Die Teilnehmer am VAR-Roundtable:
Thomas Willenegger, General Manager Bechtle IT-Systemhaus
Karl Hoppler, CEO Bison Systems
Andreas Kleeb, CEO
RedIT Gabriel Meinhard, Country Manager Solutions Partners Organization
HP Schweiz
Patrick Roettger, Managing Director
Lenovo Andreas Uthmann, Leiter
Microsoft Business Solutions
IT Reseller: Wie ist das Geschäft im zu Ende gehenden Jahr für die VARs gelaufen und welches sind Ihre Einschätzungen zur derzeitigen Marktsituation?
Andreas Kleeb (RedIT): Die Kunden investieren nicht sehr euphorisch, das spiegeln auch die aktuellen Wirtschaftsprognosen wider. Für nächstes Jahr wird ein Gesamtwachstum der Schweizer Wirtschaft von 1,6 Prozent vorausgesagt. Das Erschreckende daran ist, dass UBS und Credit Suisse zusammen 0,9 Prozent davon ausmachen. Die Schweizerische Wirtschaft, insbesondere der Mittelstand, ist nach wie vor unter einem sehr grossen Druck. Jedes Unternehmen muss eine Wachstumsstrategie verfolgen oder sich auf klare Nischen fokussieren. In der heutigen Marktlage gilt es auch für IT-Unternehmen, neue Geschäftsfelder zu besetzen oder die Kundenbasis auszuweiten. Wir versuchen beides. Als Systemintegrator ohne Zugewinn von Kunden zu wachsen ist nicht realistisch.
Das heisst, man kann nur noch wachsen, wenn man das Geschäft jemand anderem wegnimmt?
Kleeb: Ja, der Markt ist in einer Konsolidierungsphase und RedIT will dabei eine aktive Rolle spielen. Bechtle fährt eine ähnliche Strategie.
Thomas Willenegger (Bechtle): Ich teile Ihre Ansicht, Herr Kleeb. Der klassische VAR-Markt ist bestenfalls ein Erneuerungsmarkt, aber kein Wachstumsmarkt mehr. Dieser Erneuerungsmarkt ist getrieben von Kosten- und Effizienzzielen bei den Kunden. KMU müssen ihre IT besser Nutzen, es kommen neue Anwendungen auf die KMU zu, auch bedingt durch vermehrte WebNutzung. Das Wachstum in einem solchen Marktumfeld geht über Verdrängung, das ist der einzig mögliche Weg. Wir befinden uns in einem Marktumbruch, die Veränderungen werden Auswirkungen auf die Anbieterlandschaft haben.
Kommen wir zu Bison Systems, Herr Hoppler, wie sieht es bei Ihnen aus und wie sind Ihre generellen Einschätzungen?
Karl Hoppler (Bison Systems): Wir hatten den Jahresabschluss im März. Letztes Jahr war für Bison ein spezielles Jahr, wir sind über 40 Prozent gewachsen und haben auch wesentlich mehr verdient als in den Vorjahren. In diesem Geschäftsjahr bin ich grundsätzlich sehr zufrieden. Für mich ist Umsatz nicht gleich Umsatz. Ich mache lieber eine Million mit Dienstleistungen als zwei mit Boxmoving. Es ist klar, wir werden die früheren Umsätze mit Hardware nicht erreichen, dafür aber massiv mit Dienstleistungen wachsen. Das sind unter anderem Wartungsverträge. Aber wir sind breiter aufgestellt als andere. Wir haben zum Beispiel das Geschäftsfeld der Kassensysteme, wo wir neue grosse Kunden gewinnen konnten. Ich glaube aber nicht, dass man um jeden Preis der Konkurrenz das Geschäft wegnehmen muss. Unsere eigentliche Konkurrenz sind die internen Informatikabteilungen. Die KMU öffnen sich heute gezwungenermassen, weil man nicht mehr alles Know-how inhouse haben kann, das es heute bedarf. Hier sind wir sehr erfolgreich, weil wir aufgrund unserer Grösse sehr kompetent sind. Bei den Systemgeschäften haben wir eine deutlich höhere Wertschöpfung als bei der Hardware. Bison Systems wird
Also nicht mehr, aber besseren Umsatz machen als letztes Jahr.
Wieviel macht der Dienstleistungsanteil bei den drei vertretenen Firmen am Gesamtumsatz aus?
Kleeb: Ich kann zu Teilbereichen keine Zahlen nennen, weil wir börsenkotiert sind. Grundsätzlich kann man aber schon sagen, dass wir daran sind, den Umsatzanteil der Dienstleistungen,
Also die Marge insgesamt, zu erhöhen. Bei der Präsentation des Jahresberichts werden wir diese Details präsentieren.
Hoppler: Wir machten letztes Jahr 45 Prozent mit Dienstleistungen, wobei bei Wartungsverträgen natürlich noch Software-Lizenzen mit ingerechnet sind.
Willenegger: Ich werde Ihnen keine detaillierten Zahlen geben, kann aber sagen, dass der Dienstleistungsanteil in unserer Gruppe tendenziell zunimmt.
Thema Preiszerfall und Margenschwund. Wie tief werden die Preise Ihrer Meinung nach fallen?
Gabriel Meinhard (HP): Es ist schwierig zu beantworten, wie tief die Preise noch fallen werden, aber ich bin überzeugt, dass in Teilbereichen ein weiteres Sinken der Durchschnittspreise zu erwarten ist.
Kleeb: Die Produkte entwickeln sich immer mehr in Richtung Commodity. Wir werden sehr schnell erleben, dass ein Highend-PC-Arbeitsplatz unter 1000 Franken kostet. Es gibt keinen Grund, weshalb der Preis nicht sinken sollte. Die technische Innovation fördert diese Entwicklung, weil immer mehr Information auf einem Chip Platz hat. Es werden immer mehr Chips gebaut, weil sie überall vorkommen.
Intel und
Microsoft werden die Gewinner sein, wenn es irgend etwas am Arbeitsplatz zu lizenzieren gibt. Die Devices werden ganz klar immer preiswerter. Die physikalische Grenze ist noch nicht erreicht, also werden die Preise auch noch sinken.
Hoppler: Ich glaube aber, dass die Komplexität der Geräte wächst. Deshalb verrechnen wir die Leistungen für Hardware und Dienstleistungen getrennt.
Kleeb: Ich möchte hier widersprechen. Es gibt immer wieder Zyklen, in denen die Technik schwieriger wird, aber grundsätzlich wird sie einfacher. So wie man heute einen Drucker kaufen und ohne Probleme anschliessen kann, wird man in Zukunft auf der Server-Seite eine ähnliche Entwicklung erleben. Wenn man in Richtung Commodity geht, werden die Produkte einfacher werden müssen. Es ist enorm, was man bei Microsoft in diesem Bereich unternimmt. Es werden Applikationen und Middleware-Lösungen kommen, die den Anteil an Service-Volumen verringern werden. Es ist ein Bedürfnis des Kunden. Ob uns das passt oder nicht, spielt keine Rolle.
Patrick Roettger (Lenovo): Das ist auch der Grund, weshalb wir uns als
Lenovo so klar von
IBM trennen. Lenovo selbst hat keine Mitarbeiter für Dienstleistungen, die werden nur von Partnern gemacht. Wir denken, es ist schwer, beides zu machen.
Andreas Uthmann (Microsoft): Das Ziel muss sein, die Komplexität für den Kunden zu verringern. Und hier entsteht auch ein grosses Potential für die Partner. Auf der einen Seite bringt jede neue Technologie zwar mehr Kompliziertheit, sie vereinfacht aber auch. Es wird immer mehr Funktionalität in den Produkten mitgeliefert. Das bietet für Partner Potential, neue Produkte am Markt auszurollen. Wir werden mit Windows Vista und Office 12 eine grosse Welle am Markt sehen. Und durch die Verzahnung der einzelnen Software-Kategorien entsteht ein riesiges Potential, zusätzliche Services zu verkaufen. Das geht in Richtung Prozessberatung, also um das Verstehen verschiedener Branchen und Kundensegmente. Das sind interessante Wachstumsansätze für den IT-Gesamtmarkt.
Willenegger: Die Software wird für uns VARs an Bedeutung zunehmen. Der Value-Add wird sich in Richtung Software verlagern. Mindestens mittelfristig glaube ich nicht, dass Software einen hohen Standardisierungs- und Industrialisierungsgrad erreichen wird. Deshalb sind Integrationsleistungen gefordert, und hier besteht auch ein Marktpotential.
Die Meinungen gehen offenbar auseinander. Werden die Lösungen nun einfacher oder komplizierter und worin besteht Ihre Aufgabe als Dienstleister?
Hoppler: Es kommt darauf an, wovon wir sprechen. Wenn man einen Serverraum einrichten und vielleicht noch Filialen anbinden sowie Datensicherung, Verschlüsselung etc. berücksichtigen will, wird es heute enorm kompliziert. Selbst einen einzelnen PC aufzusetzen, ist heute noch nicht banal. Wenn man dann z.B. noch Voice-over-IP einbinden will, Virenschutz etc., braucht es uns im KMU-Umfeld mehr denn je. Hier sehen wir riesige Chancen.
Kleeb: Die Servercenter haben heute eine Aufgabe angenommen, die in dieser Komplexität von niemandem gewünscht wird. Für
Microsoft ergibt sich eine gigantische Opportunität, neue Technologien mit einer neuen Einfachheit zu liefern. Die Frage ist doch, welchen Integrationsaufwand man in Zukunft für gut verfügbare Rechenzentren braucht. Abgesetzte Rechenzentren mit Backup haben heute nur Grossfirmen, sind aber genauso ein Bedürfnis der KMU. Schwierig, jetzt über Zeithorizonte zu sprechen, aber ich denke, in den nächsten fünf Jahren werden wir interessante Lösungen von Microsoft zu sehen bekommen. Wir können das Thema Virenschutz miteinbeziehen. Es kann doch nicht sein, dass hunderttausende von KMU sich mit Viren herumschlagen und soviel Geld dafür ausgeben wie jetzt. Andere Themen sind Datentausch zwischen Firmen, und wie ich meine Business-Prozesse vereinfachen kann. Das hört sich beinahe wie eine Lobrede auf Microsoft an, aber sicher werden andere Firmen wie
SAP mit dabei sein. Auch bei der Middleware und auf dem Arbeitsplatz wird neue Software kommen. Es wird in Zukunft zwei Antworten geben: erstens bessere Produkte, die mehr automatisch erledigen können, und zweitens Services aus der Steckdose,
Also ASP.
Wie steht es denn mit ASP in der Realität? Gibt es eine Nachfrage?
Hoppler: ASP ist für uns kein Thema. Wir managen Systeme mit einem dünnen Faden vor Ort anstatt mit einem dicken Faden und einem System von uns. Die KMU wollen nach unserer Erfahrung die Systeme noch selbst bei sich haben.
Willenegger: Es gibt beides. Es gibt eine Nachfrage von KMU-Seite nach ASP. Wichtig ist, dass wir als Unternehmen beides anbieten und den Kunden von einem System in ein anderes überführen können. Auch der Kunde muss seine Technologien migrieren oder die Art und Weise, wie sie betrieben werden. Unsere Aufgabe ist es, den Kunden in diesem Prozess zu begleiten. Es gibt heute keine Schwarz- oder Weiss-Lösung, sondern es gibt eine Entwicklung von einem in einen anderen Zustand.
Kleeb: Ich habe Mühe mit dem Begriff ASP, weil er für vieles missbraucht worden ist. Ich habe schon früher über diverse Artikel zum Thema gelacht, und auch heute gibt es noch kein wirkliches ASP-Geschäft. Nur ganz selektiv. Das typische ASP-Geschäft sind heute Mail-Accounts bei GMX, MSN,
Yahoo etc. Sonst existiert ASP praktisch nicht. Die meisten Anwendungen sind Outsourcing-Fälle, oft sogar noch einzeln gerechnet. In der Grundtendenz wird ASP aber ein Thema werden. Dazu brauchen wir aber erstmal Software, die ASP-fähig ist, das heisst inklusive Mandantenfähigkeit, bei der die Security gesichert ist; und ein Punkt, der heute nicht gelöst ist, ist das Billing. Wie wird die Leistung verrechnet? Es kann nicht sein, dass man die Lizenz einfach jeden Monat bezahlt. ASP heisst für mich, ich drucke eine A4-Seite und bezahle einen bestimmten Betrag dafür. Ein echtes ASP-Modell nach meiner Vorstellung ist heute noch nicht erkennbar. Ich bin aber überzeugt, dass Anwendungen kommen werden, die dann bezahlt werden, wenn sie im Netz gebraucht werden und man sie nicht bezahlt, wenn man sie nicht braucht.
Was unternimmt RedIT konkret, um ASP-Lösungen zu forcieren?
Kleeb: Wir beobachten und untersuchen den Bereich sehr stark und versuchen, im Bereich Middleware und Systemkomponenten mit Themen aufzuwarten. Dazu haben wir bei
RedIT den fokussierten Bereich «Manages Services» gegründet. Wir haben mit
Cablecom eine erste Allianz angekündigt, die ab Frühjahr 2006 ASP-ähnliche Produkte und Services anbieten wird. Navision kann man heute noch nicht im ASP-Verfahren anbieten, aber in fünf bis zehn Jahren werden wir soweit sein.
Willenegger: Das denke ich auch. Diese Lizenzierungsmodelle werden kommen, weil der Markt es fordert.
Weshalb macht man denn hier nicht schneller vorwärts?
Kleeb: Wenn es nur um die Finanzierung geht,
Also um die Frage mieten statt kaufen, dann hat man bereits heute gewisse Angebote. Aber es geht auch um Architekturen. Dass ich für ein Word nicht mehr einen Fat Client runterladen muss. Bei ASP lädt man dann nur noch das Texteditiermodul runter, wenn man etwas in einem Word ändern muss. Dazu braucht es auf der einen Seite spezielle Software, auf der anderen braucht es aber auch die entsprechenden Verbindungen. Wir haben zwar heute im Broadbandbereich sehr attraktive Angebote, aber die Preise müssen noch tiefer und die Geschwindigkeit schneller werden. Bei Wireless sowieso, hier ist Preis und Leistung immer noch in einem krassen Missverhältnis. Erst wenn diese erforderlichen Elemente vorhanden sind, wird der Benutzer anfangen, mit solchen Anwedungen zu arbeiten, dann wird ASP anfangen zu leben.
Hoppler: Der Kunde versteht darunter natürlich etwas anderes. Für den ist ASP nichts anderes als eine Rechenzentrums-Dienstleistung.
Kleeb: Ja genau, weil unsere Industrie den Begriff missbraucht hat.
Hoppler: Und hinzu kommt, dass die Hardware immer billiger wird.
Willenegger: Man kann dem KMU heute noch keine einfach standardisierten Lösungsansätze anbieten. Ich bin der Meinung, das muss sich erst entwickeln. Sie sprechen von fünf bis zehn Jahren, Herr Kleeb. Das ist wahrscheinlich ein realistischer Zeithorizont. Dieser Markt wird einerseits durch die Software-Hersteller getrieben werden.
Microsoft wird sicher eine zentrale Rolle spielen. Andererseits braucht es aber auch Anbieter, die in der Lage sind, Infrastrukturen aufzubauen und ein breites Marktsegment mit standardisierten Dienstleistungen zu bedienen sowie die Entwicklungskosten zu tragen, um die Lösungen zur Marktreife zu bringen.
Kleeb: Ich bin absolut mit Ihnen einverstanden. Für mich sind drei Player wichtig: Die Software-Industrie, die ASP-fähige Software machen muss. Dann Hosting-Center, die genügend Kapital in die Hände nehmen, um performancemässig gute Systeme hinzustellen, und es braucht den Transporteur, der genügend dicke «Schläuche» zum Benutzer anbietet, die man sich auch leisten kann.
Uthmann: Man redet von ASP schon seit mindestens zehn Jahren, aber jetzt sind wir endlich in der Lage, mit Breitbandleitungen Software als Service zur Verfügung zu stellen. Für uns ein sehr wichtiger Bereich, in den Microsoft auch entsprechend investiert. Navision und Axapta werden alle fähig gemacht für ein Shared Hosting, damit Skalierungseffekte beim Hoster zum tragen kommen. Dann natürlich auch im Consumer-Bereich, wo Firmen wie
Google Advertising als Geschäftsmodell vorgemacht haben. Wir sind im Moment in Gesprächen mit Schweizer Telecomanbietern, die entsprechende Hosting-Leistungen für neue Software-Versionen von uns zur Verfügung stellen werden. Es bedarf dazu noch Anpassungen der Lizenzierungsmodelle, es bedarf eines neuen Partnermodells und es bedarf dazu neuer Software-Technologien, die diese Dienste ermöglichen.
Was sagen die Hardware-Anbieter zu solchen Modellen? Ist es überhaupt in ihrem Sinn, wenn man Software als Service bezieht?
Meinhard: Grundsätzlich versuchen wir natürlich, in solchen Bereichen mit Partnern zu kooperieren, zum Beispiel mit Software-Herstellern wie
Microsoft und
SAP sowie mit lokalen ISVs.
Kleeb: Damit man auf die Software zugreifen kann, wird es immer irgendeinen Client brauchen. Wir werden verschiedenste Formen von Devices sehen. Möglichst portable, möglichst kleine, mit möglichst viel Komfort. Der einzelne Consumer wird möglicherweise sogar mehrere Devices besitzen, um auf dieSoftware zuzugreifen. Aber, um auf die anfängliche Preisthematik zurückzukommen: man wird pro Device weniger bezahlen als heute. Als Vergleich kann man die Telefoniekosten nehmen. Obwohl die Gebühren massiv billiger sind als früher, sind die Ausgaben pro Haushalt heute höher als jemals in der Geschichte.
Willenegger: Die Devices werden idealerweise auch die Software beinhalten,
Also eine Appliance sein. Der Kaufentscheid wird in Zukunft nicht mehr von der Hardware, sondern von der Funktionalität getrieben. Erst so werden wir eine echte Standardisierung erreichen, innerhalb derer wir dem Kunden entsprechend seinen Bedürfnissen ein Produkt anbieten können, über das er via einer offenen Schnittstelle bei Providern seine Services beziehen kann.
Und welches wäre in einem solchen Szenario die Aufgabenstellung für den Systemintegrator?
Willenegger: Sicher nicht nur Hardware-Clients mit Software zu bestücken, sondern die Arbeit verlagert sich dahingehend, dass der Systemintegrator die Bedürfnisse des Kunden umsetzen muss. Also Beratung inklusive Integration der Appliances in die zentralen Server-Systeme. Die Kompetenz des Integrators muss sich von der Technologie weg in Richtung Umsetzung der Business-Prozesse verlagern.
Das bedeutet aber auch, dass sie andere Skills im Unternehmen benötigen werden als heute.
Kleeb: Genau. Jetzt kommen wir zum Kern der Sache, was in Zukunft passieren wird. Denn ich glaube, dass ein Device in Zukunft absolut plug-and-play-fähig sein wird. Wir werden ganz neue Formen sehen, die auch für die Hardware-Hersteller spannend werden. Heute wird ein Device mit Funktionen ausgestattet. In Zukunft werden wir diese nicht mehr auf der Hardware-, sondern auf einer Software-Ebene haben, egal ob es sich um ein Telefon, einen PC oder eine Stereo- oder Videoanlage handelt. Und die Entscheidung, welcher Device der optimale ist, wird aufgrund der Kriterien der Anwendung geschehen. Ansonsten bin ich der gleichen Meinung wie Herr Willenegger. Die Kompetenz der Systemintegratoren entwickelt sich in rasantem Tempo in Richtung Business-Prozesse. Wer das Business der Kunden versteht und die Systeme dort integrieren kann, ist der richtige Partner der Zukunft, um eine längere Bindung einzugehen. Wir sind in einem Wandel von einer Industriesicht hin zu einer vertikalen Sicht. Die Frage wird sein, wie breit kann die Ausrichtung sein. Kunden, die aufgrund einer Technologie einen Beschaffungsentscheid fällen, sind eine aussterbende Spezies. Überall kommt der Finanzchef und will den Return on Investment sehen. Der Kunde will wissen, wo er Kosten sparen und die Business-Prozesse optimieren kann. Die Landschaft der weltweiten und lokalen Anbieter wird deshalb in fünf bis zehn Jahren wesentlich anders aussehen als heute.
Hoppler: Das sehe ich auch bei uns mit unseren Kassensystemen. Mit unserem Wissen über den Point of Sales hat sich viel verändert, man denke
nur an die neuen Anwendungen wie Screens für Kundeninformationssysteme, Voice-over-IP etc.
Kleeb: Vielleicht war ich zuwenig deutlich. Ein Screen wird deshalb am Point-of-Sales eingesetzt, weil man trotz der Investition mehr Spaghetti verkauft als ohne,
Also kein Technologieentscheid für grosse Bildschirme, sondern Steigerung des Verkaufes/Absatzes im Ladengeschäft.
Roettger: Einen Client wird es immer brauchen, in irgendeiner Form.
Lenovo ist in China sehr stark in jedem «Client»-Typ. Die Strategie ist, zum besten Preis-Leistungs-Verhältnis das Device anzubieten. Es wird Fat Clients, Thin Clients, PDAs und Handys geben, und die werden verschmelzen.
Willenegger: Die Funktionalität und nicht die Marke wird für den Kauf entscheidend sein.
Kleeb: Und wenn man das weiterdenkt, geht es bei einem Unternehmen um die Produktivität. Der IT-Chef verliert und der Finanzchef gewinnt Wichtigkeit.
Uthmann:
Microsoft ist in den Bereich Business-Software nur deshalb eingestiegen, weil Sie ERP zu einem Plattformgeschäft machen wollen. Im Gegensatz zu anderen grossen Anbietern wollen wir die Plattform liefern, während die Partner das Know-how dazu beitragen.
Kleeb: Das ist genau der Grund, weshalb wir unsere Partnerschaft mit Microsoft verstärkt haben. Ich halte an meinen früheren Aussagen fest, dass es auch bei der Business-Software eine Standardisierung geben wird. Unsere Kompetenz ist es nicht mehr, mit C++ und C# auf der grünen Wiese eine Software zu erstellen, sondern dass wir einen Business-Prozess auf einer ERP-Plattform abbilden.
Wie weit geht hier die Kompetenz?
Kleeb: Zum Beispiel eine simple Rechnungsstellung. Eine Rechnung sieht bei einem Buchändler und bei einem Baumaterialhändler nicht genau gleich aus. Allein dies ist eine Branchenkompetenz. Je mehr man von einer Branche versteht, desto mehr ist man ein Player, um deren Kunden zu adressieren. Es gibt sehr viele Anbieter in verschiedenen Branchen, die einen sehr interessanten Job machen, aber unsere Industrie hat sehr viel Individual-Software hergestellt.
Microsoft,
SAP und
Oracle haben aber einen Konsolidierungsprozess im ERP-Bereich vorangetrieben. Es wird nicht einer siegen, sondern eine Handvoll Anbieter weltweit geben, die den Standard gemeinsam setzen.
Hoppler: Früher konnten sich die Anbieter mit verschiedenen Lösungen differenzieren. Heute machen viele dasselbe, und deshalb wird die IT von den Kunden nicht mehr als so strategisch angesehen.
Uthmann: Wenn man die Entwicklung mitgeht, ergeben sich hier grosse Opportunitäten für Services und Beratung. Ein Beispiel: Für RFID gibt es heute noch keine Standards und deshalb werden Funktionalitäten heute dazu entwickelt. In Zukunft werden solche RFID-Prozesse standardmässig in unseren Produkten vorhanden sein, um den Mehrwert dieser Technologie zu nutzen. Anstatt dass hunderte von ISVs diese Funktionen entwickeln, stellen wir diese in unseren Produkten zur Verfügung. ISVs, die auf Navision oder Axapta entwickeln, können sich um den wertschöpfenden Teil bei der Implementierung beim Kunden kümmern.
Hoppler: Beim Kunden wird man sich mehr um die Lösungen kümmern und die Technologie an uns abtreten. Grössere Kunden überlassen heute die Architektur, die Rollouts etc. uns, während sie sich um die Lösungen selbst kümmern.
Willenegger: Ein Partner eines KMU muss in Zukunft ein Projekt ganzheitlich abwickeln können. Angefangen bei der Integration seiner Business-Prozesse in die Lösung, die Integration der Lösung in eine Software-Infrastruktur und in eine standardisierte Plattform, die möglichst betriebsgünstig ist. Und unter Umständen ein Servicepaket, damit man die IT bei ihm oder outgesourct betreut. Der KMU muss in der Lage sein, sein Problem mit dem Ansprechpartner ganzheitlich zu diskutieren. Dazu muss sich allerdings die Kernkompetenz des Anbieters weg von der Plattform in Richtung der Business-Lösung verschieben.
Willenegger: Es ist richtig, wir brauchen mehr Leute mit vertikaler Ausrichtung. Es gibt aber auch Leute im Unternehmen, die können sich dahingehend entwickeln. Andere kann man von aussen holen. Es gibt immer wieder sehr gute, betriebswirtschaftlich orientierte Leute, die sich schnell mit der Technologie zurechtfinden. Ressourcenmanagement ist auch eine Kernkompetenz, die zum Geschäft gehört. Selbstverständlich verändern sich die Berufsprofile, das haben sie aber immer schon getan.
Hoppler: Unsere Stärke ist, dass wir langjährige Mitarbeiter haben, die diese Prozesse mitmachen. Wir waren auch nicht böse, wenn sich nicht viel verändert hat, aber man wächst damit auf, dass sich Dinge verändern. Das Know-how der Mitarbeiter ist auch sehr breit, und die jungen Leute suchen heute die Veränderungen und sind dazu bereit.
Fokussieren und nochmals fokussieren. Das ist auch das, was die Hersteller mit ihren Partnerprogrammen wollen. Herr Meinhard, ich denke, das ist in Ihrem Sinne.
Meinhard: Absolut. Wir wollen mit unserem Preferred-Partnerprogramm Spezialisierungen vorantreiben. Aber wir brauchen auch lokale ISVs, die ergänzend zu unseren Produkten auftreten. Wir werden mit Selektion, vielleicht mit weniger Partnern, uns darauf konzentrieren, neue Märkte anzugehen. Um auf die Spezialisierungen zurückzukommen, hier gibt es Thematiken wie Mobility oder Total Print Management, mit denen Partner ihren Kunden interessante Lösungen aufzeigen können.
Besteht bei den Kunden das Bewusstsein für Einsparungen im Printing?
Kleeb: Das ist ein heisses Thema, ganz klar. Wenn man früher überhaupt standardisiert hat, dann bis auf Stufe Druckertreiber. Dass hier eine Kostenkomponente ist mit Einkauf von Verbrauchsmaterialen zum Beispiel, können wir unseren Kunden aufzeigen. Der Informatikleiter interessiert Printing nicht mehr, seit das Treiber-Problem gelöst ist, heute interessiert der Verbrauch der Toner und des Papiers. Bei grossen Firmen dürften solche Kosten äquivalent zu mehreren Mannjahren sein und deshalb ist das auch zunehmend ein Thema.
Meinhard: Die Transparenz ist in diesem Bereich noch relativ tief und deshalb kann man hier auch noch sehr viel erreichen. Bereits bei Firmen mit 200 bis 300 Mitarbeitern besteht sehr grosses Potential für Kosteneinsparungen.
Herr Meinhard, was sagt der Channel zum Preferred-Partnerprogramm?
Meinhard: Wir müssen uns auf Spezialisierungen konzentrieren, und das bedeutet eine Limitierung auf Partner, die diesen Weg mit uns gehen wollen. Wir werden mit denen, die die Vorgaben erfüllen, in Zukunft noch enger zusammenarbeiten.
Was sagen die anwesenden HP-Partner dazu?
Kleeb: Ich habe heute schon so viel gesagt.
Willenegger: Das neue Programm reflektiert die Strategie von
HP, differenziert am Markt aufzutreten. In bestimmten Bereichen geht HP heute direkt, in anderen will HP mit weniger Partnern fokussiert zusammenarbeiten. Dieses differenzierte Bild erfordert Anpassungen auf Seiten der Partner. Einzelne Geschäftsbereiche müssen klarer ausgerichtet sein. Es ist auch eine Chance für spezialisierte Partner, sich in Teilbereichen zu profilieren und ihre Nische zu finden.
Meinhard: Auf der Ebene der Spezialisierungen sind die Anforderungen sehr hoch, und es werden deshalb nicht numerisch mehr werden.
Hoppler: Wir waren ein langjähriger, treuer HP-only-Partner, und ich finde auch das Preferred-Programm gut, wenn es konsequent durchgesetzt wird. Ich bin aber sehr erschrocken, als ich im IT Reseller gelesen habe, dass schon bald fast alle Kunden mit über 1000 Mitarbeitern von HP direkt bedient werden sollen. Das entspricht nicht der Aussage, die wir von HP haben, und ich finde, HP muss sich sehr gut überlegen, was sie macht. Etwas sagen, ist das eine, etwas machen, das andere. Wir sind ein treuer Partner und möchten das auch bleiben, aber HP muss das auch sein.
Meinhard: Wir kommunizieren den Partnern seit über zwölf Monaten, dass unsere Strategie im Corporate Enterprise-Umfeld für die plus/minus 100 grössten Kunden Volume direkt und Value indirekt ist. Volume direkt heisst aber nicht unbedingt, 100 Prozent direkt. Zudem, wenn HP Produkte direkt dem Endkunden liefert, heisst das nicht, dass unsere Partner sich nicht auch bei einem Teil der Dienstleistungen engagieren können.
Die HP aber auch machen will…
Meinhard: Unter Umständen. Es kommt auf die Kostenmodule an. Wir werden kaum überall so kompetitiv sein mit gewissen Dienstleistungen und gewisse auch gar nicht anbieten wollen oder können. Wenn es z.B. um Rollouts oder spezifische Dienstleistungen geht, hat der Partner ganz klar seine Berechtigung auch im Corporate Enterprise-Umfeld.
Willenegger: In erster Linie ist es wichtig, dass wir als Partner genau wissen, woran wir sind. Es ist schlussendlich HP freigestellt, wie sie sich positionieren will. Für den Channel ist Klarheit wichtig. Das neue Programm schafft wesentlich mehr Klarheit, an der man sich ausrichten kann.
Kleeb: HP ist für uns ein wichtiger Lieferant, allerdings gibt es ein «Aber». HP sagt in einer Deutlichkeit, wo sie in Zukunft Direktgeschäfte machen will. Das wird sich nicht auf die heutigen Produkte beschränken, sondern je mehr sich die Produkte in Richtung Commodity entwickeln, werden diese auch über neue Distributionswege zum Endkunden kommen können. Wir waren in der Vergangenheit auch ein sehr loyaler HP-Partner. Diese Loyalität wurde von HP nicht belohnt. HP wurde zunehmend zur Konkurrenz unserer Offerings. Das heisst für uns, wir müssen unsere Opportunitäten überdenken und uns fragen, wo wir in Zukunft wachsen wollen. Wir haben heute den Konflikt, dass wir Leute für Produkte ausbilden müssen, die wir nicht mehr verkaufen können, weil HP direkt liefert. Das ist ein Zielkonflikt und wir müssen uns überlegen, für welche Produkte wir unsere Leute nicht mehr ausbilden, weil wir bestimmte Ausbildungen betriebswirtschaftlich nicht mehr verantworten können. Wir werden uns deshalb Gedanken über den Hardware-Produktemix machen müssen. Eine Antwort ist
Microsoft. In Business-Anwendungen, in der Middleware und in den Betriebssystemen werden wir unsere Kompetenz verstärken. Hier haben wir die Kundenbindung, hier können wir unsere Wertschöpfung generieren. Der Hardware-Layer spielt zunehmend keine Rolle mehr. Wie gesagt, wir können gewisse Bereiche nicht mehr ausbilden, weil wir die Geschäfte nicht mehr haben. Da gibt es kein Hybrid-Modell, keine Grauzone, da gibt es nur Schwarz oder Weiss. Entweder man macht mit oder man zieht sich aus diesen Kundenfeldern zurück.
Hoppler: Wenn wir bei KMU-Kunden HP-Only verkaufen, stellen wir auch den Anspruch, dass wir bei Grosskunden in Ruhe gelassen werden. HP würde seine Zeit besser investieren, neue Kunden zu gewinnen, als uns bei unseren Kunden zu konkurrenzieren.
Meinhard: Aus Ihrer Optik, Herr Kleeb, ist es absolut legitim, diese Überlegungen anzustellen. Aus Sicht von HP kann ich nur sagen, dass wir konstant kommuniziert haben, in welchen Bereichen wir unser Go-to-Market direkt und in welchen indirekt sehen. Im SMB-Bereich beispielsweise ist der Direktverkauf überhaupt kein Thema. Im Enterprise-Value-Umfeld auch nicht. Es geht um Enterprise-Volume. Ich gebe Ihnen Recht, vielleicht kommen in Zukunft andere Produkte dazu. Aber im Moment reden wir im Enterprise-Bereich vornehmlich von PC-Produkten und Industriestandard-Servern.
Kleeb: Es ist eine Frage der Zeit, bis Storage auch von HP direkt vertrieben wird. Die Produkte sind gut, man kann sie einstöpseln und sie laufen. Das geht schneller als in fünf bis zehn Jahren, die ersten Fälle sind bereits da. Wenn man nun zu
Lenovo wechseln würde, hiesse das nur, das Bauchweh zu verschieben. Ich finde es eine verpasste Chance, dass Lenovo nicht clean in ein Partner-Modell gegangen ist. Wenn ein Hersteller das machen würde, könnte er sich eine Menge Sales sparen, wenn kein Business da ist. Aber inzwischen sagt man, der Channel koste acht Prozent.
Roettger: Dafür konzentrieren wir uns auf die Hardware und bieten keine Services an.
Schon, aber wie gross ist die Nähe von Lenovo noch zu IBM Global Services? Früher waren die Verhältnisse ja relativ klar, Global Services wollte auch IBM verkaufen.
Roettger: Heute ist es so, dass uns die Partner deswegen anrufen und sagen, ihr seid ja jetzt nicht mehr
IBM. Früher hat IBM die Services gemacht, heute gibt es keine Verpflichtungen mehr, ausser im Garantiebereich.
Hoppler: Gerade im Grosskundenbereich ist Logistikkompetenz gefragt, die
HP nicht hat. Und deshalb finde
ich es schade, dass man nicht die Partner machen lässt, die ihre Kunden pflegen.
Meinhard: Nochmals, wenn es um spezifische Dienstleistungen in solchen Projekten geht, ist eine Kooperation nicht ausgeschlossen, sondern im Gegenteil sogar erwünscht.
Kleeb: Das ist alles sehr theoretisch, wir sollten aus der Praxis sprechen: Mehrheitlich läuft es nicht so.
Hoppler: Ihr geht immer auf dieselben grossen Kunden los.
Kleeb: Es gibt keinen Grund, weshalb sich HP und
Lenovo nicht die Kompetenz von
Dell aneignen können, mit viel kleineren Stückzahlen Preloads zu machen, wo Staging-Aufgaben vor Ort nicht mehr gewünscht sind. Es ändert nichts, unsere Industrie wird reifer, und gewisse Geschäfte, die früher welche waren, sind in Erosion oder gar nicht mehr vorhanden. Es geht nicht darum, Kosten zu sparen, weil die Margen sinken. Es geht darum, neue Geschäftsfelder zu besetzen und Business-Prozess-Know-how mit den Kunden aufzubauen. Sonst ist die Firma tot, wenn ich den letzten Franken gespart habe.
Gesprächsleitung: Markus Häfliger