Der Markt ist reif für VoIP

Die klassische Telefonie wird verschwinden und an ihre Stelle treten zunehmend multimediale Anwendungen. Es freut die Schweizer VoIP-Spezialisten, dass Unternehmen das Potential der Anwendungen mehr und mehr erkennen und von Software-Services profitieren lernen.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/11

     

Voice-over-IP (VoIP) befindet sich generell auf stetem Wachstumskurs. Nebst einer zunehmenden Anfrage besteht aber laut VoIP-Systemintegratoren teilweise immer noch grosse Verunsicherung und Unklarheit über VoIP. Laut Peter Küng, CEO von Cassarius, wird VoIP oft als reine Internettelefonie verstanden, was aber falsch sei. «Durch die Tatsache, dass Sprachinformationen über Informatiknetze übertragen werden, können durch die Verschmelzung von Informatik und Kommunikation Lösungen resultieren, welche Unternehmensprozesse nachhaltig unterstützen und die Basis bieten, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und am Markt anzubieten», meint Küng. Unternehmen, die sich für VoIP interessieren, seien vor allem solche, die Informations- und Kommunikationstechnologie als Wertfaktor erkannt hätten.
Viele Unternehmen konnten sich laut Hans Legler, Leiter Verkauf bei Burkhalter Net Works, zu einer Form der sanften Migration entschliessen, um VoIP einzuführen. «Wir haben sehr viele Projekte, die Schritt für Schritt ausgeführt wurden oder auch durchmischt mit klassischer Telefonie», erzählt Legler. Vor allem Unternehmen, die mehrere Niederlassungen hätten, und innovative Firmen würden sich für VoIP interessieren. Es gebe aber nach wie vor Unternehmen, die sich zurückhaltend verhielten. Vor allem klassische KMU-Produk­tionsfirmen gehörten dazu. «Qualität und Stabilität haben sich aber verbessert und die Kunden beobachten den Markt», sagt Legler. VoIP sei zudem mittel- bis langfristig nicht nur kostensparend, es biete auch geografische Unabhängigkeit.
Dass KMUs anfangen, sich gegen­über VoIP zu öffnen, bestätigt auch Mike Lange, Manager Business Development und Product Marketing beim taiwanischen Hersteller D-Link. «Sofern Erweiterungen oder eine Integration in weitere Software-Systeme anstehen, bauen KMUs mittlerweile auf VoIP», erklärt er. Es hätten zudem nicht nur die Anzahl Projekte konstant zugenommen, sondern auch der Umfang derselben. Haben sich früher mehr die mittelständischen Unternehmen, öffentliche Einrichtungen oder Grossunternehmen interessiert, so sei heutzutage für nahezu jede Firma VoIP ein Thema.

Verknüpfte Applikationen

Ein Beispiel dafür, dass Unternehmen durch VoIP profitieren, sind Software-Services wie Voice Mail oder Contact-Center-Lösungen, bei denen der Kunde automatisch aufgrund seiner Telefonnummer erkannt wird. Gerade in einem Call Center kann das eine aufwendige Suche nach einem Kunden erübrigen und den Auskunftsdienst beschleunigen.
Auch Funktionen wie Voice Mail, Presence Management, CRM- und ERP-Integration, Anruferjournale, Verzeichnis-Integration oder auch Instant Messaging können durch Voip ausgeführt werden. Alle diese Dienste können Arbeitsprozesse vereinfachen oder überhaupt erst ermöglichen und somit zur Effizienzsteigerung einer Firma beitragen.

Nachfrage nach mobiler VoIP

Zunehmend ist auch das Interesse nach IP-Telefonie im mobilen Bereich. Laut Mike Lange sei eindeutig ein Trend in Richtung SIP zu verzeichnen. Es gebe vereinzelte Anfragen für eine Integration von VoIP in Notebooks mittels Soft-Clients. Zunehmend werde VoIP mittels WLAN mobil eingesetzt. Die Anzahl von VoWLAN-Anwendungen (Voice over WLAN) nehme zu.
Ein vermehrtes Bedürfnis nach mobilem VoIP bestehe vor allem bei Einzelpersonen, wie Hans Legler von Burkhalter Net Works und TIC-CTO Aldo Britschgi bestätigten. «Leiter der Technik in einem Unternehmen oder CFOs sehen dies als Risiko und halten an der Technik von heute fest», so Legler, «ich sehe das zurzeit nur als private oder Home-Office-Anwendung.» Ähnlich hört es sich bei TIC an. Es seien vor allem Privatpersonen, welche häufig unterwegs sind, die sich einen SIP-Account zulegen, um so zu Hause oder auf Reisen arbeiten zu können. Gar von einer Eigendynamik spricht Peter Küng, CEO von Cassarius. «Mitarbeiter nutzen Internet-Telefonie wie Skype, obschon diese von der Unternehmensführung nicht freigegeben wurde.» Oft suchten diese Unternehmen nach einem ähnlichen Dienst für ihre Organistaion, bei welchem die Verantwortung der interenen ICT übergeben werden könne.

Statt reisen - Videokonferenzen

Ebenfalls mit VoIP integriert werden können Videokonferenzen, auch unter dem Begriff Telepresence bekannt. Infolge der steigenden Sorgen in Bezug auf das Klima der Welt und auch um Kosten zu sparen, setzen Hersteller wie beispielsweise Cisco vermehrt auf Videokonferenzen. ­Diese Technoloige ermöglicht es, ­Meetings abzuhalten, bei denen das Gefühl übermittelt werden kann, die Teilnehmer seien direkt im selben Raum. Plasma-Bildschirmsysteme übermitteln die Videobilder direkt in den Raum. Ausserdem können auch eine Terminplanung und Reportingfunktionen eingesetzt werden. Durch Verbindung mit der VoIP kann auf Knopfdruck ­direkt vom Telefon aus eine Verbindung aufgebaut werden. Somit ist es also möglich, Meetings abzuhalten, die schnell zustande kommen und auch keine grossen Reise­kosten und Abwesenheiten von Mit­arbeitern verursachen.
Laut Hans Legler (Burkhalter) sei diese Thematik sehr interessant. Bei den Kunden herrsche zurzeit aber noch eine bestehende Infrastruktur, welche noch nicht vollumgänglich für Telepresence einsetzbar sei. In den Firmen bestünden teilweise immer noch alte Netze und Hardware-Komponenten. Auch Peter Küng von Cassarius rechnet mit einer starken Zunahme der Bedürfnisse nach Telepresence-Lösungen, darunter zum Beispiel Meeting Place von Cisco. Für Videokonferenzen begeisterten sich aber nicht nur Kunden, sogar auch die eigenen Mitarbeiter, so Küng. D-Link hingegen verzeichnet im Bereich Videokonferenzen noch keine nennenswerten Anfragen.

Kosten relativ betrachten

Ob durch Telepresence weniger gereist und demzufolge Kosten gespart werden, kann noch nicht wirklich beantwortet werden. «Ich persönlich glaube nicht, dass weniger Reisen getätigt werden», meint Aldo Britschgi, CTO von TIC.
Dass eine Umstellung auf VoIP auch eine Frage der Kosten ist, ist klar. Doch diese müssen immer auch in Relation zu ihrem Nutzen gesehen werden. Wenn ein Kunde sich für eine Umstellung auf VoIP entschliessen kann, ergeben sich laut Legler sehr hohe zusätzliche Kosten, welche meistens nicht budgetiert seien. Diese Umstellung bedeute für den Kunden zudem eine organisatorische Herausforderung, da die Einführung von VoIP-Telefonie von der IT-Abteilung betreut wird.
Die Kosten können nebst den Investitionskosten für die VoIP-Hard- und Software nach Anzahl benötigter Nutzer variieren. Das interne Netzwerk (LAN) muss bereit sein für VoIP, und eben gerade in diesem Zusammenhang können unter Umständen Zusatzkosten auftreten. Mike Lange von D-Link empfiehlt zusätzlich eine Schulung aller Anwender, da es sich bei der IP-Telefonie um eine neue Applikation handle, deren Umgang und Funktionsweise im Vorfeld erläutert werden sollte.
Peter Küng, CEO von Cassarius, empfiehlt derweil, auch die Infrastrukturen und die Anwendungen innerhalb der Firm zu betrachten sowie die Unternehmensprozesse und die Anwenderakzeptanz. Erst wenn all ­diese Elemente zusammenspielten, liefere die ICT einen Nutzen und leiste somit einen Beitrag zum Unternehmenserfolg, und die Kosten und der Aufwand können sich ihre Berechtigung verdienen. «Die Investitions- und Betriebskosten müssen immer in Relation zu dem erreichten Nutzen betrachtet werden», meint Küng.

Regelmässige Weiterbildung

Da es sich bei VoIP um eine sehr junge und komplexe Technologie handelt, ist das Training für die Händler laut Mike Lange sehr wichtig. Der Aufklärungs- und Beratungsbedarf seitens der Endkunden sei entsprechend hoch. Man habe für seine Partner beispielsweise im Jahr 2006 eine Schulungstour zum Thema VoIP angeboten und halte die Händler stets zu aktuellen Entwicklungen und Trends im VoIP-Umfeld auf dem laufenden. So habe D-Link für 2007 auch den Launch eines «Technology Partner»-Programms für die Entwicklungsplattform der HostBox Professional geplant.
Um einen entsprechenden Service zu erbringen, der keine Fragen mehr offen lässt und dem Kunden die Unsicherheit nimmt, investieren die Partner von VoIP-Herstellern viel in die Weiterbildung. Mehrere hunderttausend Franken wurden laut Küng bei Cassarius dafür bereits investiert. Mit regelmässigen internen und externen Trainings, Seminaren und Telefonietrainings bildet auch TIC seine Mitarbeiter aus. (de)


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