Der Rückgang an Studenten in Naturwissenschaften und im Ingenieurwesen ist Rolf Pfeifer zu viel geworden. Der Professor für Informatik und Direktor des «AI Lab» der Universität Zürich geht in die Offensive. Ziel seines Projekts ist ein Robotik-Baukasten.
«Wir haben die Einführung in Schulen als Ziel», sagt Pfeifer. Damit will er die Angst vor Technik und speziell Informatik senken. «Man kann damit spielerisch Technologie erleben, gleichzeitig Spiel, Design und Kreativität fördern», so Pfeifer. Sinneserfahrungen wie der Tastsinn können erlebbar gemacht werden – mit Sensoren und Materialien aus dem Baukasten. Die heutigen Möglichkeiten der Robotik, die bis auf Molekularebene und in die Biologie reichen, sind viel zuvielen unbekannt. Diese modernen Errungenschaften der Robotik sollen im Bausatz modular vereint und für möglichst jedermann zugänglich gemacht werden. «Programmieren ist dafür nicht nötig. In ein paar Jahren hätten wir mehr Informatiker - automatisch», ist sich Pfeifer sicher. Das Erlebnis mit dem Bausatz führe zu motivierteren Schülern.
Visionär mit Ausweis
Pfeifer gilt als einer der Begründer der «Neuen Künstlichen Intelligenz». Er verabschiedete sich Anfang der 1990er Jahre von der Vorstellung, Intelligenz lasse sich mathematisch erfassen. Als Direktor des Labors in Zürich-Oerlikon betreibt er Grundlagenforschung, speziell im Materialbereich, und geniesst einen weltweiten Ruf. Die Uni Zürich hat sich vor allem der Theorie des sogenannten «Embodiment» (dt. Verkörperung) verschrieben, worin sich Intelligenz nicht auf Algorithmen reduzieren lässt.
Bewegung als zentraler Bestandteil ist ein Beispiel: Ingenieure nutzen zur Bewegung Motoren, die Natur aber nutzt Muskeln. Materielle Eigenschaften helfen den Muskeln bei ihrer Funktion. Diese Eigenschaften sind ein Teil des Forschungsgebiets. «Die Natur zu imitieren heisst auch die Natur besser kennenzulernen», so Pfeifer. Programmieren ist deshalb auch nur ein Teil des vielseitigen Programms – ein ersetzbarer Teil.
In Pfeifers Labor in Zürich-Oerlikon treffen sich Ingenieure mit Künstlern. Es mischen sich Informatiker mit Biologen, Chemikern, Psychologen und Maschinen-Ingenieuren. Alle verfolgen das Ziel, Intelligenz zu verstehen und als künstliche Intelligenz zu nutzen – oder einfach nur zu spielen und zu experimentieren. Die Wissenschafter und Studenten des Labors dürfen Kinder sein, ohne den Ernst der Sache zu vergessen; sie dürfen träumen, ohne Träumer zu sein.
Projekt «Dream» gegen Widerstand
Pfeifer forscht mit zwei Assistenten an der Entwicklung des Bausatzes. Das Projekt heisst «Dream». Die Abkürzung steht übersetzt für: Entwicklung eines Roboterbausatzes für Bildung, Kunst und mehr (Development of a Robot kit for Education, Art and more). «Das Projekt liegt mir persönlich am Herzen», sagt Pfeifer.
Sein Enthusiasmus ist auch nach zwei Absagen des Nationalfonds nicht gebrochen. Ein dritter Versuch (sein letzter, wie er sagt) ist soeben eingereicht, um 350’000 Franken öffentliches Forschungsgeld für die Entwicklung des Roboter-Bausatzes zu erhalten. Bisher prallte der Enthusiasmus Pfeifers an der Tresortür des Komitees ab. «Es ist ein grosser Aufwand für wenig Geld», sagt Pfeifer, der die Intransparenz des Komitees anprangert. Der Betrag sei aber sowieso zu wenig.
Das Projekt wissenschaftlich auszuarbeiten kostet 500’000 Franken. Derzeit wird querfinanziert. Pfeifer hat sich jetzt auf die Suche nach Investoren gemacht: «Ich habe auf diesem Gebiet allerdings wenig Erfahrung und bin in meiner Forscherfunktion eingeklemmt.» Da wird der interdisziplinäre Ansatz selbst ihm zuviel. (Marco Rohner)