Die Schweizer IBM-Händler werden IBM/Lenovo auch nach dem Kauf der PC-Sparte durch
Lenovo die Treue halten. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von IT Reseller im IBM-PC-Channel. Ein Grossteil der Befragten will auch weiterhin IBM/Lenovo-PCs und -Notebooks verkaufen und erwartet durch den Verkauf an die Chinesen keinen nennenswerten Einfluss aufs eigene Unternehmen.
«Vorderhand wird sich für uns noch nichts ändern, wir bauen darauf, dass IBM/Lenovo weiterhin ein starker Partner sein wird», sagt Thomas Hunkeler, CEO der Surseer Suco Informatik, gegenüber IT Reseller. «Durch Lenovo werden weitere interessante Produkte und Dienstleistungen hinzukommen. Das Branding im PC-Bereich allein macht nicht glücklich. Als
IBM damals das Druckerbusiness an
Lexmark abgegeben hat, hat das zu einer Stärkung der Produkte geführt», so Hunkeler weiter.
Die Mehrheit steht dem Deal grundsätzlich positiv oder zumindest neutral gegenüber, wenn auch kritische Stimmen zu vernehmen sind: «Ich begreife nicht, dass die grosse IBM nicht fähig war, das PC-Geschäft erfolgreich zu führen», wundert sich Kurt Weber, CEO und Inhaber von
Paninfo. «Sie hatten alles, eine grosse Kundenbasis, einen guten Namen und genügend Geld.» Trotzdem steht Weber dem Geschäft positiv gegenüber. Er glaubt, die neue Firma wird flexibler werden. Paninfo wird in der Schweiz zudem die gleichen Ansprechpersonen haben, und mit denen sei man immer gut gefahren, so Weber.
Consumer-PCs nein
Durch die Bank weg wollen die Partner weiterhin IBM/Lenovo-PCs verkaufen, halten sich aber bei der Aufnahme der Lenovo-Consumer-Produkte in ihr Portfolio vorerst zurück. «Wir werden weiter die IBM/Lenovo-Produkte verkaufen, die Consumer-Produkte jedoch sicher nicht», sagt Weber von
Paninfo. Anderorten wird abgewartet und geprüft: «Je nach Sortiment und Channel-Strategie von Lenovo werden wir zu gegebener Zeit auch das Angebot im Consumer-Bereich prüfen», sagt Thomas Hunkeler, Suco Informatik. Lenovo ihrerseits plant den Channel kontinuierlich zu erweitern.
Was Umsatzzuwachs, Gewinnung neuer Kunden und grössere Chancen bei Projekten betrifft, halten sich die Erwartungen die Waage. Die Hälfte der Befragten erhofft in allen drei Punkten eine positive Entwicklung, vorausgesetzt, die Kunden werden flexibler. Die andere Hälfte geht davon aus, dass sich diesbezüglich nichts ändern wird. Von Ängsten kann kaum die Rede sein, keiner befürchtet grössere Konkurrenz unter den Partnern, man erwartet grundsätzlich auch keine schlechtere Partnerbetreuung seitens
Lenovo. Einzig wird ein Abspringen einzelner Kunden oder je nach Verlauf des Deals eine Fusionslähmung erwartet.
Der Retail hingegen, den Lenovo mit den Consumer-Produkten ansteuern will, möchte sich bis dato nicht zum Thema äussern. «Wir kennen bis heute weder Produkte, Preise noch konkrete Strategien für den Schweizer Markt», sagt beispielsweise Urs Wilhelm, Leiter Kommunikation/PR bei
Interdiscount, gegenüber IT Reseller.
Angst vor Spionage
Doch noch ist nicht aller Tage Abend. Denn wie es momentan aussieht, könnte George W. Bush himself den Deal noch ins Kippen bringen. Derzeit lässt die US-Regierung den geplanten Verkauf von Big Blues PC-Sparte an die Chinesen eingehend prüfen. Wie das «Wall Street Journal» unter Berufung von Insiderquellen berichtet, soll das «Committee on Foreign Investment in the United States» (CFIUS), das für ausländische Investitionen in den USA zuständig ist, unter der Leitung von Finanzminister John Snow innerhalb von 45 Tagen untersuchen, ob die Übernahme nationale Sicherheitsinteressen bedrohe.
Drei Kongressabgeordnete hatten Snow Ende Januar zu einer genauen Prüfung aufgefordert, da sie befürchten, dass es nach der Übernahme zur Industriespionage kommen könnte, sprich, dass hochentwickelte US-Technologie in chinesischen Besitz geraten könnte.
Laut dem Wall Street Journal seien Untersuchungen seitens des CFIUS äusserst selten. Im schlimmsten Fall kann das Komitee dem Präsidenten empfehlen, den Deal gemäss eines 1988 erlassenen Gesetzes platzen zu lassen.
Alles bleibt beim alten
Während die US-Behörden eifrig prüfen, basteln die beiden Konzerne im Hintergrund bereits am Konzept für den Neuanfang: Die neue PC-Sparte von
Lenovo will sich aus Kostengründen nicht mehr mit allen PC-verwandten Themen beschäftigen. Schwerpunkte legen die Chinesen auf die Entwicklung, die Produktion und den Vertrieb der PCs. Zudem soll die neue Struktur internationaler sein und vieles soll von Big Blue «adoptiert» werden. Der CEO der neuen Lenovo heisst Steve Ward und kommt von
IBM, die Channel-Struktur, die Verkaufsmethoden, das Marketing und auch die Forschung und Entwicklung werden vom US-Konzern übernommen. Lenovo selbst steuert das Consumer-Wissen hinzu, ein Segment, in welchem Big Blue bis dato nicht mitmischte.
Für den Channel, die Partner und die Kunden soll sich nichts ändern, liess Robert Pasquier, der neue Director Channel und SMB für die Zentralregion, auf einer Veranstaltung in München verlauten. Er räumt aber ein, dass nach der geplanten Übergangszeit von fünf Jahren an der Preisschraube gedreht werden könnte. Bis dahin sollen die Produkte dann auch neue Namen haben.
Die Konkurrenz unterdessen frohlockt: «Der Verkauf von IBMs PC-Sparte an die chinesische Lenovo bedeutet bislang nur mehr Aufträge für uns», lästerte Dell-Chef Michael
Dell. Und HP-Chefin Carly Fiorina fügt an: «Wir werden abwarten und sehen, was Lenovo tatsächlich zustande bringt. Für ein Unternehmen, das bisher vollkommen auf China fokussiert war und innerhalb des letzten Jahres im Vergleich zu Konkurrenzunternehmen, die in diesen Markt eingetreten sind, in einige Schwierigkeiten geraten ist, wird es ein komplexer Prozess sein, die beiden Unternehmen zusammenzubringen.»
Verluste über Verluste
IBMs PC-Sparte hat seit 2001 ein Loch von 973 Millionen Dollar in Big Blues Kasse gerissen. 2003 lag der Verlust bei 258, 2001 sogar bei 397 Millionen Dollar. Allein im ersten Halbjahr 2004 wurde ein Verlust von 139 Millionen Dollar eingefahren, unter Berücksichtigung von Abschreibungen durch Mitarbeiteraktienoptionen waren es sogar 149 Millionen Dollar. Bisher gab
IBM keine einzelnen Ergebnisse für den PC-Bereich bekannt, sondern konnte die Defizite in den Zahlen für den gesamten Hardware-Bereich verstecken, die auch das profitable Servergeschäft beinhalten.
Aber auch
Lenovo musste Federn lassen: Der Umsatz der Chinesen ist im dritten Quartal um 3,7 Prozent auf 809 Millionen Dollar geschrumpft. Als Gründe für den Rückgang nennt das Unternehmen die stark gesunkenen Preise und einen geringeren Absatz, hervorgerufen durch die verstärkte Konkurrenz durch ausländische Unternehmen wie
Dell oder
HP im chinesischen Markt. Kurzfristig erwartet das Unternehmen durch den Kauf der IBM-PC-Sparte deutlich reduzierte Umsätze, hofft aber durch den Erwerb des Bereichs langfristig zu überleben. (sk)