Geschäft mit Security geht am Handel vorbei

In Zeiten von Viren, Trojanern, Spam und Spymails nimmt das Thema Sicherheit auch beim Privatanwender immer mehr an Bedeutung zu. Während sich in der Vergangenheit grösstenteils der Fachhandel und der Retail um die Sicherheitsbelange des Heimanwenders kümmerten,sind unterdessen die Provider mit Gesamt-Paketen mit an Bord. Und auch Gratisangebote der Hersteller rauben dem Handel Geschäfte.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2008/06

     

Security-Produkte für den Privatanwender sind gefragter denn je. So sind die Verkäufe von Security-Produkten für Endkunden in den letzten Jahren im zweistelligen Prozentbereich gestiegen, sagt Andreas Kipfer, Product Manager von Alltron. Doch während sich früher Handel und Retail fast ausnahmslos um die Sicherheit des Heimanwenders kümmerten, wird dieser heute immer mehr mit Gratisangeboten, vorinstallierter Security oder Gesamt-Paketen der Provider versorgt. Dem Fachhandel geht dadurch so manches Geschäft flöten. Die meisten Händler fühlen sich dennoch nicht bedroht. Mit Services und Dienstleistungen versuchen sie zurückgehende Verkäufe zu kompensieren. Auch im Retail sieht man die Situation eher gelassen.

Provider mischen mit

«Die Geschäfte mit Security-Produkten laufen bei uns schleppend», sagt Toni Thiele, Leiter IT Services, Amberg Technologies in Regensdorf. Aufgrund der Angebots-Pakete der Provider verkauft Amberg eindeutig weniger Security-Boxen, bestätigt Thiele. «Sicher spüren wir den ständigen Druck der grossen Firmen. Wir verfügen nicht über solche Werbebudgets und können nicht mithalten», klagt er. «Am meisten spüren wir die Tatsache, dass bei den meisten Notebooks bereits eine Antivirenlösung vorhanden ist, somit kommen wir überhaupt nicht zum Zug», sagt Daniel Bianco von Bianco Computer. «Für uns ist der Security-Software-Bereich wichtig, aber leider nicht genügend gewinnbringend.»
Orange beispielsweise bietet im ADSL-Internetbereich den Privatusern die Möglichkeit, McAfee Security-Produkte 90 Tage gratis zu testen und sie zu einem Vorzugspreis zu beziehen. Auch im Bereich Mobiltelefone kann man von Orange eine Antivirus-Lösung von F-Secure gleich mit beziehen. «Orange bietet diese Sicherheitsprodukte aufgrund der Kundenwünsche an», sagt Therese Wenger, Director Media & PR, Orange, gegenüber IT Reseller. Über Markt­anteile in diesem Bereich hält sie sich bedeckt. Davon, den Fachhandel zu konkurrenzieren, will man bei Orange nichts hören. «Wir beabsichtigen nicht, uns mit Security-Software oder -Lösungen im Privatkundenmarkt zu positionieren», wiegelt Wenger ab. «Diese Angebote sind Partnerprodukte, die wir ergänzend zu den eigenen Kommunikationsdiensten anbieten.» Wenger räumt jedoch ein, dass Orange, sollten sich seitens der Privatkunden Bedürfnisse nach weitergehenden Sicherheitslösungen abzeichnen, weitere Angebote evaluieren werde.
«Wir sehen dieses Angebot primär als Zusatzdienstleistung für unsere Internet-Kunden», sagt auch Hugo Wyler, Mediensprecher, Cablecom. Der Provider empfiehlt seinen Kunden das «Hispeed Security Package», hinter dem sich Software von F-Secure verbirgt, und das Virenschutz, Firewall, Anti-Spyware und Kinderschutz beinhaltet. Es kann 30 Tage gratis getestet und danach für rund 71 Franken (Einzelplatz-Lizenz) gekauft werden. «Wir haben ein Interesse daran, möglichst viele saubere PCs in unserem Netz zu haben.» Die Absicht sei nicht, die Retail-Angebote zu konkurrenzieren. Wyler geht davon aus, dass nach wie vor die Mehrheit der Cablecom-Kunden eine Security-Lösung über den Retail oder online von Gratis-Anbietern bezieht. Aber auch diese Gratisprodukte für Privatnutzer, die gewisse Security-Hersteller anbieten, um beispielsweise an Daten für ihre Security-Reports heranzukommen, machen sich auf das Geschäft mit der Sicherheit je länger je mehr bemerkbar, sagt Thiele von Amberg. Grosse Sorgen macht er sich trotzdem nicht: «Der Kunde ist nicht wählerisch. Er wird eher durch spontane Käufe gesteuert», so Thiele.

Weg vom Handel

Swisscom bietet ebenfalls Packages an. Hier sind im Internet-Abo automatisch Viren- und Spamfilter für Bluewin-Mailadressen, Zugang zum Mailserver mit SSL-Verschlüsselung sowie SMTP-Authentifizierung enthalten, alles kostenlos. Zudem bietet Swisscom noch diverse weiterführende Sicherheitsprodukte für monatliche Kosten zwischen 3 und 7 Franken für Computer und Mobiltelefonie an. Zudem steige die Nachfrage nach Installationen für Security-Produkte. Swisscom beobachtet mit der Erweiterung des eigenen Angebotes eine Verschiebung weg vom Fachhandel: «Was Internet-Security betrifft, haben die Kunden bisher ein Produkt im Fachhandel gekauft», sagt Myriam Ziesack, Mediensprecherin, Swisscom. Die Wahl des richtigen Produktes im Fachhandel sei für den Kunden insofern aber schwierig, da er die Qualität nicht einschätzen könne und oft nicht klar sei, wie der Support geregelt ist. Seit letzten September bietet Swisscom denn auch das Produkt «Internet Security» im Monatsabo an.
«Die starke Nachfrage beweist, dass die Kunden eine einfach bedienbare, aber trotzdem zuverlässige Lösung mit verlässlichem Support schätzen», sagt Ziesack. Was den Mobil-Bereich betrifft, sind im Fachhandel derzeit noch kaum Mobile-Security-Lösungen verfügbar, da der Markt nach wie vor eher klein ist. «Die Kunden überschauen zudem die Kombinationen von Bedrohungen für verschiedene Technologien von Endgeräten, Betriebssystemen und möglichen Lösungen nicht», so Ziesack weiter. «Das macht es für einen Fachhändler schwierig, verständliche Angebote zu gestalten.» Service-Provider müssen Lösungen anbieten, die den Bedürfnissen möglichst vieler Kunden entsprechen, erklärt Ziesack. Swisscom erwartet denn auch eine weitere Verlagerung des Geschäfts hin zu den Providern. Die Domäne des Fachhandels werde dort sein, wo individuelle Kundenwünsche gefragt sind.

Perspektiven für Provider

Sunrise bietet für 3,90 Franken pro Monat eine sehr einfach bedienbare Sicherheits-Lösung als Option zum Internet-Anschluss: «Sunrise ADSL Security» (Firewall, Kinderschutz, Anti-Spyware und Angriffsschutz) ist im Netzwerk angesiedelt, Download und Installation der Programmteile auf den Computer entfallen also. «Unser ADSL-Security-Package wird idealerweise mit einem Anti-Virus-Programm für den Desktop des Kundencomputers ergänzt», sagt Konrad Stokar, Mediensprecher von Sunrise, was im Starterkit zur Installation auf den PC mitgeliefert wird. Das Angebot werde genutzt und geschätzt, sagt Stokar, generell liesse sich jedoch feststellen, dass das Thema Sicherheit rund um die Internetnutzung bei den Kunden noch nicht durchwegs die nötige Aufmerksamkeit geniesse. «Für Provider bieten Sicherheitslösungen interessante Perspektiven», ist Stokar überzeugt. «Die einfache Vermittlung einer sinnvollen Basis-Sicherheitslösung sehen wir denn auch als Stärke der Provider an. Aber auch die Spezialfirmen werden ihre Berechtigung behalten, da Sicherheit im Internet nie vollständig sein kann. Insofern ergänzen sich Provider und Spezialisten ideal», so Stokar.
Andreas Kipfer von Alltron kann der Integration von Security-Software bei Providern sowie dem Angebot an Gratis-Security-Software im Internet eine durchaus positive Seite abgewinnen: «Durch das verbreitete Angebot von Security-Software bei national bekannten Providern erreicht das Thema auch Personen, die wir mittels unseren Kommunikationsmitteln normalerweise nicht erreichen», sagt er. Eine Verlagerung der Retailprodukte auf abonnierbare Services oder Produkte, die downloadbar sind, werde sich aber in den nächsten Jahren zwangsläufig abzeichnen. «Da die Logistikkosten zukünftig weiter steigen und ein Internetanschluss zum guten Ton gehört, sprechen einige Indizien für eine Verlagerung», so Kipfer.

Breites Angebot, bessere Abdeckung

Bei der Migros laufen die Geschäfte im Security-Bereich sehr gut, wie Monika Weibel, Mediensprecherin, Migros-Genossenschaftsbund, zu IT Reseller sagt. «Security-Produkte machen bei uns ein Drittel des gesamten Anwender-Software-Bereiches aus», so Weibel. Sie verspürt vor allem eine stärkere Nachfrage nach kompletten Security-Paketen: «Der Endkunde möchte nicht mehr nur eine Antivirus-Lösung, sondern entscheidet sich meist für eine Internet-Security-Lösung oder ein All-in-one-Produkt.» Die Migros fühlt sich durch die Provider-Angebote nicht bedroht. «Da der Kunde die Verantwortung gern selbst in der Hand hat, werden diese Angebote wenig oder allenfalls zusätzlich genutzt werden», erklärt Weibel. Für die Migros ist der Schweizer Konsument ein typischer «Box-Käufer»: «Die jährlichen Online-Update-Aktivitäten ha­ben keinen oder nur sehr geringen Zulauf», sagt Weibel. «Security-Software verkauft sich bei Interdiscount hervorragend», sagt Jonas Hauswirth, Interdiscounts Junior Product Manager. «Provider-Angebote und Online-Abwicklungen sind sicherlich in gewissem Rahmen spürbar, behindern jedoch nicht unseren Erfolg», so Hauswirth. «Der Vorteil einer Auswahl an verschiedener Security-Software liegt darin, dass damit die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Kunden besser abgedeckt sind als mit einem Standard-Paket vom Provider.»

Am Retail vorbei

Das Geschäft mit Security hat sich in verschiedene Richtungen entwickelt, meint Beny Hochspach, Purchase Manager Switzerland bei Media Markt. Zum einen seien PCs oder Notebooks heute schon von Hause aus mit Antivirenprogrammen ausgerüstet, die man nach drei Monaten gratis per Internet aktivieren könne. «Dieses Geschäft geht ganz klar am Handel vorbei», so Hochspach. Zum anderen gäbe es ­heutzutage nicht mehr nur Norton und eine Reihe neuer Anbieter hätte mit guten Produkten den Markt neu aufgemischt. Deshalb sei Internet-Security für Media Markt nach wie vor ein grosses Thema. «Ob die Mehrzahl der Kunden schon begriffen hat, dass sie beispielsweise bei Bluewin gewisse Sicherheitslösungen gratis aktivieren kann, wage ich zu bezweifeln», gibt Hochspach zudem zu bedenken. Was Servicedienstleistungen im Zusammenhang mit Sicherheitsinstallationen betrifft, hinkt Media Markt etwas hinterher: «Das ist bei uns leider noch kein zentrales Thema, wie es bei unseren Mitbewerbern der Fall ist», gesteht Hochspach. Wie wichtig aber gerade dieser Service sein kann, erklärt Kurt Rhyner, vom Rhyner Fachhandel aus Egg: «Wir sprechen bewusst Kunden an, denen eine Beratung und ein guter Service, wie Installation vor Ort, wichtig sind», sagt er. Auf Wunsch installiert er PC-Systeme bei den Kunden zu Hause. «Hier gehört eine Sicherheitssoftware immer dazu.» Rhyner führt Produkte von Kaspersky und Norton. Letzterer, vor zwei Jahren eindeutig der Hersteller mit der meistverkauften Software, hätte aber inzwischen gewaltig eingebüsst, so Rhyner. Anders als bei anderen Fachhändlern sei der Verkauf von Sicherheitslösungen im Consumer-Bereich bei ihm bis heute nicht eingebrochen. Die Dienste der Provider würden von den Privatanwendern als gute Ergänzung betrachtet. Bis heute verzichte jedoch kaum ein Kunde auf lokale Sicherheitssoftware. Auch die Gratis-Angebote seien seinen Kunden teilweise zwar bekannt, sagt Rhyner, würden aber nicht dasselbe Vertrauen wie die kostenpflichtigen Produkte geniessen. «Unsere Kunden sind eher konservativ eingestellt. Jüngere verwenden bestimmt vermehrt die kostenlosen Dienste und Software-Lösungen», sagt Rhyner zu IT Reseller.

Dienstleistung zählt

«Wir fühlen uns nicht bedroht», sagt auch Christian Hernmarck von Comdoch Computer und Netzwerke, Arlesheim. «Wenn es für den Kunden sinnvoll ist, eine Firewall beim Provider zu benutzen, warum nicht?» Er achte primär darauf, dass der Kunde möglichst die für ihn am besten geeignete Lösung erhalte und nicht, dass er ein möglichst margenstarkes Produkt verkaufen könne. «Insofern sind kostenlose Antivirenprodukte für viele Privatkunden genau das richtige», so Hernmarck. Gerade auf etwas älteren PCs sei das eine ideale Lösung. «Wir installieren solche Produkte bei allen Privat-PCs standardmässig», sagt Hernmarck. Auch für Comdoch zählt letztlich die Dienstleistung: «Die können wir verrechnen, davon leben wir, nicht von der Marge. Wichtig ist, dass der Kunde weiss, dass es mit der Installation eines beliebigen Security-Pakets nicht getan ist.» (Susann Klossek)


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