«Wir reden mit Kunden wenig über IT, sondern über Prozesse», sagt Nicolas Vezin (Bild), der seit einem Jahr die Schweizer Niederlassung von Steria leitet. Der aus der Fusion mit der ehemaligen Serviceabteilung der Bull-Gruppe Integris hervorgegangene Konzern mit rund einer Milliarde Euro Umsatz, beschäftigt in der Schweiz 120 Mitarbeitende, die meisten davon in Zürich und Genf. Steria macht in der Schweiz rund 40 Mio. Franken Umsatz (Schätzung IT Reseller), etwa gleichmässig verteilt auf die Geschäftsbereiche Systementwicklung und -integration, Infrastruktur und Hardware sowie Managed Services.
Offshoring bleibt schwierig
Vezin arbeitet mit rund 60 Software-Entwicklern im Bereich Systemintegration. Dabei ist die Firma besonders etabliert in der Transport-Branche, und zwar bei Flughäfen, Autobahnen und bei den Schweizerischen Bundesbahnen. Vezin kann für seine Integrationsprojekte zusätzlich auf einen grossen Entwickler-Pool aus Deutschland und Frankreich zurückgreifen. Ausserdem bestehen Partnerschaften mit Entwickler-Teams in Bulgarien und Indien.
Obwohl Steria auch Teilaufträge an Partner in klassischen Offshore-Ländern vergibt, ist Vezin kein eigentlicher Verfechter der Auslagerung von Software-Entwicklung in Drittländer, denn bei solch spezialisierter Kundschaft braucht es naturgemäss eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Kunden vor Ort. Dementsprechend ist der Steria-Chef auch kritisch, was die oft gehörten Aussagen über Kosteneinsparungen dank Offshoring von Entwickleraufgaben nach Osteuropa oder Indien betrifft: «Mit Offshoring kann man die Kosten nicht um 50 oder gar 60 Prozent senken, wie oft behauptet wird, da der mögliche Anteil der Code-Entwicklung nur ein Bruchteil des Gesamtvolumens eines Projekts ausmacht.» Auch seien oftmals die kulturellen Unterschiede nicht zu unterschätzen. Ein Faktor, der die Zusammenarbeit – insbesondere bei sehr komplexen oder zeitkritischen Projekten – erschwer
Fokus auf Eigenentwicklungen
Auch was die oft von Kundenseite und aus der Presse gehörte Forderung nach Standardlösungen angeht, ist Vezin skeptisch: «Bei einem ERP-Projekt kann man ein Standardprodukt für den Kunden parametrisieren und damit den Wünschen anpassen. Ab einem gewissen Komplexitätsgrad sind Neu- und Eigenentwicklungen durchaus gerechtfertigt», sagt der 34-Jährige.
So erstaunt es denn auch nicht, dass Steria im Systemintegrationsgeschäft vor allem an Grossprojekten interessiert ist. Dies lässt sich anschaulich am Beispiel Parkhausbewirtschaftungssysteme für Flughäfen verdeutlichen. Kleine Flughäfen haben nicht das Geld für Individualentwicklungen, sie begnügen sich gezwungenermassen mit Standardlösungen. Steria bietet nur bei Projektausschreibungen der beiden grössten Schweizer Flughäfen Zürich und Genf mit. Hier habe man als spezialisierter Software-Entwickler gute Chancen, sagt Vezin, da Standardprodukte für die Wünsche eines Flughafenbetreibers wie Unique schnell an Grenzen stossen oder die Anpassung an die kundenspezifischen Wünsche teurer komme als eine Eigenentwicklung. In Genf konnte Steria verschiedene Konkurrenten ausstechen, die Systeme für Kassen und Barrieren mit Standardmodulen anboten. Seit Inbetriebsetzung im Jahr 2000 läuft in Cointrin eine Eigenentwicklung von Steria. Und das im letzten Jahr in Zürich in Betrieb genommene System wurde zusammen mit dem auf Parkhaustechnik spezialisierten Unternehmen Skidata (Schweiz) realisiert.
Geschäft mit Bund und Kantonen
Noch deutlicher wird der Sinn von Eigenentwicklungen am Beispiel der Autobahnen und der SBB. Für die SBB hat Steria zwei von total drei Class-A-Systemen gebaut, Systeme, die nie ausfallen dürfen. Dazu gehört das Positionserkennungs- und das Dispositionssystem, das 2001 neu ausgeschrieben wurde. Ein namhafter Konkurrent hatte den Zuschlag erhalten und versuchte, mit bestehenden Modulen zu arbeiten und für Anpassungen Mehrleistungen zu verlangen. Doch die Rechnung ging nicht auf: Die SBB entzogen dem Unternehmen den Auftrag, das Projekt wird jetzt neu ausgeschrieben. Steria erhält also nochmals eine Chance, mit einer Projekteingabe auf der Basis einer Eigenentwicklung punkten zu können.
Auch Kantone sind gute Kunden. Ein Grossteil der Schweizer Autobahnen wird von Steria-Systemen überwacht, so etwa Zürich, Genf, Basel Stadt und Basel Land, Jura, Waadt und Wallis. Dabei handelt es sich um sogenannte übergeordnete Leitsysteme der Verkehrspolizei und des Unterhaltsdienstes, für die man Schnittstellen baut, die elektromechanische Anlagen wie Ampeln, Spursignalisierungen, Brandmelder, Verkehrsdichte- und Geschwindigkeitsmessgeräte überwachen und steuern. Man möchte zwar nicht denken, dass für solche Systeme eigene Lösungen für die Schweiz gebraucht werden. Aber Vezin entgegnet, dass hierzulande andere Normen hinsichtlich Sicherheit sowie für Kommunikationsprotokolle gelten als etwa in Deutschland oder Frankreich. Ausserdem würden sogar in jedem Kanton wieder andere Anforderungen gestellt. Das Geschäft mit Autobahnen ist auch aus einem weiteren Grund eine sichere Einnahmequelle für eine Firma, die in einem solch spezialisierten Sektor gute Referenzen hat. Solche Systeme müssen nämlich rund alle zehn bis fünfzehn Jahre erneuert werden, da die Wartung irgendwann schwierig wird. Und was passiert, wenn der Nationalstrassenbetrieb in ein paar Jahren in die Hoheit des Bundes übergeht? «Dann werden wir aufgrund unserer Referenzen gute Chancen haben, wieder neue Systeme zu bauen», sagt Vezin schmunzelnd, merkt aber an, dass der Preisdruck beim Staat mittlerweile beachtlich sei. (mh)
Steria
Steria-Konzern
1969 Gründung
2001 Fusion mit Integris, der Serviceeinheit von Bull
Knapp 1 Mrd. Euro Umsatz
8000 Mitarbeiter
Kerngeschäftsfelder:
40% Outsourcing
40% Systemintegration
20% Consulting
Steria Schweiz
1977 Gründung
120 Mitarbeiter
Umsatz 2004: 54 Mio. Franken
Erwarteter Umsatz 2005: 41 Mio. Franken (–25%)
Zu dem zu erwartenden Umsatzeinbruch von rund 25 Prozent in der Schweiz tragen zwei Umstände bei:
1. wird der Umsatz von Steria im Umsatz 2005 nicht mehr konsolidiert (ca. 15%).
2. hatte Steria 2004 einen aussergewöhnlich grossen reinen Hardware-Deal einmaliger Natur bei Swisslife abgeschlossen. Diesen Umsatz hat Steria für 2005 aus den Prognosen gestrichen (ca. 10%). Das Produktgeschäft ist nicht Kerngeschäft von Steria, es wird lediglich «on top» betrieben.