Der Fall hatte im Herbst vorletzten Jahres für einiges Aufsehen in der IT-Branche gesorgt: Die beiden langjährigen Oracle-Manager, Länderchef Joachim Asbrede und Marketing-Direktor Miguel Bayo, wurden fristlos entlassen. Lange Zeit wurde über die Umstände gerätselt, dann geriet der Fall in Vergessenheit. Die beiden haben aber vor Gericht für ihre Rehabilitierung gekämpft - und recht bekommen. Beiden ging es darum, dass das Gericht die fristlose Kündigung als ungerechtfertigt beurteilt - vorgegangen sind sie aber mit ganz unterschiedlichen Mitteln.
Bayo wollte, dass er ein richtiges Arbeitszeugnis erhält. Denn: Der Manager, dem
Oracle Ungereimtheiten mit der Einstellung von Personen in seiner Marketingabteilung vorwirft, wurde wenige Tage nach Bekanntwerden der angeblichen ungerechtfertigten Einstellung einer Person in eine höhere Position befördert, weil er durch seine langjährige Erfahrung und seine Sprachkenntnisse zusätzliche Aufgaben in der Region Western Continental Europe hätte übernehmen sollen. Bayo hatte aber Jahre zuvor einen schweren Motorradunfall erlitten und infolge der hohen Arbeitsbelastung eine längst fällige Operation immer wieder hinausgezögert. Als ihm sein Arzt zu dem Zeitpunkt unmissverständlich klarmachte, dass er die Operation nicht weiter aufschieben könne, informierte er die Personalabteilung darüber, dass er den Eingriff nun dringend vornehmen müsse und dass dieser - die Implantation eines künstlichen Ellbogengelenks - eine hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit für mindestens ein halbes Jahr nach sich ziehen würde. Der Verdacht kommt auf, dass diese Situation ein Grund darstellte, um Bayo loszuwerden.
«Massiv Druck ausgeübt»
Brisant ist insbesondere, wie Bayo dazu gebracht werden sollte, die Firma zu verlassen. Zwei Tage nach seiner Beförderung wurde er am 14. September 2006 ins Büro der Personalchefin zitiert. Anwesend waren am 15. September ausser ihr auch die Finanzdirektorin und der Leiter der Oracle-Rechtsabteilung. Man warf Bayo vor, er hätte trotz Personalstops Mitarbeiter und zusätzlich einen entlassenen Mitarbeiter wieder eingestellt und für ein Kick-off-Meeting würde eine Purchase-Order-Nummer (eine bei US-Konzernen übliche Nummer, um Einkäufe resp. Lieferungen im Voraus bewilligen zu lassen) fehlen. Als Folge müsse entweder die fristlose Kündigung ausgesprochen werden oder man gebe ihm die Möglichkeit, selber zu kündigen und noch bis Ende des Monats Gehalt und einige Benefits zu erhalten.
Bayo, verunsichert durch die unerwartete Situation und den Widerspruch, bat um Bedenkfrist, um seine Rechtslage prüfen zu können. «Über die Art der Regelverstösse wurde ich im Unklaren gelassen und man setzte Druck auf mich aus in der Hoffnung, ich könnte durch eine kurze Entscheidungsfrist keinen rechtlichen Beistand einholen», sagt er heute. Dennoch sprach Oracles HR-Chef für die Emea-Region die fristlose Kündigung aus. Bayo hatte sicher richtig gehandelt, denn auch sein Anwalt empfahl ihm dringend, keine Dokumente zu unterschreiben, die einer Verzichtserklärung gleichkommen würden.
Verzögerungstaktik
Was folgte, ist eine bisher eineinhalb Jahre dauernde Odyssee mit Verhandlungen der Anwälte über eine aussergerichtliche Einigung, Verschiebung von Gerichtsterminen und Fristverlängerungen seitens
Oracle, bis es schliesslich Ende Februar dieses Jahres zur Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Baden kam. Während eines ganzen Tages wurden neun Zeugen und drei Oracle-Vertreter befragt und einen Tag lang fünf Richter sowie ein Übersetzer beschäftigt. Danach konnten sich die Parteien endlich über den Inhalt des Arbeitszeugnisses und auf das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses einigen.
Bayo aber hat sein Arbeitszeugnis, das für ihn die Basis für sein berufliches Fortkommen bildet, immer noch nicht erhalten. Oracle hat nämlich die Urteilsbegründung verlangt. Laut Auskunft des Gerichts dauerte es üblicherweise Monate, bis dieses ausformuliert wird. Und in vielen solchen Fällen wird eine Begründung nur dann verlangt, wenn von einer nächsthöheren Instanz eine Neubeurteilung verlangt wird.
Vorwurf: Schwarze Konten geführt
Ähnlich erging es Ex-Länderchef Joachim Asbrede, dessen Verhandlung bereits im Januar stattfand und der unter anderem eine Abgangsentschädigung und die korrekte Lohnfortzahlung, zusammen handelt es sich um eine grössere sechsstellige Summe, einklagte. Asbrede wurde fristlos gekündigt, weil offenbar nach dem Bekanntwerden der angeblichen Ungereimtheiten bei Bayo auch bei ihm Regelverstösse ans Licht gekommen sein sollen. Asbrede und Bayo sollen schwarze Konten geführt haben, über die man Kunden- und Marketinganlässe bezahlt hat. Die Rede ist von einer externen Marketing-Organisation und dem berühmten Fifa-Stübli im Zürcher Restaurant Sonnenberg.
Oracle-Vertreter zeigten sich an der Verhandlung empört, dass Asbrede interne Richtlinien dergestalt verletzt habe, dass für Anlässe, die die Bewilligungspflicht überschritten und bewilligte Gelder für Zwecke ausgegeben wurden, für die sie nicht vorgesehen waren. Asbrede selbst zeigte sich vor Gericht unbeeindruckt. Er hätte als Country Manager über Details der Finanzierung von Anlässen keine Kenntnis gehabt und nie eine Rechnung gesehen. Man hielt ihm auch vor, er hätte für einen Anlass unberechtigterweise Poster für einen Betrag von rund 1500 Franken drucken lassen und er hätte sonntags im Sonnenberg für 160 Franken gegessen und dies nicht als Spesen, sondern unter Events über das Sonnenberg-Konto abgebucht. «Von Verschleierung und Manipulation kann keine Rede sein. Das Ganze ist kompletter Blödsinn», sagte Asbrede vor Gericht. Oracles HR-Emea-Chef Robert Cortenraad jedoch wetterte: «Asbrede glaubt, man hätte ihn loswerden wollen, aber Verfehlungen dieser Art sind nicht tolerierbar!» Asbrede wurde vom Gericht ein beträchtlicher Betrag zugesprochen, erhalten hat er ihn bisher so wenig wie Bayo sein Arbeitszeugnis. Ob
Oracle den Fall an eine höhere Instanz weiterziehen wird, ist unklar. «Kein Kommentar», heisst es auf Anfrage.
Kommentar
Als Beobachter wurde ich den Eindruck nicht los, dass die Oracle-Vertreter händeringend nach Fehlern der beiden Manager suchten, diese das Gericht aber nicht zu überzeugen vermochten. Schliesslich sah es das Gericht nicht als überzeugend an, weshalb man jemanden, der über Jahre gute Arbeit leistet, wegen allfälligen administrativen Bagatellen fristlos entlassen darf. Hingegen ist vorstellbar, dass man unter besonderen Umständen hochbezahlte Mitarbeiter loswerden will und dabei vor skrupellosen Methoden nicht zurückschreckt. Sollte
Oracle die beiden Urteile weiterziehen und erneut verlieren, dürfte dies für die involvierten Personen Konsequenzen haben. Ein Grund vielleicht, weshalb versucht wird, das definitive Urteil so lang als möglich hinauszuzögern.
Markus Häfliger