«Ich habe Mühe mit dem stromlinienförmigen Manager-Image», sagt Reto Bertschi, Mitgründer und Geschäftsführer von LAN Services. Man glaubt es ihm sofort – seine Haare sind nicht gerade windschlüpfrig drapiert. Und ein Patron, der sein Imperium mit eiserner Hand regiert, ist er ebenfalls nicht. Ist er im Haus, steht seine Bürotür stets offen.
Wer sich darauf die Frage stellt, wie der Bieler es schafft, schon seit 16 Jahren erfolgreich in der IT-Branche Geschäfte zu machen, erhält eine Antwort, die durch ihre Einfachheit überzeugt: Der Mut zum Risiko, das Gespür für den richtigen Augenblick und ein wenig Glück.
Die Firmengeschichte beginnt 1989. Bertschi ist gerade mal 22 Jahre alt, als er zusammen mit seinem Freund Christian Passath die Firma LAN Computer Systems für Netzwerk-Integration gründet. Zwei Namen dominieren zu jener Zeit in diesem Geschäft:
IBM und
Novell. Die Übertragungsgeschwindigkeit bei den mit koaxialen Kabeln verdrahteten Netzen beträgt 1 Megabit pro Sekunde. Aus heutiger Sicht mit Gigabit-Ethernet nicht gerade atemberaubend.
Vier Jahre später heben die beiden Jungunternehmer die zweite Firma,
LAN Services, aus der Taufe. Fortan kümmert sich LAN Computer Systems um die Netzwerk-Installationen, den Verkauf von Hard- und Software sowie die Projektberatung. LAN Services hingegen übernimmt die Wartungs- und Supportarbeit. Gleichzeitig beginnt sich LAN Services als Internet Provider zu betätigen.
Später stossen die Webagentur Bytix mit Sitz in Zürich und die mit Aseantic gegründete Hosting- und Housing-Firma Netrics zur Firmengruppe hinzu. Aktuell stehen 50 Mitarbeitende auf der Lohnliste der Gruppe.
Bertschi leitet als CEO die Geschäfte von LAN Services. Neben der klassischen Dienstleistung eines Providers, dem Internetzugang, bietet das Unternehmen auch Dienstleistungen für Betreiber von TV-Kabelnetzen an. Mit seinen verschiedenen Standbeinen ist es dem Unternehmen letztlich gelungen, in einer lukrativen Nische zwischen den beiden Schwergewichten
Cablecom und
Swisscom Fuss zu fassen, inklusive Triple-Play-Angebot (Internet, Fernsehen, Telefonie). Es muss eine interessante Nische sein: Denn auch nach 16 Jahren im Geschäft hat Bertschi noch nicht die Nase voll. «Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht», sagt er.
Das Heft in der Hand
Die Leidenschaft für den Computer entdeckt er früh. Als Jugendlicher programmiert er auf seinem Commodore 64 zuerst in Basic, später in Assembler. Das Fundament ist gelegt.
Sein Einstieg ins Berufsleben verläuft jedoch zuerst einmal alles andere als gradlinig. Nach dem Gymer in Bern beginnt er eine Lehre bei der Firma EIM Computer, dem damals grössten Schweizer IBM-Händler.
Bevor der Vertrag unterschrieben ist, verspricht ihm sein künftiger Chef, dass er eine Lehre als Programmierer absolvieren könne. Eine Ausbildung, die es damals – es ist 1984 – gar noch nicht gibt. Deshalb muss sich Bertschi schliesslich mit einer kaufmännischen Lehre begnügen. Wenigstens ist im Lehrplan das Fach Informatik bereits vorgesehen.
Dem Informatik-Lehrer ist Bertschi jedoch um Nasenlängen voraus. Deshalb nimmt er schliesslich das Heft sprichwörtlich selbst in die Hand und unterrichtet seine Mitschüler im Umgang mit dem Computer.
Ein zweites Leben
Kurz nach der Lehre und vor dem Schritt in die Selbständigkeit widerfährt Bertschi etwas, das ihn fürs Leben prägt: Nur knapp überlebt er einen Flugzeugabsturz. Von den vier Mitfliegenden sterben zwei. Er selbst wird schwer verletzt und liegt drei Wochen auf der Intensivstation.
Dieses Erlebnis wirft die Wertvorstellungen des damals 20Jährigen komplett über den Haufen. Dass er sich heute sozial engagiert und gezielt auch Leuten eine Chance gibt, die vom Weg abgekommen sind, erklärt er mit diesem Einschnitt. «Ich habe ein zweites Leben erhalten», sagt Bertschi.
Darum geniesst er das Leben heute intensiver und ist in seiner Freizeit oft auf dem Golfplatz anzutreffen. Unerschütterlich ist aber auch sein Mut zum Risiko und die Lust auf Nervenkitzel: Er fährt gerne schnelle Autos, auch einmal auf einer Rennstrecke.
Im Geschäftsalltag ist er aber nicht so sehr der rennfahrerische Einzelkämpfer als vielmehr Team-Player mit Spielmacherqualität. Sein Übername in der Firma ist «Innovator», der Ideenlieferant. Und das läuft so: «Ich störe meine Leute», sagt Bertschi schmunzelnd. Er geht also zu einem Mitarbeiter, sagt, er habe da so eine Idee und erzählt. Ein solches Gespräch dauert jeweils kaum mehr als fünf Minuten, wirkt jedoch nachhaltig. Bertschi spricht von E-Mails, die ihn spätabends erreichen, wenn er zu Hause an seinem PC sitzt. E-Mails, in denen die Mitarbeiter seine Ideen weiterspinnen. So ist zum Beispiel auch die Hauptinnovation Quickline entstanden: Internetzugang über das TV-Kabel, den er mit einem lokalen Kabelnetzbetreiber noch vor
Cablecom auf den Markt gebracht hat.
So gelingt es
LAN Services, am Markt zu bestehen und sich zu differenzieren. Von reinem Wiederverkauf ab der Stange wie bei den ADSL-Breitbandzugängen der
Swisscom hält Bertschi nicht viel. «Wenn ich das Rad zurückdrehen könnte, würde ich nicht mehr ins ADSL-Business einsteigen», sagt Bertschi.
Der Erfindergeist, den das Unternehmen pflegt, ist letztlich das Kapital von LAN Services. So gelingt es der Firma, ihre Nische erfolgreich zu verteidigen. Und hier kann Bertschi, der Chef mit Sturmfrisur und Innovationskraft, als Ideenlieferant und Motivator seine Qualitäten ausspielen. (map)
Reto Bertschi
Der 37jährige Reto Bertschi ist in Büren zum Hof und Lyss aufgewachsen und lebt auch heute noch in der Nähe von Biel.
Das Motto des geselligen Lebemanns lautet: «Wieso warten?» Sein Stolz: «Unsere Firma ist heute auf einem Level, dass die Mitarbeitenden vom Geschäftsgang profitieren und sich ein gutes Leben leisten können.»
Für die Zukunft wünsche ich mir, ...
«...dass ein Mittel gegen Krebs gefunden wird. In diesem Jahr sind in meinem nahen Umfeld schon vier Leute von dieser schlimmen Krankheit betroffen.»
«...dass unsere Firmengruppe in ihren Kerngeschäften eine Key-Player-Funktion übernimmt. So wollen wir mit Netrics zu den Top 5 bei Hosting und Housing und mit
LAN Services zum bevorzugten IT-Partner für Kabelnetzbetreiber werden.»
«...dass – nein, das sage ich nicht.»