Fachmärkte mit Zukunft

Es hat zuviele grosse Player im Schweizer Einzelhandel.Und doch drängen noch mehr neue mit ihren grossen Flächenmärkten in die kleine Schweiz, um sich am erbitterten Kampf um Marktanteile im Geschäft mit IT- und UE-Produkten zu beteiligen. Zwar haben die grossen Retailer mit ihrem Billig-Image auch mit dem Preiszerfall zu kämpfen. Aber dennoch scheint für sie die Rechnung aufzugehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/21

     

Die in der Schweiz ansässigen Retailunternehmen für IT- und UE-Produkte können zufrieden sein. Nachdem im letzten Jahr das Weihnachtsgeschäft endlich wieder von der sich erholenden Konjunkturlage profitiert hat und den Konsumenten das Geld wieder lockerer als auch schon im Portemonnaie sitzt, konnten sie in diesem Jahr vor allem von der Fussballweltmeisterschaft und der damit verbundenen Diskussion von digitalem Fernsehen profitieren. Flachbildfernseher – vor allem LCD –, aber auch Plasma-Geräte, sind denn auch der Renner bei Media Markt, Fust, Interdiscount und Co. Im Zuge der besonderen Aufmerksamkeit, die das Fernsehen in den letzten Monaten erlebte, stieg bei Herr und Frau Schweizer auch das Interesse an anderen Unterhaltungselektronikprodukten wie Home Cinema, DVD- und Harddiskrecordern,
Photo- und Videokameras, Mediaplayern usw.
Die Fernsehgeräte sind aber unbestritten die absoluten Renner in den Retail-Märkten und werden entsprechend aggressiv von allen grossen Playern in den regelmässig erscheinenden Zeitungsbeilagen, Flyern und Kundenmagazinen beworben. Die grössten vier Player (Fust, Interdiscount, Media Markt und die Migros-Fachmarktkette M-Electronics) setzten im letzten Jahr 3,259 Milliarden Franken um. Miteingerechnet sind hier auch Braune und Weisse Ware, deren Umsätze bei Fust nicht separat ausgewiesen werden.

Aus Dornröschenschlaf erwacht

Der Detailhandelsriese Migros setzte mit Elektronikprodukten 2005 655 Mio. Franken um, verglichen mit 20,4 Mrd. Franken Gesamtumsatz ein eher bescheidener Anteil. Das Unternehmen war wie der gesamte IT- und UE-Handel einem enormen Wettbewerbsdruck ausgesetzt und geriet im letzten Jahr vermehrt unter Margendruck, der erst im letzten Quartal kompensiert werden konnte.
Die Migros-Verantwortlichen gingen über die Bücher und beauftragten Frank Mades mit der strategischen Neupositionierung des Elektronik-­Bereichs, Geschäftsbereiche wurden zum Teil umstrukturiert und Verantwortlichkeiten neu zugeteilt. Mit der Einführung des M-Budget-Handys gelang Migros dann vor einem Jahr der grosse Wurf. Ende 2005 vermeldete Migros 110’000 Mobil-Kunden, Mitte dieses Jahres waren es bereits über 200’000 und Ende November knapp 300’000.

Katalisator Budget-Handy

Das M-Budget-Handy dürfte die Elektroniksparte der Migros zudem einen Schub durch Cross-Selling an neugierig gewordene Kunden verschafft haben. Mit einem neu aufgestellten Produktsortiment im gesamten Elektronikbereich macht Migros seit diesem Jahr Lust auf Flachbildschirmfernseher, PDAs, Audio- und Video-Player und Telekommunikationsprodukte.
Auch Migros profitiert vom TV-Boom und verkauft heute praktisch nur noch Flachbildschirmgeräte.
«Der Trend geht eindeutig hin zu grösseren Bildschirmdiagonalen von 37 bis 40 Zoll aufwärts», sagt Medien­sprecherin Monika Weibel auf Anfrage von IT Reseller. Gekauft würden Modelle in allen Preisklassen, von günstigen Einsteigermodellen der Eigenmarke Techline bis hin zu A-Brands. Im Bereich Home Cinema gehe der Trend zu höherpreisigen Anlagen. «Hier stehen Geräte mit USB-Anschlüssen, DVD-Laufwerken und Harddiskrecordern im Vordergrund, und der Kunde achtet wieder vermehrt auf Tonqualität. So ist es möglich, wieder vermehrt Produkte mit hoher Qualität und besseren Preisen zu verkaufen», so Weibel weiter.

Gratislieferung und Tiefpreis-Schwur

Bei Migros ist man mittlerweile mit dem Absatz in den M-Electronics-Fachmärkten heute sehr als zufrieden. «Im Vergleich zu anderen Bereichen wie beispielsweise dem Textil-Segment läuft M-Electronics sehr gut», meint Weibel, «der Elektronikbereich ist vom sehr warmen Herbst nicht betroffen wie etwa die Kleidungssparte, wo viele Kunden noch zuwarten mit dem Kauf von warmen Winterkleidern.»
Um dem Verkauf von den immer sperriger und schwerer werdenden Fernsehgeräten weiteren Auftrieb zu verleihen liefert Migros seit neuestem neben Haushalt-Grossgeräten auch Fernseher ab 82 Zentimeter Bildschirmdiagonale gratis und franko ins Hause. Mit dem Gratis-­Service, ­einer generellen Zweijahresgarantie auf alle M-Electronics-Geräte und neu einer Tiefpreisgarantie à la Fust, dürfte der orange Riese die Aufmerksamkeit der Konsumenten im Elektronikbereich sicher wieder vermehrt auf sich ziehen können.

Marktführer Interdiscount

Umsatzmässig der grösste aller Retailer im Elektronikbereich ist die Coop-Tochter Interdiscount. An 174 Verkaufsstellen mit insgesamt rund 58’000 Quadratmetern Verkaufsfläche haben im letzten Jahr 1667 Mitarbeitende für 921 Millionen Franken Geräte aus dem Unterhaltungselektronik und IT-Bereich verkauft. Mit sechs Prozent mehr Umsatz als im Jahr zuvor hat Interdiscount angesichts des massiven Preiszerfalls ein sicherlich sehr gutes Resultat hingelegt.
Laut Coop-Geschäftsbericht habe neben der konsequenten Verfolgung der Discountstrategie die seit 2003 laufend umgebauten Verkaufsstellen zum Erfolg beigetragen. Von ebenso grosser Bedeutung für den Erfolg dürfte aber auch die Einführung sogenannter XXL-Shops gewesen sein. Coop betreibt bereits 15 solcher grossflächigen Shops mit 1500 bis 4000 Quadratmetern Ladenfläche an einer Verkaufsstelle.

Eitel Sonnenschein

Auf Anfrage heisst es bei Interdiscount, man verspüre im vierten Quartal eine «stark steigende Nachfrage» und ziehe für das zu Ende gehende Jahr eine «positive Gesamtbilanz» trotz eines Nachfragelochs bei IT-Produkten im Sommer während der Fussballweltmeisterschaft. Für das kommende Jahr erwartet man gestützt auf Marktforscher ein «leichtes Wachstum, angeführt von 15 bis 20 Prozent im Notebook-Bereich und einem leichten Minus im Monitor- und Desktop-Bereich».
Von Absatzeinbussen im PC-Bereich sei wegen der verspäteten Auslieferung des neuen Microsoft-Betriebssystems Windows Vista bei Interdiscount keine Spur, denn man stellt wie die meisten Retailer das Upgrade über Microsoft respektive die PC-Hersteller sicher. Der nicht namentlich genannt wollende Interdiscount-Sprecher sagt, es sei zum heutigen Zeitpunkt schwierig zu sagen, wie gross die Nachfrage nach Windows Vista beim Konsumenten eigentlich sei. Grunsätzlich, so der Sprecher diplomatisch, wolle der Käufer beim Einkauf das beste Preis-/Leistungsverhältnis und das aktuellste Produkt erwerben.

Zukunft Consumer-IT

IT-seitig ist für Interdiscount neben dem unumgänglichen PC-Geschäft vor allem der Zubehör-Bereich inter­essant, da PC-Käufer Folgekäufe von Produkten mit interessanten Margen tätigen. Am meisten werden bei Interdiscount Multimedia-PCs, Home-­Networking-Produkte, Soundsysteme, Kameras usw. nachgefragt. Am meisten Entwicklungspotential sieht man bei der Coop-Einheit bei Multimedia-PCs und Media Center, Heimvernetzung, Drucker und Consumer-Notebooks.

Kein Frust bei Fust

Bei der Jelmoli-Tochter Fust, zu der neben dem Multimedia-Bereich auch das mittlerweile integrierte Geschäft der Portable-Shop-Kette gehört, ist man mit dem Geschäftsgang zufrieden, wie Thomas Giger, Spartenleiter Multimedia, zu IT Reseller sagt. «Leider», so Giger weiter, «sind die teilweise hohen Stückzahlenwachstumsraten aufgrund des hohen Preiszerfalls nur marginal sichtbar.» Sofern sich das Weihnachtsgeschäft den Erwartungen entsprechend entwickeln werde, dürfe Fust Ende Jahr auf ein «zufriedenstellendes Jahr» zurück­blicken. Die Profilierung mit einem umfassenden Leistungsangebot als PC-Dienstleister für Private, SoHo und KMU laufe sehr erfolgreich, sagt Giger. «Wir sind heute der einzige Grossverteiler, der auf lokaler Ebene jeden erdenklichen PC-Support bietet.» Damit zeige Fust, dass man «auch mit den aktuell völlig unbefriedigenden PC-Margen einigermassen über die Runden kommen kann».

Zukunft verhalten

Giger geht denn auch weiterhin von einem umsatzmässig stagnierenden Gesamtmarkt aus. «Immerhin fehlen im nächsten Jahr sportliche Grossereignisse wie eine Fussball-WM mit entsprechend belebender Wirkung für den Markt.» Am meisten nachgefragt werden bei Fust dennoch grosse LCD- und Plasma-Fernseher. Ebenso MP3-Player, Auto-Navigationsgeräte, digitale Spiegelreflex-Kameras, externe Harddisk-Speicher und Handys.
Giger erwartet weitere technologische Fortschritte im Zusammenhang mit der Einführung von Vista, die den Markt beleben werde.

«Over stored»

Der UE/IT-Markt sei in der Schweiz «over-stored», sagt Giger. «Wir haben vor jedem zusätzlichen Konkurrenten Respekt. Für uns als Qualitäts-Retailer sind Grossverteiler wie Lidl oder Aldi keine Bedrohung.» Denn Fust werde sich weiterhin auf «PC plus Service» konzentrieren. Der Service-Bereich ist naturgemäss bei Fust sehr zentral. «Geradezu unsere strategische Erfolgsposition», so Giger abschliessend. (mh)


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