Voice over IP startet durch in der Schweiz

Nach einigen Hype-Jahren machen Schweizer Firmen in der VoIP-Arena heute gute Geschäfte. Am Horizont zeichnet sich ein Kampf der Kanäle zwischen traditionellen Telefoninstallateuren und IT-Netzwerkern um Projekte ab

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/18

     

Die Marktauguren waren sich zum Anfang dieses Jahres einig: 2004 sollte das «Jahr des Durchbruchs» für Voice over IP (VoIP) werden. Klar ist: Das Publikumsinteresse an der VoIP-Anwendung Internet-Telefonie ist riesig. «Ich habe seit Jahren nicht mehr erlebt, wie Leute so auf ein Thema anspringen», sagt Guido Honegger, Geschäftsführer von Green. Der Internet-Provider hat auf den 1. Oktober ein Telefonie-Angebot lanciert. Damit richte es sich primär an KMU-Kunden. Bislang habe man 100 Kunden aufgeschaltet, pro Woche kämen weitere 50 dazu. Geld verdient Green durch die erhöhte Kundenbindung (Telefonierer brauchen einen ADSL-Anschluss des Anbieters), die moderaten Abonnements-Gebühren sowie die Interkonnektions-Gebühren, die bei der Weiterleitung eines Anrufs an ein Mobilfunknetz kassiert werden.

Grosse Hersteller frohlocken

Wenn Internet-Telefonie von Firmen wie Cablecom, Econophone und Green verbreitet angeboten wird, profitieren natürlich auch die Hersteller der dafür notwendigen Carrier-Infrastruktur: «Die Nachfrage nach Soft-Switches seitens der Schweizer Carrier dürfte weiter steigen», sagt dazu Christian Waas, Head of Business Development Carrier Networks bei Siemens Schweiz. Die momentan laufenden Projekte seien enorm wich-
tig, weil dadurch eine Technologie
in die Breite geführt werde, welche auch die Voraussetzung für das sogenannte Triple-Play ist (die Übertragung von Sprache, Daten und Video über eine einzige Leitung). Es sei eine Frage der Zeit und der wirtschaftlichen Überlegungen, wie schnell die Migration von der jetzt betriebenen und gut funktionierenden Telefonie-Infrastruktur zur neuen Breitband-
Infrastruktur für mehrere Dienste vollzogen werde.

Viel mehr als ein Hype im Corporate-Umfeld

Während sich also Internet-Telefonie als Massenphänomen langsam aber sicher in den Köpfen verankert, läuft das Geschäft mit VoIP im Unternehmensumfeld schon richtig gut: «Im Jahresvergleich verzeichnen wir Zuwachsraten von über 110 Prozent», sagt Frank Horn (Bild), Specialised Systems Engineer Voice&Video-Technologien bei Cisco Schweiz. Als Zeichen für die erstarkte Nachfrage wertet Horn auch die Tatsache, dass so ziemlich jeder Telefonie-Hersteller Cisco nachziehe und inzwischen auch Alcatel, Siemens und Nortel den Bereich IP-Telefonie marketingmässig in den Vordergrund stellen und viel Lärm darum machen: «IP-Telefonie ist im Unternehmensbereich ganz sicher mehr als ein Hype», so Horn zu IT Reseller. Cisco Schweiz verdoppelte die installierte Basis auf über 43’000 IP-Lines und erreichte im Juli dieses Jahres einen Wert von 100 verkauften IP-Lines pro Geschäftstag. Über 300 Kundenprojekte will der Hersteller inzwischen vorweisen können. Zu den wichtigsten Rollouts zählten grosse Installationen etwa bei Helvetia Patria, Helsana, Groupe Mutuel, CSS, Stadt Biel und der Coop-Gruppe. «Inzwischen ist VoIP allerdings auch ganz klar zum Thema für KMU geworden», so Horn zu IT Reseller. Viele Projekte würden im Bereich von einigen hundert Anschlüssen realisiert, aber auch optimierte Lösungen für den Bereich von 50 Teilnehmern seien heute erhältlich und würden nachgefragt, so Horn weiter. Gemäss den Marktforschern von IDG wurden im Jahr 2003 in der Schweiz 4,3 Millionen Dollar mit IP-Telefonen umgesetzt. Im Jahr 2008 sollen es bereits 10,9 Millionen Dollar sein, was einer jährlichen Wachstumsrate von immerhin 20,3 Prozent entspricht. Mit einer weiter steigenden Nachfrage rechnet man auch bei Ascom Network Integration: «Die Zeichen stehen auf Wachstum, wir erwarten eine kontinuierliche Zunahme an VoIP-Projekten», teilt das Unternehmen mit.

Gute Geschäfte für die Partner

Voice over IP wird aber auch immer mehr zu einem tragfähigen Business für die Partner der grossen Netz-
werker sowie für Systemintegratoren und klassische Elektroinstallateure: «Während der Hersteller-Markt von globalen Playern beherrscht wird, kön-
nen lokale Integratoren nach wie vor ihren Platz finden», sagt Peter Küng, Geschäftsführer des Cisco-Partners Cassarius. Um potentiellen KMU-Kunden die Vorzüge einer VoIP-Lösung aufzuzeigen, führt Cassarius Roadshows durch: «Das Interesse ist sehr gross, doch momentan fehlt es leider oft noch am Budget», sagt Küng.
Interessant ist auch die Tatsache, dass es im Partner- und Integratoren-Umfeld zu neuen Konkurrenzsituationen kommt: «Ich habe bei einer Ausschreibung eher Respekt vor einem dynamischen Elektronistallateur, der bereits erfolgreich in diesem Bereich tätig ist, als vor der Konkurrenz durch die grossen IT-Dienstleister», verrät Küng dem IT Reseller. Fakt ist, dass die technische Entwicklung beide Player vor neue und schwierige Herausforderungen stellt. Wie im Bereich der Konvergenz von IT und Consumer Electronics zeichnet sich hier ein «Kampf der Kanäle» ab – mit einem Vorteil für das Daten-Lager.

Auch Microsoft springt auf den VoIP-Zug auf

Wie diese Woche auch bekannt wurde, will Microsoft gross in die VoIP-Arena einsteigen: Geplant ist offenbar die Integration der Telefonie als Anwendung mit dem Live Communications Server 2005. Für Michael Kerle, den Mediensprecher von Media Streams, deren Produkt E-Phone die Integration von Telefonie in MS Outlook bewerkstelligt, ist das kein Problem: «E-Phone verfügt über zahlreiche Funktionen, die über die Basistelefonie hinausgehen», sagt er. Das Geschäft für das Zürcher Unternehmen hätte sich in diesem Jahr «extrem erfreulich entwickelt», so Kerle. Man spüre das Interesse von kleinen Unternehmen bis hin zu Grosskonzernen: «Wer eine hohe Anzahl an Büroarbeitsplätzen hat und vor der Entscheidung steht, sich eine neue Telefonanlage anzuschaffen, sollte sich E-Phone genauer anschauen», posaunt Kerle.
Genau beobachtet wird derzeit am Markt auch die Entwicklung im Bereich von VoIP über Wirless-LAN. Weil die Telefonie über das Internet-Protokoll zudem deutlich billiger ist als die Sprachübermittlung über UMTS wird zudem davon ausgegangen, dass VoIP über WLAN – zumindest in Ballungsgebieten, wo derzeit eine lückenlose Abdeckung durch WLAN-Hotspots entsteht – zum Todesurteil für UMTS werden könnte. Heute fehlen allerdings noch klar definierte Quality-of-Service-Standards für WLAN und ohne eine priorisierte Behandlung der Voice-Daten lässt sich keine auch nur annähernd befriedigende Sprachqualität für die Telefonie realisieren. (bor)


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