PC kills the HiFi-Star

Nicht nur Microsoft will mit seiner Windows Media Center Edition 2005 Unterhaltungselektronik und PC-Technologie unter einen Hut bringen, auch Pinnacle oder Philips bieten raffinierte Konvergenzkonzepte.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/16

     

Als Fotografien noch auf Papier und Musik noch auf CDs abgelegt wurden, war die Welt unkompliziert. Doch die Zeiten haben sich geändert. Fotos und Videos werden (fast) nur noch digital aufgenommen und umfangreichste MP3-Kollektionen verdrängen die klobigen Gestelle mit Audio-CDs.
Die Sache hat nur einen Haken: Multimedia-Daten, die auf Festplatten vorliegen, können im Normalfall auch mit teurem UE-Equipment nicht wiedergegeben werden. Folgerichtig muss die Brücke zwischen der Unterhaltungselektronik und der PC-Welt geschlagen werden. Grundsätzlich existieren drei Lösungsansätze:

Der PC übernimmt komplett die Funktionen von HiFi-Anlage und Videorecorder; eine entsprechende Software oder ein Betriebssystem ermöglicht die Steuerung auf einem TV.


Zwischen PC und Unterhaltungselektronikkomponenten wird ein zusätzliches Gerät – ein sogenannter Media Receiver – geschaltet. Es sorgt dafür, dass digitale Multimediadaten über ein LAN oder ein WLAN auch auf dem analogen HiFi-Equipment zur Verfügung gestellt werden und erlaubt den Zugriff über ein Menü am TV.

Herkömmliche UE-Komponenten wie DVD-Recorder oder AV-Receiver werden mit einem WLAN- oder Ethernet-Interface ausgerüstet und können so auf digitalen Content zugreifen.

Lifestyle à la Microsoft

Auf das erstgenannte Konzept setzt Software-Gigant Microsoft mit seiner Windows XP Media Center Edition (MCE), einer mit Entertainment-Features aufgemotzten Version des hinlänglich bekannten XP-Betriebssystems. Auf den Schweizer Launch-Termin am 15. Oktober wollen diverse PC-Hersteller entsprechende Entertainment-Maschinen auf den Markt bringen.
Die MCE unterscheidet sich im wesentlichen vom XP-Betriebssystem durch eine zusätzliche Oberfläche mit einer intuitiven Bedienungstruktur. Der User selektiert hier Audio-, Video- und Bilddateien oder programmiert die Aufnahme von TV-Sendungen. Die Darstellung im VGA-Format sorgt auch auf konventionellen TVs für eine brauchbare Anzeige.

Die MCE kann mit einer ganzen Reihe heisser Features aufwarten. Zu den wichtigsten Highlights zählen


Harddisk-Recording mit Timeshift-Funktion, elektronischer Programmführer für TV-Aufnahmen (EPG), Webradio-Einbindung, Einbindung von im LAN gespeichertem Content, Abspielen von High-Definition-DVDs, sofern vom Drive unterstützt, Integration von Online-Services sowie Steuerung via Fernbedienung.

Neben diesen multimedialen Funktionen verbirgt sich unter der Media Center Edition die komplette Funktionsvielfalt der XP Home Edition. In den kommenden Jahren wird das System in verschiedener Hinsicht erweitert werden: Zu nennen sind beispielsweise Video-on-Demand-Services oder die Einbindung der Xbox-Spielkonsole ins System.

Design-Variationen

Bei den Formfaktoren ist erlaubt, was gefällt. Angefangen bei konventionellen Slim-Line-Desktops (Fujitsu Siemens) und Notebooks (Toshiba) über HiFi-Anlagen-ähnliche Designs (Fujitsu Siemens) bis hin zu Geräten mit dem trockenen Charme eines Endstufen-Verstärkers (Digital Logic), haben die Anbieter für jeden Geschmack und jedes Budget etwas zu bieten.
Die Media Center Edition wird offiziell ausschliesslich zusammen mit einem Rechner angeboten. Die Unbundling-Auflagen verpflichten Microsoft allerdings dazu, das Betriebssystem auf Wunsch auch separat zu verkaufen; ein Fakt, der bei den Redmondern verständlicherweise nicht an die grosse Glocke gehängt wird. Laut Microsoft liegt die MCE 2005 preislich für Assemblierer irgendwo «zwischen der Home- und der Professional-Version».

Fallstricke

So heiss die MCE-Funktionsvielfalt auch klingen mag, das Konzept bietet auch einige Nachteile.

Da es sich bei den MCE-Rechnern im Grunde genommen um herkömmliche PCs handelt, müssen sie konventionell gebootet werden. Sofern nur der Sleep-Modus verwendet wird, lässt sich diese Zeitspanne immerhin auf rund 10 Sekunden reduzieren.

Wer bereits in ein hochkarätiges Surround-Soundsystem investiert hat, sollte sicher stellen, dass am Rechner koaxiale oder optische Audio-Ausgänge vorhanden sind.

Anders als Fujitsu Siemens bei der Scaleo-C-Linie verzichten viele Hersteller von MCE-Rechnern auf ein Display. Hier müssen allein schon für die Auswahl einer MP3-Playlist der TV oder der Monitor eingeschaltet werden.

Es geht auch ohne Microsoft

Eine Alternative zur Windows Media Center Edition bietet der schwedische Hersteller Wellton Way (www.welltonway.com) mit dem Multimedia Center. Auch hier wird vorausgesetzt, dass ein PC mit Windows XP im Wohnzimmer steht, der die komplette Ausgabe der multimedialen Inhalte übernimmt. Funktionell bietet die Lösung einen ähnlichen Umfang wie die MCE. Zusätzlich bietet das System Funktionen für die Steuerung von andersweitiger Heimelektronik, beispielsweise von Alarmanlagen. Im Verlauf des Oktobers sollen erste mit der Welltonway-Software vorinstallierte Rechner in den Verkauf gelangen.

Media Receiver

Die Anbieter von Media Receiver stammen gleichermassen aus dem IT- wie dem UE-Lager. Die Geräte nutzen ein bestehendes LAN oder WLAN, um die Videos, Bilder oder Audio-Files über bestehendes UE-Equipment bereitzustellen. Für die Auswahl und die Steuerung wird auf dem Monitor ein Menü bereitgestellt.
Eine günstige Konvergenzlösung bietet Pinnacle (www.pinnacle.ch) mit dem Showcenter. Dieser rund 400 Franken teure Media Receiver wird einerseits über ein LAN oder WLAN mit einem PC oder Server verbunden, andererseits mit TV und einer herkömmlichen HiFi-Anlage. Das Gerät scannt die im Netzwerk freigegebenen Ordner nach medialen Inhalten und stellt diese am TV über eine Benutzeroberfläche zum Abruf zur Verfügung. Funktionen wie Harddisk-Recording oder DVD-Abspielen sind möglich, wenn der Rechner mit hauseigenen Grafikkarten ausgerüstet ist.
In dieselbe Richtung zielen die Produkte aus der Streamium-Familie von Philips (www.streamium.com). Der wesentliche Unterschied zur Pinnacle-Lösung besteht in der zusätzlichen Einbindung von Internet-Content, beispielsweise aus dem umfangreichen Yahoo-Pool. Egal, ob Web-Radios, Spiele oder Foto-Kollektionen: Die Wiedergabe erfolgt direkt über TV und Stereoanlage.
Auch vom UE-Spezialist Sony (www.sony.ch) ist mit dem Network Media Receiver eine ähnliche Lösung verfügbar, die allerdings nur im Zusammenspiel mit Sonys Vaio-Rechnern seine Dienste erfüllt. Das Gerät wird auch nur im Bundle mit einem neuen Vaio-Rechner angeboten.
Eine ebenfalls höchst interessante Konvergenzlösung kommt aus dem Hause Hermstedt. Das Gerät mit der Bezeichnung Hifidelio (www.hermstedt.com/german/hifidelio) dient einerseits der Archivierung von Audio-Material, ist mit Zusatzkomponenten aber auch in der Lage, die Dateien per LAN oder WLAN in diversen Räumen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus lassen sich die Tracks einer Playlist auch gleich wieder auf CD brennen. Die Audio-Tracks gelangen beim Wireless Music Center entweder direkt via CD-Ripping auf die Harddisk, können aber auch von analogen Quellen digitalisiert, über LAN und WLAN eingelesen oder via USB von portablen Playern übertragen werden. Fehlen Titel- und Interpretangaben in den ID3-Tags, greift das System auf eine interne Datenbank mit 2 Millionen Titeln zu. Das mühsame manuelle Erfassen entfällt somit in den meisten Fällen. Ebenfalls durchdacht: Dank einem übersichtlichen Display kann hier für die Steuerung via TV verzichtet werden. Das Hifidelio-Center ist voraussichtlich ab Ende Oktober in der Schweiz lieferbar, wobei von einem Endkundenpreis unter 1000 Franken ausgegangen werden kann.

UE mit Link zum PC

Ein weiterer Ansatz wird schliesslich von diversen von UE-Anbietern verfolgt: Klassische HiFi-Komponenten wie Verstärker oder DVD-Recorder werden direkt mit einer LAN-Schnittstelle ausgestattet und ermöglichen so den Zugriff auf Audios und Video-Files im Netzwerk.
Philips (www.consumer.philips.com) etwa bietet diese Anbindung beim WiFi Home Entertainment System. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine vollwertige AV-Surround-Soundanlage, die zusätzlich über LAN oder WLAN die Einbindung von digitalen Medien ermöglicht. Dabei können gleichermassen lokaler Content wie auch Medienangebote im Web abgerufen werden.
Wie Philips ermöglichen diverse weitere Hersteller den Medienzugriff über integrierte LAN- oder WLAN-Interfaces. Zu nennen sind hier beispielsweise der durch seine DIVX-fähigen DVD-Player bekannte Hersteller KISS, der verschiedene seiner Player- und Recorder mit einem RJ45-Anschluss ausstattet. Daneben hat auch Sony mit dem AV-Receiver STR-LV700 ein Gerät im Sortiment, das über Ethernet-Schnittstelle verfügt.

Reiner Signal-Transfer

Der Vollständigkeit halber bleiben jene Lösungen zu erwähnen, die lediglich die Audio- und Videosignale vom PC oder Server zum UE-Equipment übertragen. Dazu zählt Apples Airport-Extreme-System ebenso wie die Microlink dLAN-Audio-Lösung von Devolo, womit das Audio-Signal vom PC über das Stromnetz an eine HiFi-Anlage übermittelt werden kann. Die Steuerung der Medien-Ausgabe erfolgt bei diesen Lösungen direkt über den PC.

Unter dem Strich

Abschliessend bleibt zu bemerken, dass es sich bei (fast) allen vorgestellten Lösungen um Produkte der ersten, allenfalls der zweiten Generation handelt. Vieles ist noch nicht ausgereift und dürfte in Zukunft noch einige Verbesserungen erfahren. Nichtsdestotrotz sind die Lösungen vielversprechend und zeigen verschiedene Möglichkeiten, wie sich Unterhaltungselektronik und PC-Technologie unter einem Dach zusammenfassen lassen. Welches Konvergenzkonzept schliesslich das Rennen machen wird, wird die Zukunft weisen. (rd)


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