Michael Binkert - Der Autodidakt

Michael Binkert, der Geschäftsführer des Spezialdistributors BHS Binkert, hat sich mit 18 selbständig gemacht und seinen Mitarbeiterstamm innerhalb von zehn Jahren von 3 auf 50 ausgedehnt. ­­Jetzt ­will er die Zahl der Schweizer Händler in den kommenden Jahren von derzeit 500 auf 1000 verdoppeln.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2007/18

     

Es ist schwer, an Michael Binkert heranzukommen. Es dauerte ein halbes Jahr, um mit dem vielbeschäftigten Disti-Chef einen Termin zu vereinbaren. Auch während des Interviews klingelt Binkerts Telefon unaufhörlich, es abzustellen, kann er sich nicht leisten.
Binkert ist Autodidakt, was er heute ist und tut, hat er aus eigener Kraft geschafft. «Ich habe nichts gelernt», sagt er. «Ich war ein schwerer Fall in der Schule», fügt er an und grinst verschmitzt. Er ist das beste Beispiel, dass aus ungehorsamen Schülern trotzdem (oder gerade deswegen) ­etwas werden kann. Mit 18 hatte er genug davon die Schulbank zu drücken, und hat sich kurzerhand selbständig gemacht und DTP-Software vertrieben. «Das hat funktioniert und lief besser als erwartet», sagt er. 1994 schliesslich - in der Hochphase der Scanner - entscheidet er sich, ein ­Unternehmen zu gründen. BHS Binkert, Spezialdistributor für Scanner, wird aus der Taufe gehoben. Das ­Unternehmen ist seither in Familienbesitz. 1996 werden die ersten Digitalkameras von Fujifilm ins Programm genommen, 1997 kommt die Distribution für Olympus dazu, im Jahr 2000 steigt BHS Binkert ins Geschäft mit Unterhaltungselektronik ein. Heute hat sich Binkert auf Fotografie und Unterhaltungselektronik, in erster Linie LCD-TVs, spezialisiert. Fast alle namhaften ­Kameramarken sind beim Disti zu finden. Den grössten Umsatz macht BHS Binkert mit Canon. Das Gesamt-Port­folio umfasst rund 6000 Produkte, im Lager im deutschen Laufenburg befindet sich allein von Canon Ware im Wert von 3 Millionen Franken.

Produkte gestern und heute

Neben den Kameras und Fernsehern bietet BHS Binkert auch DVD-Player/Recorder und Zubehör wie Wandhalterungen an. «Mit dem Zubehör kann man sicher eine ganze Menge Marge generieren», sagt Binkert. Auch ­Receiver laufen nicht schlecht, da in Deutschland, im Gegensatz zur Schweiz, viele Satellitenempfänger im Einsatz sind. Das Geschäft mit Projektoren hingegen entwickelt sich eher zäh: «Das ist kein besonders dynamischer Markt», sagt Binkert. «Das Problem mit Heimkinoprojektoren ist, dass Grossbild-TVs immer günstiger werden und somit die Projektoren verdrängen.» Die Scanner schliesslich, mit denen alles anfing, sind mittlerweile fast ein ­Nischenprodukt. Ein Überbleibsel sind Dokumentenscanner fürs Büro. «Das passt heute eigentlich nicht mehr wirklich in unser Sortiment, ist aber trotzdem ein für uns sehr wichtiger Geschäftsbereich», sagt Binkert. Dafür blüht das Geschäft mit Navigations-Produkten und Car-HiFi. «In diesen Bereich haben wir viel Geld und Zeit investiert. Da geht richtig die Post ab», frohlockt Binkert. Auch dem Thema Heimvernetzung will er sich in Zukunft widmen: «Heim­vernetzung ist eine hochinter­essante Sache, die wir sicher in Kürze in ­Angriff nehmen werden. Sie steckt aber momentan noch in den Kinderschuhen. Zuallererst müssen Schnittstellen-Standards geschaffen werden. Sicherlich ist es auch eine Sache der Bekanntheit.»

Die Firmenphilosophie

Wir versuchen Hierarchien flach zu halten», sagt Binkert und streichelt seinen Hund, der jeden Tag mit ins Büro kommt. «Unsere Mitarbeiter halten wir an der langen Leine, sie sollen Spass haben, dann kommt der Erfolg von ganz allein.» ­Eigenverantwortung der Mitarbeitenden sei das A und O, erklärt Binkert. Er müsse sich auf seine Angestellten verlassen können, er habe gar keine Zeit, sich um alle Belange des Unternehmens zu kümmern. Er selbst verantwortet als Geschäftsführer die ­Bereiche Vertrieb, Einkauf und Marketing. Ihm zur Seite steht der zweite Geschäftsführer Sören Müller, der für Finanz und Controlling zuständig ist. «Im Verhältnis zu anderen Distributoren sind wir eher klein. Mit unserer Grösse ist man noch flexibel genug, um jeden Kunden individuell betreuen zu können.»

Sturm auf den Schweizer Channel

Binkert will in der Schweiz in allen Kanälen wachsen. Das heisst sowohl im Retail, im Internetgeschäft als auch mit Fachhändlern. «Das Geschäft mit kleinen Foto- und UE-Fachhändlern, die sich spezialisieren, liegt uns am meisten am Herzen», so der Disti-Chef. Seit 2004 wird der Schweizer Markt von der BHS-Binkert-Tochter in Liechtenstein beackert. «Wir sind in der Schweiz noch nicht so präsent, wie wir uns das vorstellen.» Ab 2008 sollen deshalb die Bemühungen hierzulande intensiviert werden, eventuell sogar mit einem eigenen Aussendienst. Längerfristig soll die Zahl der Schweizer Händler von 500 auf 1000 verdoppelt werden. «Von der Struktur her sind wir europäisch orientiert», sagt Binkert. «Da wir viel in Europa einkaufen, haben wir gewisse Vorteile. Die kleinen Händler nutzen uns als verlängertes Lager. Wir können schnell liefern, haben eine hohe Verfügbarkeit und bieten günstigere, europäische Preise.» Ob Binkert mit seiner Präsenz im Retail und vor allem in den Internetshops nicht seine Händler vergraule, wollen wir wissen. «Sicher fühlen sich die Ladenbesitzer durch den Online-Handel bedroht. Aber aus der Realität sind diese eben nicht mehr wegzudenken. Wir singen nicht das Hohelied auf den Fachhändler. Wenn wir die Internetshops nicht beliefern, tut es ein anderer.» (sk)

Michael Binkert

Michael Binkert, Jahrgang 1969, ist ledig, liiert und hat keine Kinder. «Ich bin quasi mit der Firma verheiratet», antwortet er auf die Frage nach seinen Hobbys. Bei einem Zehn- bis Zwölfstundentag bleibt in der Tat nicht mehr viel Zeit für ausgiebige Freizeitaktivitäten. Binkert ist ein Genussmensch: Er liebt guten Rotwein und gutes Essen. Er ist begeisterter Fussballfreund, übt dieses Hobby aber von der Couch vor dem Fernseher aus. Er liest gern, «aber nichts Hochtrabendes», wie er selbst sagt. Sein Lieblingsautor ist der ­sizilianische Krimiautor ­Andrea ­Camilleri, der die Romanfigur Commissario Montalbano kreiert hat und der nach dem Motto lebt «Beim Sex und beim Essen fühlt sich der Mensch sauwohl, nur da ist er ganz bei sich selbst.» Wenn Binkert nicht gerade mit einem Glas Rotwein in der Hand den neuesten ­Kriminalfall aufklärt, geht er mit ­seiner 15jährigen Mischlingshündin Nora spazieren. «Wenn man sich einen Hund anschafft, dann hat man ihn in guten und in schlechten Zeiten», sagt er und krault Nora die Schnauze. Sein Traum: Einmal drei Monate am Stück Urlaub machen. «Das Problem ist, in unserer Branche ist man nach drei Monaten Abwesenheit fast out.» Sollte es doch einmal dazu kommen, würde er eine Tour durch die USA machen oder einfach wie Gott in Frankreich leben. Deshalb träumt Binkert auch von einem Haus in der Provence, was er sich früher oder später zulegen will. (sk)


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