Als vor rund zwei Jahren grosse Retailer wie Walmart und Metro ankündigten, dass sie Funketiketten im Konsumgüterbereich einsetzen wollen, löste dies einen eigentlichen RFID (Radio Frequency Identification-)
Hype aus. Doch fast ebenso schnell meldeten sich die Datenschützer und in der breiten Öffentlichkeit wurden Überwachungsängste laut. Diese sind denn auch dafür mitverantwortlich, so Steffen Schaefer (Bild), EMEA Technical Thought Leader für Wireless Sensing Solutions bei
IBM, dass viele Kunden nicht wollen, dass Details ihrer RFID-Pläne bekannt werden.
«Die Ängste der Konsumenten», so Schaefer, «sind zwar nicht unbedingt berechtigt und hängen hauptsächlich damit zusammen, dass sie die Technologie nicht wirklich kennen.» RFID-Tags seien nur auf kurze Distanz ablesbar und nur mit speziellen Readern. Aber Schaefer glaubt nicht, dass sich die Vorbehalte mit vermehrter Aufklärung kurzfristig ausräumen lassen, doch: «Bis dahin müssen wir diese Ängste respektieren. IBM konzentriert sich daher beim RFID-Einsatz auf Gebiete, die in dieser Beziehung weniger exponiert sind, als die Auszeichnung von Konsumprodukten mit RFID-Tags.»
Für diese Entwicklung gibt es aber noch weitere Gründe: Lieferboxen mit Tags auszuzeichnen, macht insofern einen Sinn, als sich auf diese Weise die Übersicht im Lager oder einer Produktionskette leichter behalten lässt. Für Einzelprodukte sind die Funketiketten jedoch nach wie vor zu teuer, insbesondere wenn es sich um relativ niedrig-preisige Massenprodukte handelt.
Vielfältige Anwendungen
in der Industrie
Die Stossrichtung bei RFID verlagert sich zurzeit, wie Schaefer gegenüber IT Reseller ausführt, in Richtung Fertigungsindustrie: «Zuerst lag der Fokus sicher auf dem Retail-Business. Das ist auch heute noch so, soweit es um Lagerhaltung und Supply Chain geht. Aber die Entwicklung erfasst immer stärker auch die industriellen Märkte. Hier dient RFID nicht nur der Optimierung der Lieferkette, sondern vor allem auch dazu, Produktionsprozesse zu kontrollieren und hochwertige Teile zu identifizieren.»
Allein die Automobilindustrie soll in diesem Jahr um die 600 Millionen Dollar in RFID-basierende Projekte investieren. Zu den Vorreitern gehört Ford. Das Unternehmen nutzt RFID-Tags, um die Montage zu überwachen und sicherzustellen, dass jeder Produktionsschritt und jedes verwendete Teil mit dem Kundenauftrag übereinstimmt. VW seinerseits setzt RFID ein, um im jeweiligen Ausstoss einzelne Wagen unmittelbar identifizieren zu können.
Flugzeughersteller wie Boeing und Airbus sind ebenfalls auf dem Sprung, RFID-Tags einzusetzen. Hier geht es vor allem darum, Einzelteile im Falle eines Problems auch später noch bis zum Hersteller zurückverfolgen zu können. Funketiketten im Flugzeug müssen aber extreme Temperaturschwankungen aushalten und dürfen während des Fluges keine elektromagnetischen Störungen verursachen. Boeing spezifiziert zurzeit diese Anforderungen.
Dass das US-Verteidigungsdepartement die in die Lieferkette eingebundenen Unternehmen verpflichtet, Verpackungen, Paletten und Container mit RFID-Tags auszuzeichnen, ist seit längerem bekannt.
Bewältigung der Datenströme
Ein Problem bildet in jedem Fall die schiere Menge an Daten, die von den Readern erfasst wird. Walmart etwa spricht von täglich rund sieben Terabyte, die durch den Einsatz von RFID-Tags in der Warenverteilung anfallen. Ungefiltert dürfte dies jede Backend-Applikation überfordern. Vor lauter Daten wären keine Informationen mehr herausfilterbar.
Schaefer: «Sinnvollerweise sollte daher von vornherein eine End-to-End-Lösung ins Auge gefasst werden, die auch skaliert.» In einem Lagerhaus etwa sieht dies so aus, dass die von den Readern eingelesenen Daten im Edge-Server auf Mehrfachlesungen überprüft und für die Auswertung nicht benötigte Daten ausgefiltert werden. In Zukunft dürfte diese Aufgabe von «intelligenten» Readern direkt übernommen werden. Die gesäuberten Daten gelangen dann auf den «Premisses-Server», wo die Verantwortlichen vor Ort erste Informationen auswerten können. Erst dann kommen die allenfalls nochmals gefilterten Daten in die Enterprise- und Business-Applikationen.
Auf diese Weise ist die RFID-Technologie in der Lage, Produktion und Lieferkette in den nächsten Jahren zu revolutionieren. Davon ist Schaefer überzeugt. (fis)
Euro ID 2005
Vom 19. bis 21. April gaben sich rund 60 Aussteller aus ganz Europa und den USA in Wiesbaden ein Stelldichein auf der «Euro ID 2005». Die Fachmesse auf dem Sektor der RFID für Automatische Identifikation in Handel, Industrie und Verwaltung wurde in diesem Jahr erstmals durchgeführt. Unter den Ausstellern fanden sich Firmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Auto-ID-Technologien wie beispielsweise
Sun Microsystems,
Philips Semiconductors, Printronix,
Océ und
Wincor Nixdorf. RFID soll hohe Automatisierungs- und Einsparungspotentiale in geschlossenen Kreislaufsystemen in der Produktion und in der (internen) Logistik erzielen, aber auch im After-Sales-Service ist der Einsatz von RFID vorstellbar. Aufgrund des grossen Erfolges bei den Besuchern soll die Euro ID auch im kommenden Jahr wieder durchgeführt werden. (sk)