lassen.

Ausschreibungen hart umkämpft

Wenn ein Schweizer Unternehmen eine Ausschreibung für ein Outsourcing-Projekt durchführt, so ist diese in aller Regel sehr hart umkämpft. Die Anbieter stehen sich teilweise auf den Füssen herum. «Bei Ausschreibungen trifft man eigentlich immer die Gleichen», sagt Henseleit. Allerdings würde sich die Anbieter-Landschaft «je nach adressierter Geographie» und der Frage, ob der Fokus ein lokaler oder internationaler sei, verändern. Offiziell will kein Outsourcing-Anbieter seine Mitbewerber und deren Arbeitsweise kommentieren – doch hinter vorgehaltener Hand machen alle möglichen Gerüchte die Runde: Dieser betreibe Preisdumping, jener sei schwach im Consulting, der Dritte kriege keine Projekte. Die Zukunft sehen sie aber alle in den leuchtendsten Farben: «Unsere Pipeline ist gefüllt mit Projekten, der Markt scheint hier zu sein», weiss Armin Berchtold, Manager Strategic Outsourcing bei IBM. Auch EDS will in den nächsten Monaten laut Saxer weitere Mehrjahresverträge in der Schweiz ankündigen. «Wir stehen mitten in Vertragsverhandlungen und werden in Kürze weitere Managed-Service-Projekte in der Schweiz öffentlich machen», heisst es auch von Henseleit bei Unisys. (bor)

HP Schweiz: «Mit uns ist ab jetzt zu rechnen»

Hewlett-Packard, die ebenfalls auf der Outsourcing-Welle surft, konnte bislang vor allem Projektgewinne auf der internationalen Ebene vorweisen – und rührt damit kräftig die Werbetrommel. Obwohl das Unternehmen nach Informationen von Mitbewerbern bei «vielen Schweizer Ausschreibungen» mitmacht, kann der Riese bis anhin keine signifikanten lokalen Projektgewinne vorweisen – oder ist nicht in der Lage, diese zu kommunizieren. Laut Herbert Rütsche, dem Business Development Manager für Managed Services bei HP Schweiz, dürfen nur Möbel Pfister aus dem Jahr 2001 und Antalis aus dem Jahr 2003 namentlich als Referenzen genannt werden: «Alle anderen wünschen keine Erwähnung in der Presse. Dies gilt insbesondere auch für Projekte jüngeren Datums», so Rütsche.
Hinzu komme, dass das Team jüngst viel mitgeholfen habe, um auf der Europa-Ebene grössere Deals hereinzuholen, meint Rütsche weiter. Ausserdem sei es nicht richtig, dass HP Schweiz bei jeder Ausschreibung mitgehe: «Projekte müssen zu unserem Portfolio-Schwerpunkt passen und eine minimale Grösse haben. Dabei denken wir an einen zweistelligen Millionenbetrag bei einer Vertragslaufzeit von drei bis fünf Jahren», so Rütsche.
Allerdings treffe es zu, dass der Merger mit Compaq sowie eine kürzlich erfolgte Reorganisation mit dem Ziel, eine höhere Kundenfokussierung zu erreichen, gewisse Auswirkungen auf einzelne Mitarbeiter und deren Aktionsfähigkeit gehabt hätten: «Diese Prozesse sind jetzt aber abgeschlossen, mit uns ist ab jetzt zu rechnen», so Rütsche. Der Schweizer Markt sei überdies sehr hart umkämpft: «Es gibt Mitbewerber, die sich den Erhalt von Projekten etwas kosten lassen und enger kalkulieren», sagt Rütsche. HP Services sei aber nicht bereit, für ein Outsourcing-Projekt unter Kosten zu offerieren, nur um einen kurzfristigen Projektgewinn verbuchen zu können.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Vor wem mussten die sieben Geisslein aufpassen?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER